Sartan verlangsamt Aortendilatation bei Marfan-Syndrom
Patienten mit Marfan-Syndrom könnten von einer frühen Irbesartan-Gabe profitieren. In einer randomisierten Studie konnte das Sartan die progrediente Ausdehnung der Aortenwurzel hinauszögern, sowohl alleine als auch ergänzend zu einer Betablocker-Therapie.
Für Patienten mit Marfan-Syndrom könnte sich eine zusätzliche Therapieoption eröffnen. Irbesartan hat in der randomisierten placebokontrollierten AIMS-Studie die mit der Erkrankung einhergehende progrediente Aortendilatation verlangsamen können. Die Wirkung des AT1-Rezeptorblockers hat sich sowohl alleine als auch mit einer zusätzlichen Betablocker-Therapie gezeigt.
Aktueller Standard sind Betablocker
Betablocker sind die aktuelle Standardtherapie bei Marfan-Syndrom, einer autosomal dominanten Erbkrankheit, bei der es aufgrund einer Mutation im Fibrillin 1-Gen zu einer ausgeprägten Bindegewebs-Instabilität kommt. Eine Folge davon ist eine zunehmende Ausdehnung der Aortenwurzel. Über eine Blutdrucksenkung lässt sich diesem Krankheitsprozess entgegenwirken. Betablocker werden deshalb als prophylaktische Therapie eingesetzt.
Angiotensin II-Blockade im Tiermodell wirksam
Daneben scheinen Sartane in den Krankheitsmechanismus auch direkt eingreifen zu können. Jedenfalls hat sich Tiermodell gezeigt, dass eine Angiotensin II-Blockade die Entstehung einer Aortendilatation aufhalten kann, wahrscheinlich weil dadurch die Aktivität von TGFβ beeinflusst wird. Ein abnormales TGFβ-Signaling gilt wiederum als treibende Kraft in dem Progress der Aortendilatation bei Marfan-Patienten. Die meisten klinischen Studien mit Lorsartan verliefen allerdings enttäuschend.
Vor diesem Hintergrund können die aktuell beim ESC-Kongress in München vorgestellten Ergebnisse der AIMS-Studie als Erfolg gewertet werden. Nach einer einmonatigen Run-in-Phase, in der Irbesartan allen Patienten offen verabreicht wurde, um die Verträglichkeit zu testen, wurden die Probanden randomisiert: 104 Patienten erhielten für weitere 5 Jahre Irbesartan (auftitriert bis 300 mg), 88 nahmen stattdessen Placebo. Damit wurden deutlich weniger Patienten eingeschlossen als ursprünglich mit 490 geplant war.
Weit gefasste Einschlusskriterien
An zu strengen Einschlusskriterien kann die geringe Patientenrekrutierung nicht gelegen haben. Die waren nämlich im Gegensatz zu früheren Studien sehr weit gefasst, wie der Studienleiter Prof. Michael Mullen auf dem ESC-Kongress berichtete. Seiner Ansicht nach würde dies den Einsatz des Medikaments in der Praxisrealität widerspiegeln. Die Patienten mussten mindestens sechs Jahre als sein und durften nicht älter als 40 Jahre alt sein.
Nur knapp 60% der Patienten (59,1% in Placebo und 53,9% in der Irbesartan-Gruppe) nahmen Betablocker ein. Daran werde deutlich, wie viele Patienten Betablocker nicht vertragen, kommentierte Mullen diesen Umstand.
Der Z-Score (Abweichung des Diameters vom zu erwartenden Mittelwert adjustiert auf die Körperoberfläche) musste > 0 liegen, womit der Durchmesser über dem Durchschnitt gelegen habe, aber noch nicht unbedingt pathologisch erweitert war, so Mullen. Im Mittel lag der Z-Score bei 3,0 in der Placebo- und bei 3,2 in der Irbesartan-Gruppe. Der Aortenwurzeldiameter betrug im Schnitt 35,3 bzw. 34,8 mm.
Weitere Ausdehnung wurde verlangsamt
Am Ende der fünfjährigen Behandlungszeit war die Aortenwurzel der mit Irbesartan behandelten Marfan-Patienten weniger stark aufgeweitet als in der Placebo-Gruppe. Genauer genommen konnte die Medikation die weitere Ausdehnung um 0,22 mm pro Jahr verlangsamen (jährliche Zunahme des Durchmessers 0,53 vs. 0,74 mm mit Placebo; p=0,03). Dasselbe gilt für den Z-Score (jährliche Zunahme von 0,05 vs. 0,15; Unterschied: – 0,10; p=0,04). Die Effekte zeigten sich vor allem im ersten Behandlungsjahr und unabhängig davon, ob Betablocker eingenommen wurden oder nicht
Wie erwartet ging die Behandlung mit einer deutlichen Blutdrucksenkung einher (-0,42 vs. 1,27 mmHg pro Jahr). Dieser Effekt zeigte sich ebenfalls vor allem im ersten Jahr, weshalb anzunehmen ist, dass Irbesartan seine Wirkung ebenfalls über die Blutdrucksenkung und nicht über den oben postulierten biologischen Mechanismen entfaltet hat. Das Medikament sei aber sowohl von den Erwachsenen als auch von den Kindern gut vertragen worden, fügte Mullen dem hinzu.
Kein Einfluss auf die Prognose
An der Prognose der Patienten änderte die Sartan-Therapie jedoch nichts: In beiden Gruppen mussten vier Operationen an der Aorta vorgenommen werden. Mullen hält den Einsatz des AT1-Rezeptorantagonisten bei Marfan-Patienten trotzdem für sinnvoll. Wenn man die Aortendilatation und die zumeist erforderliche operative Korrektur hinauszögern könne, sei das von Nutzen. Und die Patienten hätten ja keine Nachteile davon, argumentierte der in London tätige Kardiologe.
Besonders vorteilhaft wirkte sich die Sartan-Therapie bei jüngeren Patienten und solchen mit einem Z-Score > 3 zu Studienbeginn aus. Die AIMS-Studie war allerdings weder dafür gepowert, profitierende Subgruppen zu identifizieren, noch Unterschiede in klinischen Endpunkten aufzudecken.
Literatur
M Mullen: AIMS - Aortic Irbesartan Marfan Study; Hot Line-Session 5, ESC-Kongress, 28. August 2018 in München