TAVI auf dem Weg zur anerkannten Option auch bei niedrigem Operationsrisiko
Die Entwicklung der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) schreitet weiter voran. Nach Etablierung dieser interventionellen Therapie bei Patienten mit Aortenstenose und hohem oder mittlerem Operationsrisiko steuert sie nun auf die Gruppe der „Low-Risk“-Patienten zu. Beim ESC-Kongress gab es dazu neue Daten.
Die als TAVI bekannte katheterbasierte Aortenklappen-Implantation scheint bei Patienten mit schwerer Aortenstenose und niedrigem Operationsrisiko ebenso effektiv und sicher zu sein wie ein chirurgischer Aortenklappenersatz. Das legen zwei beim ESC-Kongress vorgestellte neue Studienanalysen nahe, die jedoch beide noch keine definitive Klärung des Stellenwerts der TAVI bei „Low-Risk“-Patienten liefern können.
FDA gab grünes Licht für die LRT-Studie
Die erste Studie ist die mit einer Ausnahmegenehmigung der US-Gesundheitsbehörde FDA für „Low-Risk“-Patienten in den USA durchgeführte LRT-Studie (Low Risk TAVR), deren Ergebnisse Dr. Ron Waksman vom MedStar Washington Hospital Center, Washington, DC, in München vorgestellt hat.
In dieser Studie sind 200 ausgewählte Patienten (mittleres Alter: 74 Jahre) mit schwerer Aortenstenose und niedrigem Operationsrisiko (Society of Thoracic Surgeons–Predicted Risk of Mortality, STS-PROM-Risikoscore ≤3%,) einer transfemoralen TAVI unterzogen worden, bei der ballonexpandierbare Aortenklappen-Prothesen (Sapien 3, Edwards Lifesciences) oder selbstexpandierende Klappensysteme (CoreValve, Evolut R, Evolut PRO, Medtronic) implantiert wurden. Die Behandlungsergebnisse nach TAVI sind dann mit denen eines historischen Kollektivs von 719 „Low-Risk“-Patienten mit isoliertem chirurgischem Aortenklappenersatz aus der STS-Datenbank verglichen worden.
Kein Todesfall, kein Schlaganfall nach TAVI
Primärer Endpunkt war die Mortalität nach 30 Tagen. Wie Waksman betonte, war bis zu diesem Zeitpunkt in der TAVI-Gruppe kein einziger Todesfall zu verzeichnen. In der chirurgisch behandelten Kontrollgruppe lag die Mortalitätsrate bei 1,7% - im Vergleich zur TAVI-Gruppe ein nicht signifikanter Unterschied (p=0,079). Auch Schlaganfälle wurden bei Patienten mit TAVI nicht beobachtet. Zum Vergleich: In den bisherigen randomisierten Studien, in den TAVI und chirurgischer Aortenklappenersatz verglichen wurden, bewegten sich die Raten für die 30-Tage-Mortalität in Abhängigkeit vom Risikoprofil der Teilnehmer zwischen 2,8% (SURTAVI bei mittlerem Risiko) und 8,4% (bei inoperablen Patienten).
Klinikaufenthalte deutlich verkürzt
Die Dauer des Klinikaufenthalts nach dem Eingriff war in der TAVI-Gruppe signifikant kürzer (2,0 vs. 6,4 Tage) und Rate an postoperativem bzw. postprozeduralem Vorhofflimmern (3,0% vs. 40,8%) signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Implantationen eines permanenten Schrittmachers waren in beiden Gruppen relativ selten erforderlich (5.0% vs. 4.5%). In der TAVI-Gruppe war die entsprechende Implantationsrate mit 5,0% so niedrig wie in keiner vorangegangenen größeren TAVI-Studie. Subklinische Segelklappen-Thrombosen, deren mögliche Auswirkungen auf den längerfristigen klinischen Verlauf derzeit völlig unklar sind, wurden zum Zeitpunkt 30 Tage nach TAVI in 14% aller Fälle festgestellt – unter plättchenhemmender Therapie häufiger als unter oraler Antikoagulation.
Neue Daten aus dem deutschen GARY-Register
Direkt im Anschluss an die LRT-Studie hat Prof. Raffi Bekeredjian vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart eine neue Analyse zu Behandlungsergebnissen nach TAVI und Klappenoperationen speziell bei „Low Risk“-Patienten aus dem deutschen GARY-Register vorgestellt. Unter den insgesamt 45.567 zwischen 2014 bis 2015 in das Register aufgenommenen Patienten mit Aortenstenose waren 20.549, die angesichts eines STS-Scores ≤4% ein niedriges Operationsrisiko hatten. Von diesen Patienten waren 14.487 einen Klappenoperation und 6.062 einer mehrheitlich transvaskulär durchgeführten TAVI unterzogen worden.
Die Patientenprofile in beiden Gruppen unterschieden sich erheblich. Patienten der TAVI-Gruppe waren im Schnitt wesentlich älter (78,9 vs. 67,5 Jahre) und bezüglich Komorbidität deutlich kränker als chirurgisch behandelte Patienten. Aus diesem Grund nutzten die Untersucher bei ihrer Analyse adjustierte Analysemodelle (weighted propensity score model).
Unterschied bei der Überlebensrate
In der adjustierten Analyse waren die Ergebnisse – gemessen an der Überlebensrate – in der Zeit des Klinikaufenthalts sowie nach 30 Tagen in der TAVI-Gruppe signifikant besser als in der Gruppe mit Klappenoperation (In-Hospital- Überlebensrate: 98,48% vs. 97,33%, p=0,003; 30-Tage-Überlebensrate: 98,09% vs. 97,07%, p=0,014). Nach eine Jahr, so Bekeredjian, habe sich die TAVI bezüglich des Überlebens als „nicht unterlegen“ erwiesen (90,00% vs. 91,23%, p=0,158).
Jetzt bleibt abzuwarten, ob längerfristig angelegte randomisierte Studien wie PARTNER 3 und EVOLUT TAVR die vielversprechenden Ergebnisse der TAVI bei „Low-Risk“-Patienten mit schwerer Aortenstenose bestätigen. Mit DEDICATE ist inzwischen auch an deutschen Zentren eine herstellerübergreifende, randomisierte Studie zum Vergleich von interventionellem und chirurgischem Aortenklappenersatz bei Patienten mit niedrigem Operationsrisiko gestartet worden.
Literatur
Vorgestellt in der Sitzung „Late Breaking TAVI Registries“ beim ESC-Kongress 2018, 25. – 29. August 2018, München
Waksman R, et al.: Transcatheter Aortic Valve Replacement in Low-Risk Patients With Symptomatic Severe Aortic Stenosis. J Am Coll Cardiol 2018, onkline 28: August 2018