Mit nur zwei Injektionen pro Jahr LDL-Cholesterin dauerhaft um 50% gesenkt
Der Wirkstoff Inclisiran hat eine weitere Hürde genommen: In der ersten randomisierten Phase-III-Studie konnten mit dem über RNA-Interferenz wirkenden Lipidsenker die LDL-Cholesterinspiegel der Studienteilnehmer auf Dauer halbiert werden.
In der ersten randomisierten placebokontrollierten Phase-III-Studie mit dem Wirkstoff Inclisiran hat dieser die Erwartungen bezüglich aller primären und sekundären Wirksamkeitsendpunkte erfüllt, hatte das Unternehmen The Medicines Company in einer „Top Line“-Ankündigung schon im Vorfeld des Kongresses der European Society of Cardiology (ESC) in Paris informiert. Wenige Tage später hat Studienleiter Dr. Kausik Ray vom Imperial College, London, dann dort die kompletten Ergebnisse der ORION-11-Studie in einer „Late-breaking Science“-Sitzung vorgestellt.
In Übereinstimmung mit Ergebnissen vorangegangener Phase-II-Studien bestätigt auch ORION-11 die starke und anhaltende cholesterinsenkende Wirkung von Inclisiran. Primäre Endpunkte der Studie waren die prozentuale Änderung der LDL-C-Konzentration nach 510 Tagen (17 Monaten) und die durchschnittliche LDL-Änderungen in der Zeit zwischen 90 Tagen und 540 Tagen (18 Monaten) nach Therapiebeginn im Vergleich zu Placebo.
LDL-C-Spiegel nach 17 Monaten um 54% niedriger
Zum Zeitpunkt nach 17 Monaten war der mittlere LDL-C-Spiegel in der Inclisiran-Gruppe signifikant um 54% niedriger als in der Placebo-Gruppe (p < 0,0001). Zwischen dem 3. und 18. Monat betrug die gemessene LDL-C-Reduktion im zeitlichen Durchschnitt 50%, berichtete Ray in Paris.
Das Sicherheitsprofil des innovativen Lipidsenkers entsprach weitgehend dem von Placebo. Eine relative Zunahme unerwünschter Begleiteffekte unter Inclisiran gab es nur im Hinblick auf zumeist milde Hautreaktionen im Bereich der Einstichstelle (4,7% vs. 0,5%).
Unter Inclisiran war die Inzidenzrate für kardiovaskuläre Ereignisse tendenziell niedriger als unter Placebo (7,8% vs. 10,3%), so das Ergebnis einer exploratorischen Analyse. Für einen zuverlässigen Nachweis von Unterschieden bei klinischen Ereignissen war die Studie nicht gepowert.
In die ORION-11-Studie waren 1.617 Patienten mit atherosklerotischen Gefäßerkrankungen (87,6%) oder erhöhtem kardiovaskulären Risiko (12,4%) beteiligt, die trotz Behandlung mit Statinen erhöhte LDL-Cholesterinwerte aufwiesen. Bei den der Inclisiran-Gruppe zugeteilten Patienten war der Wirkstoff (300 mg) nach der ersten Injektion zunächst nach drei Monaten und danach alle sechs Monate subkutan appliziert worden.
Potenzieller Konkurrent für PCSK9-Hemmer
Sollten die Ergebnisse der klinischen Forschung mit Inclisiran für die Gesundheitsbehörden überzeugend genug sein und in naher Zukunft zur Zulassung führen, könnte die Substanz – ein günstigerer Preis vorausgesetzt - zu einem Konkurrenten für die derzeit verfügbaren PCSK9-Hemmer werden. PCSK9-Hemmer und Inclisiran setzen beide – wenn auch in unterschiedlicher Weise – am Enzym PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin / Kexin type 9) an, das bekanntlich eine wichtige Stellschraube für die Regulierung der LDL-Rezeptoren darstellt. PCSK9 bindet an den Komplex aus LDL-Cholesterin und LDL-Rezeptor und bewirkt den Abbau der Rezeptoren in der Leber. Ein Rezeptor-Recycling ist deshalb nicht möglich. Fehlt dagegen PCSK9, werden die LDL-Rezeptoren vermehrt recycelt und erneut an die Oberfläche der Hepatozyten befördert. Dadurch kann LDL-Cholesterin vermehrt gebunden werden.
PCSK9-Inhibitoren binden als monoklonale Antikörper das Enzym PCSK9 im Plasma und fördern so das LDL-Rezeptor-Recycling. Incliseran unterbindet im Unterschied dazu als sogenannte small interfering RNA (siRNA) intrazellulär die Synthese von PCSK9. Das geschieht durch RNA-Interferenz (RNAi): Durch Inclisiran wird die mRNA für PCSK9 an der Translation zur Proteinsynthese gehindert, die PCSK9-Synthese wird also quasi abgeschaltet. Damit dies spezifisch in der Leber passiert, enthält Inclisiran als zweiten Bestandteil N-Acetylgalactosamin, der die siRNA gezielt in die Leberzellen lotsen soll.