Ist Colchicin eine neue Therapieoption bei stabiler KHK?

Erneut hat Colchicin in einer großen Interventionsstudie KHK-Patienten wirksam vor kardiovaskulären Komplikationen geschützt. Sollte der Mitose-Hemmstoff deshalb in die KHK-Therapie integriert werden?

Von Dirk Einecke

 

01.09.2020

Erst im Vorjahr war die doppelblinde COLCOT-Studie mit 4.745 KHK-Patienten publiziert worden. Bei Patienten mit kürzlich erlittenem Herzinfarkt konnte Colchicin das relative Risiko für Herztod, Infarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation und überlebten Herzstillstand in knapp zwei Jahren um 23% senken.

 

 

Auf COLCOT folgt LoDoCo2

Nun folgt die LoDoCo2-Studie bei Patienten mit stabile KHK (neue Terminologie: chronisches Koronarsyndrom), deren Ergebnisse Prof. Mark Nidorf, Kardiologe am GenesisCare Center in Perth/Australien, beim ESC-Kongress 2020 vorstellte und zeitgleich publizierte.

 

Die Studie zeigte „eine relative Risikoreduktion von nahezu einem Drittel für den primären Endpunkt, wobei der Nutzen relativ früh nach dem Therapiebeginn deutlich wurde und mit der Zeit zunahm. Zudem wurde die Therapie langfristig gut vertragen“, berichtete Nidorf. Die Studienergebnisse etablierten Colchicin „als potenzielle neue Therapieoption zur Prävention kardiovaskulärer Komplikationen bei KHK-Patienten“. 

 

Für die in Australien und Holland durchgeführte doppelblinde LoDoCo2-Studie waren über 6.000 Patienten mit chronischem Koronarsyndrom rekrutiert worden, die im Schnitt 66 Jahre alt und (leider) zu 85% männlich waren, 84% hatten bereits ein akutes Koronarsyndrom mit anschließender Revaskularisierung durchgemacht. Entsprechend nahmen die meisten Patienten Lipidsenker (97%), Thrombozytenaggregationshemmer (90%), Renin-Angiotensin-Inhibitoren (72%) und Betablocker (61%) ein.

 

 

Vorphase identifizierte Patienten mit Unverträglichkeit

Zu Beginn der Studie erhielten die Patienten für 30 Tage offen 0,5 mg/Tag Colchicin. 91,3% der Patienten vertrugen die Behandlung gut. Somit standen 5.522 Patienten für die Randomisierung (0,5 mg/Tag Colchicin oder Placebo) zur Verfügung.

 

 

Klinisch signifikante Risikoreduktion

Kardiovaskuläre Komplikationen im Sinne des primären Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Infarkt, Schlaganfall, ischämiebedingte koronare Revaskularisation) erlitten nach median 29 Monaten 187 (6,8%) Colchicin- und 264 (9,6%) Placebo-Patienten (HR: 0,69, p<0,001), so Nidorf. Auch die Betrachtung der drei harten Endpunkte (kardiovaskulärer Tod, Infarkt, Insult) fiel positiv für die Therapie aus (4,2% vs. 5,7%, HR: 0,72, p=0,007), ebenso wie weitere sekundäre Endpunkte.

 

 

Was ist mit der nicht-kardiovaskulären Mortalität?

Die Verträglichkeit war, nicht zuletzt aufgrund der vorgeschalteten 30-tägigen Open-Label-Phase, gut. Ein Haar in der Suppe könnte die Bilanz der nicht-kardiovaskulären Todesfälle sein: Es starben 53 (1,9%) der Verum- sowie 35 (1,3%) der Placebo-Patienten, was einer nicht signifikanten Risikoerhöhung mit einer Hazard Ratio von 1,51 entspricht. 

 

Eine Analyse der individuellen Todesursachen ergab keine klaren Hinweise, es zeigte sich keine numerischen Erhöhungen für Krebs, Infektionen oder Pneumonien. In der bereits erwähnten COLCOT-Studie wurde ein entsprechendes Signal nicht beobachtet.

 

Unter den Limitationen ihrer Studie listen die Autoren das Ungleichgewicht in der Geschlechterverteilung sowie das Versäumnis, inflammatorische Parameter wie CRP bestimmt zu haben, auf. Auch Blutdruck- und Blutlipidwerte wurden nicht dokumentiert.

 

Der LoDoCo2-Studie ging übrigens eine kleinere offene LoDoCo-Studie mit 532 KHK-Patienten voraus. Damals hatte man innerhalb von drei Jahren eine signifikante Risikoreduktion für den kombinierten Endpunkt ACS, Herzstillstand oder Schlaganfall gefunden (5,3% vs. 16%), wobei 10% der Patienten Colchicin nicht vertragen hatten.

 

 


Literatur

Nidorf M: LoDoCo2 - Colchicine in Patients With Chronic Coronary Disease; vorgestellt bei der HOTLINE III-Session am 31.08.2020 beim ESC Congress 2020 - The Digital Experience 

 

Nidorf SM et al. Colchicine in Patients with Chronic Coronary Disease. N Engl J Med 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2021372

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