Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern, aber wie?
Gerade bei älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern bleibt die medikamentöse Frequenzkontrolle ein wichtiger Therapiebaustein. Ein altbekanntes Medikament hat sich hier nun – zumindest teilweise – einer Betablockertherapie als überlegen erwiesen.
Trotz aller Kathetertherapie: Die medikamentöse Frequenzkontrolle bleibt ein wichtiger Pfeiler der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern. Dies gelte insbesondere für die stetig wachsende Gruppe der älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, sagte Prof. Dipak Kotecha vom Institut of Cardiovascular Sciences der Universität Birmingham.
Bei der virtuellen ESC-Tagung stellte Kotecha die Ergebnisse der sehr pragmatisch-versorgungsnahen, randomisiert-kontrollieren RATE-AF-Studie vor, die in Großbritannien bei 160 im Mittel 76-jährigen Patienten mit permanentem Vorhofflimmern eine medikamentöse Behandlung mit Bisoprolol und eine solche mit Digoxin verglichen hat.
Bisoprolol versus Digoxin
Bei den Patienten handelte es sich um ein weitgehend typisches, älteres Vorhofflimmer-Kollektiv. 46% waren Frauen, und 87% der Patienten zeigten moderate oder schwere Vorhofflimmersymptome, quantifiziert nach modifizierter EHRA-Skala (mEHRA 2b/3). 52% der Patienten hatten zudem bereits zu Studienbeginn Herzinsuffizienzsymptome, der mediane NTproBNP-Wert betrug 1057 pg/ml.
In der Studie wurden Bisoprolol und Digoxin mit dem Ziel der Frequenzkontrolle eingenommen. Das gelang: In beiden Gruppen sank die Herzfrequenz von im Mittel rund 100 pro Minute auf im Mittel rund 75 pro Minute ab. Digoxin-seitig waren dafür im Mittel 161 µg pro Tag nötig. Nur einige wenige Patienten brauchten ergänzend zur Studienmedikation weitere frequenzwirksame Medikamente. Beim primären Endpunkt, der mit dem SF-36 quantifizierten globalen Lebensqualität nach sechs Monaten, gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen.
Digoxin hatte gewisse Vorteile
Wenn aber in die Details geschaut wurde, dann zeigte sich, dass Digoxin in fast allen Bereichen leichte und oft auch statistisch signifikante Vorteile hatte. Was die Lebensqualität angeht, war Digoxin bei Scores wie dem AFEQT, der stark auf Vorhofflimmer-Symptome abzielt, signifikant im Vorteil. Auch bei diversen Subdomänen des SF-36 hatte Digoxin die Nase vorn.
Was die Symptome auf der mEHRA-Skala angeht, ging es bei Digoxin-Therapie für fast jeden Patienten zumindest eine Stufe nach oben, während der Betablocker ein viel gemischteres Bild zeigte. Der Anteil der Patienten, die sich um mindestens zwei mEHRA-Klassen verbesserten, betrug bei Digoxin-Therapie nach zwölf Monaten annähernd 70%, bei Bisoprolol-Therapie nur knapp 30%.
Was die Herzinsuffizienzprobleme angeht, gab es zwar keinen Unterschied zwischen den Gruppen bei der Entwicklung der Ejektionsfraktion (EF). Aber das NTproBNP sank bei den Digoxin-Patienten von 1.095 auf 960 pg/ml, während es bei den Bisoprolol-Patienten von 1.041 auf 1.250 pg/ml anstieg. (p=0,005)
Und schließlich war Digoxin auch bei praktisch allen klinischen Ereignissen im Vorteil, darunter Tod, kardiovaskuläre Ereignisse und ungeplante Klinikeinweisungen. Die Studie war dafür aber nicht gepowert.
Digoxin bei Älteren das Mittel der Wahl
Präspezifiziert war dagegen der Vergleich unerwünschter Reaktionen. Von diesen gab es 142 bei Bisoprolol-Therapie gegenüber nur 29 bei Digoxin-Therapie (p<0,001). Insgesamt sollte Digoxin vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bei älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, bei denen eine Frequenzkontrolle angestrebt wird, nicht zuletzt wegen seiner besseren Verträglichkeit als Mittel der ersten Wahl angesehen werden, so Kotecha.
Literatur
Kotecha D: RATE-AF: RAte control Therapy Evaluation in permanent Atrial Fibrillation; vorgestellt bei der Late-Breaking Science in Atrial Fibrillation 1-Session am 29.08.2020 beim ESC Congress 2020 - The Digital Experience