Rivaroxaban bei PAVK-Patienten mit und ohne KHK von Nutzen
Zwei neue Subanalysen der VOYAGER-PAD-Studie präzisieren das Bild vom klinischen Nutzen einer Therapie mit Rivaroxaban bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) und Revaskularisation der unteren Extremitäten.
Patienten mit symptomatischer PAVK und vorangegangener Revaskularisation von Arterien der unteren Extremitäten waren durch eine Kombi-Therapie mit Rivaroxaban in niedriger (vaskulärer) Dosierung (2 x 2,5 mg/Tag) plus ASS (100 mg/Tag) gegen PAVK-bezogene und kardiovaskuläre Ereignisse deutlich besser geschützt als durch ASS allein, hat die im März 2020 beim virtuellen ACC-Kongress vorgestellte VOYAGER-PAD-Studie gezeigt.
Eine KHK hatten 32% der Studienteilnehmer
Von den 6.564 Studienteilnehmern hatten 2067 (32%) zusätzlich zur PAVK eine KHK als Begleiterkrankung. PAVK-Patienten mit und ohne KHK standen im Fokus der ersten neuen VOYAGER-PAD-Subanalyse, die Dr. William R. Hiatt vom University of Colorado Hospital in Aurora beim virtuellen ESC-Kongress vorgestellt hat.
Das sind ihre wichtigsten Ergebnisse:
- Patienten mit PAVK und KHK hatten ein deutlich höheres Risiko für Herzinfarkte und ischämische Schlaganfälle als PAVK-Patienten ohne KHK.
- Bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban bei PAVK erwiesen sich die Ergebnisse bei Patienten mit und ohne KHK als konsistent. Allerdings war die absolute Reduktion von Herzinfarkten und Schlaganfällen bei PAVK plus KHK deutlich stärker als bei PAVK allein.
- Bei PAVK-Patienten ohne KHK dominierte als Effekt die Reduktion von schwerwiegenden Gliedmaßen-bezogenen Ereignissen.
Beide Gruppen waren hinsichtlich der Patientenmerkmale sehr unterschiedlich. Patienten mit PAVK und KHK waren im Schnitt älter und wiesen häufiger Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes und Hypertonie auf, sie rauchten allerdings seltener als PAVK-Patienten ohne KHK.
Entsprechend den unterschiedlichen Risikoprofilen waren auch die Ereignisraten für den primären 5-Komponenten-Endpunkt (akute Extremitätenischämie, Major-Amputationen aus vaskulären Gründen, Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, kardiovaskulär verursachter Tod) in beiden Gruppen im Studienzeitraum (im Median 28 Monate) sehr unterschiedlich:
- In der Placebogruppe war die Ereignisrate mit 24,3% versus 17,9% bei Patienten mit KHK deutlich höher als bei Patienten ohne KHK (absoluter Risikounterschied 6,4%).
- Bei Patienten mit KHK war die Ereignisrate unter Rivaroxaban mit 18,1% relativ um 22% niedriger (Hazard Ratio [HR]: 0,78; 95 % Konfidenzintervall [KI]: 0,64-0,95) und
- bei Patienten ohne KHK unter Rivaroxaban mit 16,1% relativ um 11% niedriger (HR 0,89; 95% KI: 0,77 – 1,04)
- Die absolute Risikoreduktion war mit 5,4% versus 1,8% bei Patienten mit KHK weitaus stärker als bei Patienten ohne KHK.
Von den Komponenten des primären Endpunktes waren Herzinfarkte bei Patienten mit KHK das häufigste Ereignis, dessen Inzidenz durch Rivaroxaban im Vergleich zu Placebo (plus ASS) relativ um 23% reduziert wurde (7,3% vs. 8,8%, HR 0,77; 95%; KI: 0,55 – 1,08) – bei einer absoluten Risikoreduktion um 1,5%. Das Risiko für Schlaganfälle war unter Rivaroxaban relativ um 25% niedriger (2,9% vs. 3,9%, HR 0,75; 95%; KI: 0,44 – 1,26).
Bei Patienten ohne KHK bestanden bezüglich Herzinfarkte (3,3% vs. 3,7%, HR 0,98; 95%-KI: 0,70 – 1,35) und Schlaganfälle (2,6% vs. 2,6%, HR: 0,94; 95% KI: 0,63 – 1,40) so gut wie keine Unterschiede zwischen Rivaroxaban und Placebo.
Bei Patienten ohne KHK dominierten akute Extremitätenischämien als häufigstes Ereignis, wobei deren Inzidenz durch Rivaroxaban im Vergleich zu Placebo (plus ASS) relativ um 37% reduziert wurde (5,2% vs. 8,3%, HR 0,63; 95% KI: 0,49 – 0,81) – bei einer absoluten Risikoreduktion um 3,1%. Bei Patienten mit KHK war die Inzidenz dieser PAVK-Ereignisse unter Rivaroxaban relativ um 22% niedriger (5,4% vs. 6,5%, HR 0,78; 95% KI: 0,54 – 1,14).
Obgleich schwere Blutungen (TIMI major) unter Rivaroxaban bei Patienten mit und ohne KHK als Begleiterkrankung numerisch häufiger waren als unter Placebo, erwiesen sich die Unterschiede als nicht statistisch signifikant.
Fokus auf akute Extremitätenischämien
In einer weiteren beim ESC-Kongress vorgestellten sekundären Analyse der VOYAGER-PAD-Studie hat eine Untersuchergruppe um die Kardiologin Dr. Connie N. Hess aus Aurora, Colorado, gezielt die akuten Extremitätenischämien als Endpunktereignisse unter die Lupe genommen. Mit einer Inzidenz von 7,8% in der Placebogruppe stellen diese PAVK-bezogenen Komplikationen die relativ am häufigsten aufgetretene Komponente des primären Endpunktes dar.
Rivaroxaban reduzierte die Inzidenz von akuten Extremitätenischämien innerhalb von drei Jahren signifikant von 7,8% unter Placebo auf 5,2% %, (HR 0,67; 95% KI: 0,55 – 0,82, p=0,0001), wobei der präventive Effekt auf diese Komplikationen schon früh erkennbar und mit der Zeit immer stärker wurde.
Effekt wurde mit der Zeit immer stärker
Schon nach einem Monat wurde eine absolute Risikoreduktion um 0,51% und nach drei Monaten um 1,1% festgestellt, berichtete Hess. Nach sechs Monaten war es schon eine absolute Risikoreduktion um 1,5%, die sich nach einem Jahr auf 1,7% und nach drei Jahren auf 2,6% erhöhte.
Der Nutzen von Rivaroxaban bezüglich der Reduktion von Gliedmaßen-Ischämien war im Übrigen unabhängig davon, welche Methode der Revaskularisation (chirurgisch oder endovaskulär) zuvor zur Anwendung gekommen war. Ob die Patienten zusätzlich Clopidogrel erhalten hatten oder nicht, hatte ebenfalls keinen Einfluss auf den Behandlungserfolg mit Rivaroxaban.
Literatur
Hiatt WR. et al. Rivaroxaban in PAD Patients Undergoing Lower Extremity Revascularization with and without Concomitant Coronary Disease: Insights from VOYAGER PAD, vorgestellt am 30.08.2020 beim ESC Congress 2020 - The Digital Experience
Hess CN. et al. Reduction in Acute Limb Ischemia with Rivaroxaban versus Placebo in Peripheral Artery Disease after Lower Extremity Revascularization: Insights from VOYAGER PAD, vorgestellt am 01.09.2020 beim ESC Congress 2020 - The Digital Experience
Bonaca MP et al. Rivaroxaban in Peripheral Arterial Disease. N Engl J Med 2020; 382:1994-2004, DOI 10.1056/NEJMoa2000052