Colchicin könnte bei COVID-19 doch wirksam sein
Es ist ein Auf und Ab für Colchicin in der Indikation COVID-19. Nach den ernüchternden Ergebnissen der RECOVERY-Studie deutet sich jetzt doch eine Wirkung an, wenngleich die statistische Signifikanz knapp verfehlt wurde.
Welchen Nutzen bringt Colchicin bei Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung? Wie bei vielen Fragen zum COVID-19-Managmement ist diese Frage aufgrund der kontroversen Studienlage schwierig zu beantworten.
Kontroverse Studienlage
Die zu Beginn des Jahres publizierten Ergebnisse der COLCORONA-Studie deuteten einen Nutzen für ambulant betreute Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion an. Bald darauf kam allerdings die Nachricht, dass das RECOVERY-Studienprogramm mit Colchicin wegen fehlender Wirkung gestoppt wurde.
Jetzt wurde eine weitere kontrollierte Studie zu dieser Fragestellung beim diesjährigen ESC-Kongress vorgestellt: ECLA PHRI COLCOVID heißt sie. Insgesamt 1.279 hospitalisierte COVID-19-Patienten wurden entweder zu Colchicin oder zur Standardversorgung ohne Colchicin randomisiert.
Im Colchicin-Arm erhielten die Patienten eine Loading-Dosis des Herbstzeitlosen-Alkaloids von 1,5 mg, gefolgt von 0,5 mg nach 2 Stunden. Ab dem zweiten Tag wurden die Patienten mit 0,5 mg Colchicin 2 × täglich für 14 Tage bzw. oder bis zur Entlassung behandelt. Über 90% der Studienteilnehmer, sowohl im Colchicin- als auch im Kontrollarm, hatten Steroide eingenommen, wie Studienautor Dr. Rafael Diaz aus Rosario beim ESC-Kongress berichtete.
Tendenzieller Nutzen, aber statistisch wackelig
Während des 28-tägigen Follow-up mussten von den mit Colchicin behandelten Patienten 25,0% mechanisch beatmet werden oder sie waren verstorben. Im Kontrollarm trat dieser kombinierte primäre Endpunkt (mechanische Beatmung oder Tod) bei 28,8% der Patienten ein. Damit konnte die Colchicin-Behandlung das Risiko für eine derartige Verschlechterung des Krankheitszustandes zwar tendenziell um 17% reduzieren on top zur Standardcare (Hazard Ratio, HR: 0,83; 95%-KI: 0,67–1,02). Statistisch signifikant war dieses Ergebnis, wenngleich knapp, allerdings nicht (p=0,08).
Der sekundäre Endpunkt – neue Intubation und Tod wegen respiratorischer Ursachen – sei signifikant reduziert worden (HR: 0,79), machte Diaz aufmerksam. Im nächsten Satz wies der Kardiologe allerdings darauf hin, dass diesem Ergebnis die statistische Grundlage fehlt, da es nicht möglich gewesen sei, den p-Wert zu bestimmen.
„Partieller Nutzen möglich“
Einzige offensichtliche Nebenwirkung der Colchicin-Therapie waren schwere Diarrhöen, die bei 11,3% der damit behandelten Patienten aufgetreten waren vs. 4,5% in der Kontrollgruppe. Diaz schließt daraus, dass die Behandlung sicher ist. Zudem scheine sie schwere respiratorische Komplikationen reduzieren zu können, so seine abschließende Einschätzung.
Auch der Vorsitzende der Session, Dr. Jean-Claude Tardif aus Montreal, schließt eine Wirksamkeit von Colchicin bei COVID-19-Patienten nicht aus: „Ich glaube, dass diese Ergebnisse im Kontext der COLCORONA-Daten sicherlich einen potenziellen Nutzen von Colchicin unterstützen", sagte er in der anschließenden Diskussion.
Diaz lässt aber im Gegenzug nicht unerwähnt, dass die RECOVERY-Studie mit Colchicin neutral verlaufen ist. Dies müsse bei der Interpretation der aktuellen Ergebnisse beachtet werden, betonte er. Damit bleibt also nichts weiter übrig, als auf andere Studien zu warten, um die Frage nach einer Wirksamkeit von Colchicin bei COVID-19 abschließend beantworten zu können. Die randomisierte PHRI ACT-Studie könnte die erhoffte Antwort liefern. Die Studie besteht aus zwei Design-Armen, in einem wird die Wirkung Colchicin bei stationären COVID-Patienten, im anderen Arm bei ambulant betreuten Patienten getestet.
Literatur
Diaz R: "Colchicine in Patients Hospitalized with COVID-19", Late Breaking Trials - COVID-19, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021