Lohnt es sich, jedes Vorhofflimmern aufzuspüren?
Ein intensives Screening auf Vorhofflimmern hat in der LOOP-Studie keinen signifikanten Einfluss auf die Schlaganfall-Rate gehabt. In der STROKESTOP-Studie gab es einen klinischen Vorteil. Beim ESC-Kongress stellten Experten daraufhin zur Diskussion, ob wirklich nach jeglichen Vorhofflimmern-Episoden gefahndet werden muss.
Mit einem fortlaufenden Rhythmusmonitoring mittels implantierbarer Loop-Recorder (ILR) lässt sich zwar sehr effektiv bisher unbekanntes Vorhofflimmern aufspüren. Eine deutliche Reduktion des Schlaganfall-Risikos ist von diesem Screening aber nicht zu erwarten. So fasste Dr. Jesper Hastrup Svendsen beim diesjährigen ESC-Kongress die Ergebnisse der randomisierten LOOP-Studie zusammen, an welcher der Kardiologe selbst beteiligt war.
„Obwohl bei mehr als 30% der Patienten in der ILR-Gruppe Vorhofflimmern diagnostiziert und bei 91% von ihnen in der Folge eine Antikoagulation begonnen wurde, betrug die Risikoreduktion in der Intention-to-Treat-Analyse nur 20% und sie war nicht signifikant“, berichtete der in Kopenhagen tätige Kardiologe. Angenommen, diese Risikoreduktion sei zutreffend, dann müssten 62 Patienten auf diese Weise gemonitort werden, um einen Schlaganfall bzw. eine Embolie zu verhindern, verdeutlichte Svendsen die absehbaren klinischen Effekte eines solchen Screenings.
Bessere Detektionsrate…
Im Rahmen der LOOP-Studie wurden 6.004 Patienten mit einem hohen Schlaganfallrisiko, aber bis dato ohne Vorhofflimmern-Diagnose 1:3 randomisiert: 1.501 bekamen einen ILR implantiert, 4.503 Teilnehmer wurden wie üblich betreut, was einen regelmäßigen Kontakt zum Hausarzt beinhaltete. Einschlusskriterium war ein Mindestalter von 70 Jahren und mind. einen Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen (Hypertonie, Diabetes, Herzinsuffizienz, zurückliegender Schlaganfall).
Wenig überraschend war die Vorhofflimmern-Detektionsrate in der ILR-Gruppe während der nachfolgenden gut fünf Jahren deutlich höher als in der Kontrollgruppe, genau gesagt um das 3,17-Fache; bei 32% vs. 12% wurde während des durchschnittlichen Follow-up von 64,5 Monaten Vorhofflimmern diagnostiziert (Hazard Ratio, HR: 3,17; p˂0,0001). Konsequenterweise wurde dann auch bei deutlich mehr Patienten aus der ILR-Gruppe eine Antikoagulation begonnen (HR: 2,72; p˂0,0001).
...aber keine Auswirkungen auf Schlaganfall-Rate
Auf dem primären Endpunkt der Studie – der Rate an Schlaganfällen und systemischer arterieller Embolien – hatte sich das am Ende aber nicht bedeutend ausgewirkt: Bei 4,5% in der ILR-Gruppe und 5,6% aus der Kontrollgruppe kam es zu einem entsprechenden Ereignis. Das entspricht einer Risikoreduktion von 20% (HR: 0,80), die aber nicht signifikant war (p=0,11).
Einzig in der Subgruppe von Patienten mit anfänglich sehr hohem Blutdruck (systolisch ≥157 mmHg) wirkte sich das intensivierte Screening deutlich auf die Schlaganfall-Rate aus, mit einer HR von 0,5 (p=0,01). Dieses Ergebnis sei aber nur hypothesengenerierend, fügte Svendsen einschränkend hinzu.
Eine Signifikanz kristallisierte sich auch in einer präspezifizierten Sensitivitätsanalyse heraus. Berücksichtigt wurden darin nur solche Patienten, deren vorgesehene Intervention mind. drei Jahre fortgeführt wurde. Dieser Berechnung zufolge reduzierte das ILR-Monitoring das Schlaganfall/Embolie-Risiko um 30% im Vergleich zur Standardversorgung (HR: 0,70; p=0,016). Deutlich wird hier besonders, dass die Ereigniskurven (Intervention vs. Kontrolle) erst nach zwei bis drei Jahren anfangen, auseinanderzudriften.
Geringfügiger Vorteil in der STROKESTOP-Studie
Zeitgleich zur Kongressvorstellung der LOOP-Studie ist eine andere Studie mit ähnlicher Fragestellung publiziert worden: STROKESTOP. Beide Studien sind im Lancet publiziert. Beide Studien haben ein ähnliches Patientenklientel eingeschlossen. Was beide Studien aber unterscheidet, ist die Art des Screenings. In STROKESTOP wurde der Rhythmus nämlich nicht permanent überwacht, sondern nur über einen Zeitraum von zwei Wochen hinweg mittels eines Daumen-EKGs, welches die Patienten zweimal am Tag einsetzen sollten. In STROKESTOP hatte diese kurzweiligere Screeningmethode im Vergleich zur Standardversorgung einen geringfügigen, aber signifikanten Einfluss auf den primären Endpunkt, der aus ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien, Todesfälle jeglicher Ursachen, hämorrhagischen Schlaganfällen und Hospitalisierungen wegen Blutungen bestand (während der knapp 7 Jahren bei 31,9% der EKG-Screening-Gruppe vs. 33,0% in Kontrollgruppe, HR: 0,96; p=0,045).
Was folgt für die Praxis?
Zwei Studien, zwei unterschiedliche Ausgänge – wie bringt man das zusammen, und was heißt das für die Praxis? Darüber diskutierte Prof. Isabelle van Gelder beim ESC-Kongress. Für die in Groningen tätige Kardiologin macht die LOOP-Studie einmal mehr deutlich, dass Vorhofflimmern nicht gleich Vorhofflimmern ist. In der LOOP-Studie wurde Vorhofflimmern definiert als jegliche über mind. sechs Minuten anhaltende Vorhofflimmern-Episode. Ihrer Einschätzung nach sind in der Interventions-Gruppe deshalb auch kürzere Arrhythmie-Episoden als Vorhofflimmern erkannt und mit Antikoagulanzien behandelt worden. Die Vorhofflimmern-Last sei sehr gering gewesen, stimmte Svendsen zu. Dagegen seien, wie van Gelder weiter vermutet, in der Kontrollgruppe wahrscheinlich eher längere, klinisch relevantere Episoden entdeckt und behandelt worden. Die niederländische Kardiologin bewertet die LOOP-Studie deshalb als weiteren Beleg dafür, dass es „kurze Episoden von subklinischem Vorhofflimmern nicht wert sind, danach zu screenen“.
Folglich könnte es ihrer Ansicht nach im Alltag zweckdienlicher sein, bei Hochrisikopatienten ein EKG-Screening einzusetzen. Dadurch werden womöglich jene Patienten, die von einer Antikoagulation profitieren, akkurater identifiziert, begründete van Gelder ihre Einschätzung, weil das dadurch entdeckte Vorhofflimmern tatsächlich klinisch relevant sei.
Auffallend hohe Detektionsrate in der Kontrollgruppe
Es gibt aber noch andere methodische Erklärungen, warum ein kontinuierliches Rhythmusmonitoring in der LOOP-Studie keinen klinischen Nutzen gebracht hat, die van Gelder nicht unerwähnt ließ. Auffallend ist etwa die Vorhofflimmern-Detektionsrate in der Kontrollgruppe, die mit 12% deutlich höher ausfiel als erwartet. Grund dafür könnte das – bedingt durch die Studienteilnahme – gesteigerte Bewusstsein der beteiligen Ärzte gewesen sein. Für Prof. Gerhard Hindricks ist das Ergebnis von LOOP aufgrund dieses Umstandes nicht besonders überraschend. Die unerwartet hohe Vorhofflimmern-Rate in der Kontrollgruppe schmälere den Effekt des kontinuierlichen Monitorings in eine Größenordnung, in der das Erreichen einer statistischen Signifikanz unwahrscheinlich werde, äußerte sich der Leipziger Kardiologe dazu in der Diskussionsrunde.
Dass LOOP neutral und STROKESTOP positiv ausgegangen sind, könnte aber auch an der unterschiedlichen Definition des primären Endpunktes gelegen haben. In STROKESTOP sei dieser deutlich weiter gefasst gewesen, bemerkte van Gelder. Auf eine Diagnostik-Methode endgültig festlegen will sich die Kardiologin aufgrund dieser Einflussfaktoren nicht: „Es sind mehr Studien zum Vorhofflimmern-Screening notwendig“, machte sie abschließend deutlich.
Literatur
Svendsen JH: LOOP Study: screening for AF with an implantable loop recorder to prevent stroke, Hot Line - LOOP Study, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021
Svendsen JH et al. Implantable loop recorder detection of atrial fibrillation to prevent stroke (The LOOP Study): a randomised controlled trial. The Lancet 2021; DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01698-6
Svennberg E et al. Clinical outcomes in systematic screening for atrial fibrillation (STROKESTOP): a multicentre, parallel group, unmasked, randomised controlled trial. The Lancet 2021; DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01637-8