Nachrichten 13.09.2021

Neuer Therapieansatz enttäuscht bei Patienten im kardiogenen Schock

Die Hoffnung, mit einem neuen, am Gefäßregulator Adrenomedullin ansetzenden Therapiekonzept die Behandlung von Patienten im kardiogenem Schock verbessern zu können, hat sich in einer Studie deutscher Kardiologen nicht erfüllt.

An neuen Therapien zur Senkung des nach wie vor hohen Sterberisikos bei kardiogenem Schock besteht dringender Bedarf. Um die pathogenetischen Abläufe beim Schockgeschehen durchbrechen zu können, schien das endogene Peptid Adrenomedullin als zentraler Regulator der endothelialen Barriere-Funktion ein möglicher therapeutischer Ansatzpunkt zu sein.

Eine Gruppe deutscher Kardiologe um PD Dr. Mahir Karakas vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat das an Adrenomedullin anknüpfende Therapiekonzept in der randomisierten ACCOST-HH-Studie auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft. Die von Karakas jetzt bei virtuellen Kongress der europäischen Kardiologengesellschaft (ESC 2021) präsentierten Ergebnisse sind allerdings enttäuschend: Ein klinischer Nutzen konnte nicht belegt werden.

Therapie soll gestörte vaskuläre Barriere-Funktion verbessern

Das in ACCOST-HH geprüfte Therapiekonzept gründet auf der Erkenntnis, dass der Verlust der Barriere-Funktion der Blutgefäße (vascular integrity) ein wichtiger Pathomechanismus bei der Schock-Entwicklung ist. Zugrunde liegt eine Schädigung der die innere Gefäßwand auskleidenden Endothelzellen, die wiederum zum sogenannten „vascular leakage", also zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Gefäße mit daraus resultierender Bildung von Ödemen führt – mit der Folge, dass die Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff und damit die Organfunktion schlechter wird.

Adrenomedullin reduziert als wichtiger Regulator der vaskulären Barriere-Funktion die erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefäße. Es wirkt zudem entzündungshemmend, fördert das Überleben von Kardiomyozyten bei kardialer Ischämie und verhindert deren programmierten Zelltod.

Wirkung auf Adrenomedullin via Adrecizumab-Gabe

Allerdings ist eine direkte therapeutische Anwendung von Adrenomedullin aufgrund von pharmakokinetischen Limitierungen nicht praktikabel. Hilfe bietet hier der Wirkstoff Adrecizumab. Der nicht-inhibierende Antikörper führt zum einen dazu, dass der Adrenomedullin-Spiegel im Plasma ansteigt, was der Durchlässigkeit der Blutgefäße entgegenwirken könnte. Zum anderen verringert Adrecizumab den Adrenomedullin-Spiegel im Interstitium und damit möglicherweise die Vasodilatation.

Den Nachweis, dass diese Therapie bei kardiogenem Schock von Nutzen ist, sollte die ACCOST-HH-Studie erbringen. In die Studie sind an vier deutschen Zentren 150 Patienten aufgenommen worden. Innerhalb von 48 Stunden nach Schockbeginn erhielten sie nach Zufallszuteilung entweder eine Behandlung mit Adrecizumab (8 mg/kg Körpergewicht als Einzeldosis, n=77) oder Placebo (n=73) additiv zur Standardtherapie, über die jeweils vor Ort entschieden wurde.

Kein Unterschied beim primären Endpunkt

Primärer Studienendpunkt der Studie war die Anzahl der Tage ohne notwendige kardiovaskuläre Organunterstützung (einschließlich Vasopressoren oder mechanische Kreislaufunterstützung mittels VA-ECMO oder Impella-Pumpe) im ersten Monat nach Behandlungsbeginn. Mit 12,40 Tagen (Adrecizumab) versus 14,05 Tagen gab es bezüglich dieses Endpunktes keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen (p=0,380).

Auch im Hinblick auf die Mortalitätsraten nach 30 und 90 Tagen und weitere sekundäre Endpunkte war keine durch Adrecizumab erzielte Verbesserung zu erkennen, berichtete Karakas. Das Sicherheit- und Verträglichkeitsprofil von Adrecizumab entsprach dem von Placebo.

Überraschung in einer Subgruppe

Überrascht zeigt sich der ACCOST-HH-Studienleiter von einem Ergebnis der Subgruppen-Analyse, dem zufolge Patienten mit kardiogenem Schock im Zusammenhang mit akuten Myokardinfarkten in der Adrecizumab-Gruppe eher schlechter abgeschnitten hatten. Hier habe man, so Karakas, angesichts der in experimentellen Studie gezeigten positiven Effekte auf Kardiomyozyten eigentlich erwartet, dass Patienten mit akutem Myokardinfarkt relativ am stärksten von dieser Therapie profitieren würden. Eine Erklärung dafür, warum das Gegenteil eingetreten sei, gebe es derzeit nicht.

Literatur

Karakas M: ACCOST-HH: Adrecizumab in cardiogenic shock, Late Breaking Trials in ACS, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021

Neueste Kongressmeldungen

Welcher Faktor determiniert das Herzrisiko unter einer Statintherapie?

Bei Patienten, die bereits Statine zur Lipidsenkung erhalten, sind im CRP-Wert sich widerspiegelnde Entzündungsprozesse ein stärkerer Prädiktor für künftige kardiovaskuläre Ereignisse als das LDL-Cholesterin, zeigt eine umfangreiche Metaanalyse.

Hypertrophe Kardiomyopathie kein Argument gegen Sport

Wer an einer hypertrophen Kardiomyopathie leidet und regelmäßig Sport mit Belastungen über 6 MET betreibt, riskiert damit keine arrhythmischen Komplikationen, so das Ergebnis einer großen prospektiven Studie. Eine Voraussetzung muss jedoch erfüllt sein.

Herzinsuffizienz: Erinnerungstool fördert MRA-Verschreibung

In der BETTER-CARE-HF-Studie wurden zwei Systeme getestet, die Ärzte und Ärztinnen darüber benachrichtigen, welche ihrer Herzinsuffizienzpatienten für eine MRA-Therapie geeignet sind. Eines davon war besonders erfolgreich beim Erhöhen der Verschreibungsrate.

Neueste Kongresse

ACC-Kongress 2023

Der diesjährige Kongress der American College of Cardiology (ACC) fand vom 4.-6. März 2023 in New Orleans statt. In diesem Dossier finden Sie die wichtigsten Studien und Themen vom Kongress.

DGK.Herztage 2022

Vom 29.9.-1.10.2022 finden die DGK.Herztage in Bonn statt.

TCT-Kongress 2022

Hier finden Sie die Highlights der Transcatheter Cardiovascular Therapeutics (TCT) Conference 2022, der weltweit größten Fortbildungsveranstaltung für interventionelle Kardiologie. 

Highlights

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Myokarditis – eine tödliche Gefahr

In der vierten Ausgabe mit Prof. Andreas Zeiher geht es um die Myokarditis. Der Kardiologe spricht über Zusammenhänge mit SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Impfungen und darüber, welche Faktoren über die Prognose entscheiden.

Aktuelles und Neues aus der Kardiologie

Subklinische Atherosklerose steigert Infarkt-Risiko enorm

Selbst wenn Menschen noch keine Beschwerden haben, geht der Nachweis einer subklinischen Atherosklerose in der CT-Angiografie mit einem erhöhten Infarkt-Risiko einher. Dabei spielen nicht nur nachweisbare Stenosen, sondern auch bestimmte Plaquecharakteristika eine Rolle.

Sind renoprotektive Therapien bei Herzinsuffizienz ohne protektiven Nutzen?

Vier bei Herzinsuffizienz empfohlene Wirkstoffklassen haben bei Patienten mit Typ-2-Diabetes renoprotektive Wirkung bewiesen. In Studien bei Herzinsuffizienz ist von günstigen renalen Effekten dieser Wirkstoffe dagegen nicht viel zu sehen. Ein Erklärungsversuch.

Stark erhöhtes Herzrisiko nach Infektionen

Schwere Infektionen erhöhen das kardiovaskuläre Risiko kurzfristig sehr deutlich, legen aktuelle Daten nahe. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil an kardialen Komplikationen könnte demnach auf Infektionen zurückzuführen sein.

Aus der Kardiothek

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Rhythmus-Battle: Vom EKG zur Therapie 2

Nicht immer sind EGK-Befunde eindeutig zu interpretieren, und nicht immer gibt es eine klare Therapieentscheidung. In diesem zweiten Rhythmus-Battle debattieren Prof. Lars Eckardt, Prof. Christian Meyer und PD Dr. Stefan Perings über ungewöhnliche EKG-Fälle aus der Praxis. Wie würden Sie entscheiden?

Kardiovaskuläre und ANS-Manifestationen von Covid-19 und Long-Covid

In der Akutphase und auch im weiteren Verlauf kann eine SARS-CoV-2-Infektion eine Herzbeteiligung verursachen. Prof. Thomas Klingenheben gibt einen Update über den aktuellen Wissenstand solcher Manifestationen, und erläutert, was hinter dem Syndrom „Long-COVID“ steckt.

ACC-Kongress 2023 in New Orleans/© pawel.gaul / Getty Images / iStock
DGK.Herztage 2022/© DGK
TCT-Kongress 2022/© mandritoiu / stock.adobe.com
Kardio-Quiz März 2023/© Stephan Achenbach, Medizinische Klinik 2, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Podcast-Logo/© Springer Medizin Verlag GmbH (M)
Rhythmus-Battle 2023/© Portraits: privat
kardiologie @ home/© BNK | Kardiologie.org