Nachrichten 09.09.2021

Nutzt Rhythmuskontrolle auch bei asymptomatischem Vorhofflimmern?

Asymptomatische Patienten mit Vorhofflimmern profitieren bezüglich einer Reduktion klinischer Ereignisse von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie ebenso wie symptomatische Patienten, legt eine neue Analyse von Daten der EAST–AFNET 4-Studie nahe.

Für den klinischen Nutzen einer früh nach Diagnosestellung begonnenen, auf Rhythmuserhalt zielenden Therapie war es in der EAST–AFNET 4-Studie unerheblich, ob das festgestellte Vorhofflimmern symptomatisch oder asymptomatisch war. Das geht aus einer aktuellen Subgruppenanalyse hervor, deren Ergebnisse Prof. Stephan Willems, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg beim virtuellen europäischen Kardiologenkongress (ESC 2021) vorgestellt hat.

„Vorteil ist auch bei asymptomatischen Patienten gegeben“

„Der Vorteil des frühen Rhythmuserhalts, den wir in der Gesamtpopulation der EAST-AFNET 4 Studie gesehen haben, ist auch bei asymptomatischen Patienten gegeben. Unsere Ergebnisse sprechen für einen gemeinsamen Entscheidungsprozess, in dem die Vorteile einer rhythmuserhaltenden Therapie bei allen Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern diskutiert werden, unabhängig von Vorhofflimmern-typischen Symptomen,“ schlussfolgert Willems aus den Ergebnissen der neuen Subanalyse.

Zur Erinnerung: EAST-AFNET-4 sollte bekanntlich eine einfache Frage beantworten: Kann eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung vorwiegend mit Medikamenten (und/oder Ablation in rund 20% der Fälle) bei Patienten mit kürzlich aufgetretenem Vorhofflimmern (erste Dokumentation nicht länger als ein Jahr zurückliegend) klinischen Ereignissen effektiver vorbeugen als eine zumeist verzögert initiierte Standardbehandlung („usual care“).

Nach rund fünf Jahren waren in der Gruppe mit „frühem Rhythmuserhalt“ pro Jahr 3,9% und in der Gruppe mit „üblicher Behandlung“ 5,0% der Patienten von einem primären Endpunktereignis (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt wegen dekompensierter Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom) betroffen. Dieser Unterschied bei der jährlichen Inzidenz entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 21% durch die frühe rhythmuserhaltende Therapie (Hazard Ratio, HR: 0,79, 95%-KI: 0,66 – 0,04; p=0,005). Dagegen war die mittlere Zahl der pro Jahr im Krankenhaus verbrachten Tage (zweiter primärer Endpunkt) mit 5,8 vs. 5,1 in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich (p=0,23).

Knapp jeder dritte Studienteilnehmer war asymptomatisch

Von den 2.633 für die präspezifizierte Substudie analysierten Teilnehmern waren zu Studienbeginn 801 (30,4%) asymptomatisch (EHRA-Score I), die übrigen 1.832 (69,6%) dagegen symptomatisch (EHRA-Score II-IV).  Von den 801 asymptomatischen Patienten waren 395 einem „frühen Rhythmuserhalt“ und 406 einer „üblichen Behandlung“ zugeteilt worden. Die Baseline-Charakteristika von asymptomatischen Patienten entsprachen weitgehend denen von Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern.

Allerdings waren asymptomatische Patienten im Vergleich älter, der Anteil an Frauen war in dieser Subgruppe niedriger, zudem wiesen sie seltener eine Herzinsuffizienz, dafür häufiger zerebrovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfall in der Vorgeschichte auf als symptomatische Patienten. Der Anteil an Patienten mit oraler Antikoagulation war mit rund 90% in beiden Gruppen nahezu gleich. In die Gruppe mit „frühem Rhythmuserhalt“ randomisierte asymptomatischen und symptomatische Patienten hatten praktisch die gleiche rhythmuserhaltende Therapie einschließlich Ablation (19% vs. 19,3%) erhalten.

Risikoreduktion um 24% für den primären Endpunkt

Von einem klinischen Ereignis des primären Studienendpunkts waren von den asymptomatischen Patienten 79 von 395 mit „frühem Rhythmuserhalt“ und 97 von 406 in der „Usual care“-Gruppe betroffen. Dieser Unterschied kommt einer relativen Risikoreduktion um 24% durch frühe Rhythmuskontrolle gleich (HR: 0,76, 95%-KI 0,57 – 1,03). Die Risikoreduktion bei asymptomatischen Patienten stimmt damit weitgehend mit der bei symptomatischen Patienten sowie im Gesamtkollektiv beobachteten Reduktion überein.

Die aktuellen Leitlinien zum Management bei Vorhofflimmern empfehlen eine orale Antikoagulation in Abhängigkeit vom CHA2DS2-VASc Score sowie eine Therapie bestehender Begleiterkrankungen bei allen Patienten mit Vorhofflimmern. Eine rhythmuserhaltende Therapie wird dagegen nur für symptomatische Patienten als empfehlenswert erachtet. Diese Einschätzung gründet auf Daten älterer Studien wie AFFIRM und RACE zum Vergleich von Rhythmus- und Frequenzkontrolle, in denen keine Überlegenheit einer den Erhalt von Sinusrhythmus anstrebenden Therapie bezüglich der kardiovaskulären Prognose gezeigt werden konnte.

Literatur

Willems S: Benefit of early rhythm control therapy in patients with asymptomatic AF -insights from EAST-AFNET 4, Late Breaking Science in Arrhythmias, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021

Willems S. et al.: Systematic, early rhythm control strategy for atrial fibrillation in patients with or without symptoms: the EAST-AFNET 4 trial. European Heart Journal 2021, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab593

Neueste Kongressmeldungen

Welcher Faktor determiniert das Herzrisiko unter einer Statintherapie?

Bei Patienten, die bereits Statine zur Lipidsenkung erhalten, sind im CRP-Wert sich widerspiegelnde Entzündungsprozesse ein stärkerer Prädiktor für künftige kardiovaskuläre Ereignisse als das LDL-Cholesterin, zeigt eine umfangreiche Metaanalyse.

Hypertrophe Kardiomyopathie kein Argument gegen Sport

Wer an einer hypertrophen Kardiomyopathie leidet und regelmäßig Sport mit Belastungen über 6 MET betreibt, riskiert damit keine arrhythmischen Komplikationen, so das Ergebnis einer großen prospektiven Studie. Eine Voraussetzung muss jedoch erfüllt sein.

Herzinsuffizienz: Erinnerungstool fördert MRA-Verschreibung

In der BETTER-CARE-HF-Studie wurden zwei Systeme getestet, die Ärzte und Ärztinnen darüber benachrichtigen, welche ihrer Herzinsuffizienzpatienten für eine MRA-Therapie geeignet sind. Eines davon war besonders erfolgreich beim Erhöhen der Verschreibungsrate.

Neueste Kongresse

ACC-Kongress 2023

Der diesjährige Kongress der American College of Cardiology (ACC) fand vom 4.-6. März 2023 in New Orleans statt. In diesem Dossier finden Sie die wichtigsten Studien und Themen vom Kongress.

DGK.Herztage 2022

Vom 29.9.-1.10.2022 finden die DGK.Herztage in Bonn statt.

TCT-Kongress 2022

Hier finden Sie die Highlights der Transcatheter Cardiovascular Therapeutics (TCT) Conference 2022, der weltweit größten Fortbildungsveranstaltung für interventionelle Kardiologie. 

Highlights

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Myokarditis – eine tödliche Gefahr

In der vierten Ausgabe mit Prof. Andreas Zeiher geht es um die Myokarditis. Der Kardiologe spricht über Zusammenhänge mit SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Impfungen und darüber, welche Faktoren über die Prognose entscheiden.

Aktuelles und Neues aus der Kardiologie

Stark erhöhtes Herzrisiko nach Infektionen

Schwere Infektionen erhöhen das kardiovaskuläre Risiko kurzfristig sehr deutlich, legen aktuelle Daten nahe. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil an kardialen Komplikationen könnte demnach auf Infektionen zurückzuführen sein.

Vorhofflimmern: Früher Rhythmuserhalt rechnet sich

Dass eine frühe rhythmuserhaltende Therapie bei Vorhofflimmern klinisch von Vorteil ist, hat die EAST-AFNET-4-Studie gezeigt. Dass diese Therapie wohl auch wirtschaftlich ist, legt eine auf Daten der deutschen Teilnehmer der Studie gestützte Analyse ihrer Kosteneffektivität nahe.

Interventionelle Mitralklappenreparatur: Spezieller Score sagt Prognose voraus

Wie sich eine verbleibende Mitralinsuffizienz nach perkutaner Mitralklappenrekonstruktion auf die Prognose auswirkt, wurde bisher in keiner prospektiven Studie untersucht. Ein deutsches Register hat das jetzt nachgeholt, zum Einsatz kam dabei ein spezieller Score.

Aus der Kardiothek

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Rhythmus-Battle: Vom EKG zur Therapie 2

Nicht immer sind EGK-Befunde eindeutig zu interpretieren, und nicht immer gibt es eine klare Therapieentscheidung. In diesem zweiten Rhythmus-Battle debattieren Prof. Lars Eckardt, Prof. Christian Meyer und PD Dr. Stefan Perings über ungewöhnliche EKG-Fälle aus der Praxis. Wie würden Sie entscheiden?

Kardiovaskuläre und ANS-Manifestationen von Covid-19 und Long-Covid

In der Akutphase und auch im weiteren Verlauf kann eine SARS-CoV-2-Infektion eine Herzbeteiligung verursachen. Prof. Thomas Klingenheben gibt einen Update über den aktuellen Wissenstand solcher Manifestationen, und erläutert, was hinter dem Syndrom „Long-COVID“ steckt.

ACC-Kongress 2023 in New Orleans/© pawel.gaul / Getty Images / iStock
DGK.Herztage 2022/© DGK
TCT-Kongress 2022/© mandritoiu / stock.adobe.com
Kardio-Quiz März 2023/© Stephan Achenbach, Medizinische Klinik 2, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Podcast-Logo/© Springer Medizin Verlag GmbH (M)
Rhythmus-Battle 2023/© Portraits: privat
kardiologie @ home/© BNK | Kardiologie.org