Nutzt Rhythmuskontrolle auch bei asymptomatischem Vorhofflimmern?
Asymptomatische Patienten mit Vorhofflimmern profitieren bezüglich einer Reduktion klinischer Ereignisse von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie ebenso wie symptomatische Patienten, legt eine neue Analyse von Daten der EAST–AFNET 4-Studie nahe.
Für den klinischen Nutzen einer früh nach Diagnosestellung begonnenen, auf Rhythmuserhalt zielenden Therapie war es in der EAST–AFNET 4-Studie unerheblich, ob das festgestellte Vorhofflimmern symptomatisch oder asymptomatisch war. Das geht aus einer aktuellen Subgruppenanalyse hervor, deren Ergebnisse Prof. Stephan Willems, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg beim virtuellen europäischen Kardiologenkongress (ESC 2021) vorgestellt hat.
„Vorteil ist auch bei asymptomatischen Patienten gegeben“
„Der Vorteil des frühen Rhythmuserhalts, den wir in der Gesamtpopulation der EAST-AFNET 4 Studie gesehen haben, ist auch bei asymptomatischen Patienten gegeben. Unsere Ergebnisse sprechen für einen gemeinsamen Entscheidungsprozess, in dem die Vorteile einer rhythmuserhaltenden Therapie bei allen Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern diskutiert werden, unabhängig von Vorhofflimmern-typischen Symptomen,“ schlussfolgert Willems aus den Ergebnissen der neuen Subanalyse.
Zur Erinnerung: EAST-AFNET-4 sollte bekanntlich eine einfache Frage beantworten: Kann eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung vorwiegend mit Medikamenten (und/oder Ablation in rund 20% der Fälle) bei Patienten mit kürzlich aufgetretenem Vorhofflimmern (erste Dokumentation nicht länger als ein Jahr zurückliegend) klinischen Ereignissen effektiver vorbeugen als eine zumeist verzögert initiierte Standardbehandlung („usual care“).
Nach rund fünf Jahren waren in der Gruppe mit „frühem Rhythmuserhalt“ pro Jahr 3,9% und in der Gruppe mit „üblicher Behandlung“ 5,0% der Patienten von einem primären Endpunktereignis (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt wegen dekompensierter Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom) betroffen. Dieser Unterschied bei der jährlichen Inzidenz entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 21% durch die frühe rhythmuserhaltende Therapie (Hazard Ratio, HR: 0,79, 95%-KI: 0,66 – 0,04; p=0,005). Dagegen war die mittlere Zahl der pro Jahr im Krankenhaus verbrachten Tage (zweiter primärer Endpunkt) mit 5,8 vs. 5,1 in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich (p=0,23).
Knapp jeder dritte Studienteilnehmer war asymptomatisch
Von den 2.633 für die präspezifizierte Substudie analysierten Teilnehmern waren zu Studienbeginn 801 (30,4%) asymptomatisch (EHRA-Score I), die übrigen 1.832 (69,6%) dagegen symptomatisch (EHRA-Score II-IV). Von den 801 asymptomatischen Patienten waren 395 einem „frühen Rhythmuserhalt“ und 406 einer „üblichen Behandlung“ zugeteilt worden. Die Baseline-Charakteristika von asymptomatischen Patienten entsprachen weitgehend denen von Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern.
Allerdings waren asymptomatische Patienten im Vergleich älter, der Anteil an Frauen war in dieser Subgruppe niedriger, zudem wiesen sie seltener eine Herzinsuffizienz, dafür häufiger zerebrovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfall in der Vorgeschichte auf als symptomatische Patienten. Der Anteil an Patienten mit oraler Antikoagulation war mit rund 90% in beiden Gruppen nahezu gleich. In die Gruppe mit „frühem Rhythmuserhalt“ randomisierte asymptomatischen und symptomatische Patienten hatten praktisch die gleiche rhythmuserhaltende Therapie einschließlich Ablation (19% vs. 19,3%) erhalten.
Risikoreduktion um 24% für den primären Endpunkt
Von einem klinischen Ereignis des primären Studienendpunkts waren von den asymptomatischen Patienten 79 von 395 mit „frühem Rhythmuserhalt“ und 97 von 406 in der „Usual care“-Gruppe betroffen. Dieser Unterschied kommt einer relativen Risikoreduktion um 24% durch frühe Rhythmuskontrolle gleich (HR: 0,76, 95%-KI 0,57 – 1,03). Die Risikoreduktion bei asymptomatischen Patienten stimmt damit weitgehend mit der bei symptomatischen Patienten sowie im Gesamtkollektiv beobachteten Reduktion überein.
Die aktuellen Leitlinien zum Management bei Vorhofflimmern empfehlen eine orale Antikoagulation in Abhängigkeit vom CHA2DS2-VASc Score sowie eine Therapie bestehender Begleiterkrankungen bei allen Patienten mit Vorhofflimmern. Eine rhythmuserhaltende Therapie wird dagegen nur für symptomatische Patienten als empfehlenswert erachtet. Diese Einschätzung gründet auf Daten älterer Studien wie AFFIRM und RACE zum Vergleich von Rhythmus- und Frequenzkontrolle, in denen keine Überlegenheit einer den Erhalt von Sinusrhythmus anstrebenden Therapie bezüglich der kardiovaskulären Prognose gezeigt werden konnte.
Literatur
Willems S: Benefit of early rhythm control therapy in patients with asymptomatic AF -insights from EAST-AFNET 4, Late Breaking Science in Arrhythmias, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021
Willems S. et al.: Systematic, early rhythm control strategy for atrial fibrillation in patients with or without symptoms: the EAST-AFNET 4 trial. European Heart Journal 2021, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab593