Faktor-XIa-Hemmer: Antikoagulation auf höherem Sicherheitsniveau?
Faktor-XIa-Hemmer werden derzeit als Antikoagulanzien mit potenziell verbessertem Sicherheitsprofil entwickelt. Zwei neue Phase-II-Studien mit dem Wirkstoff Asundexian geben nun Aufschluss darüber, ob man der erhofften Reduktion des Blutungsrisikos nähergekommen ist.
Um das mit einer Antikoagulation einhergehende Blutungsrisiko zu minimieren, wird derzeit in der Forschung daran gearbeitet, die erwünschte Wirkung auf die Thrombusentstehung von der Wirkung auf die physiologische Hämostase zu entkoppeln. Die Faktor-XIa-Inhibierung scheint dafür ein guter Ansatz zu sein. Aktiviertem Gerinnungsfaktor XIa wird eine wesentliche Beteiligung an der Entstehung von pathologischen Thrombosen, aber nur eine geringe Bedeutung für die physiologische Hämostase beigemessen. Beobachtungen, wonach Menschen mit erblichem Faktor-XI-Mangel ein niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen, ohne vermehrt von spontanen Blutungen oder Hämatomen betroffen zu sein, passen da ins Bild.
Ein derzeit klinisch entwickelter Kandidat für die Faktor-XIa-Hemmung ist der „small molecule“-Wirkstoff Asundexian. Ergebnisse von zwei randomisierten kontrollierten Phase-II-Studien aus dem PACIFIC-Forschungsprogramm sind jetzt beim ESC-Kongress in Barcelona vorgestellt worden.
In der PACIFIC-AMI-Studie ist Asundexian in der Sekundärprävention bei rund 1.600 Patientinnen und Patienten mit akutem Myokardinfarkt (je zur Hälfte STEMI und NSTEMI) in drei Dosierungen (10 mg, 20 mg und 50 mg/Tag) mit Placebo vergleichen worden. Die Behandlung erfolgte additiv zu einer dualen Plättchenhemmung (zu 80% mit ASS plus Ticagrelor oder Prasugrel) als Teil der Basistherapie.
Blutungsrisiko nicht höher als in der Placebogruppe
In der 50-mg-Dosierung führte Asundexian nach vier Wochen zu einer mehr als 90%igen Hemmung der Faktor-XIa-Aktivität (primärer Endpunkt), berichtete Prof. John Alexander von der Duke University School of Medicine, Durham, in Barcelona. In Kombination mit der dualen Plättchenhemmung als Basistherapie war Asundexian im Beobachtungszeitraum (6 bis 12 Monate) mit keiner Zunahme von schweren Blutungsereignissen (BARC-Typen 2, 3 oder 5) oder von jeglichen Blutungen im Vergleich zu Placebo assoziiert.
Eine Reduktion ischämischer Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Stentthrombosen) wurde nicht beobachtet. Allerdings sei die Studie angesichts einer niedrigen Gesamtzahl von nur 95 Ereignissen in den vier Studienarmen (22 bis 27 Ereignisse pro Gruppe) weit davon entfernt, mögliche Unterschiede zuverlässig aufdecken zu können, betonte Alexander. Nach seinen Angaben wird nun an Plänen für eine größere Phase-III-Studie bei Patienten mit Herzinfarkt gearbeitet.
In der direkt danach vorgestellten PACIFIC-Stroke-Studie ist Asundexian in der Sekundärprävention bei rund 1.800 Patientinnen und Patienten geprüft worden, die kurz zuvor einen Schlaganfall, der nicht kardioembolischen Ursprungs war, erlitten hatten. Auch in dieser Studie ist der Faktor-XIa-Hemmer in den drei genannten Dosierungen mit Placebo vergleichen worden, meist in Kombination mit einem Plättchenhemmer.
Kein Unterschied beim primären Wirksamkeitsendpunkt …
Primärer Wirksamkeitsendpunkt der Studie war eine Kombination aus ischämischen Schlaganfall-Rezidiven und stummen, mittels MRT-Bildgebung detektierten Hirninfarkten nach sechs Monaten. Die Inzidenzrate für diesen Endpunkt wurde durch Asundexian nicht reduziert. Das habe vor allem am fehlenden Effekt auf die durch Hirn-MRT-Bildgebung entdeckten Hirninfarkte (überwiegend kleine subkortikale Infarkte) gelegen, berichtete Dr. Ashkan Shoamanesh vom Population Health Research Institute in Hamilton, Kanada.
… aber klare Reduktion von ischämischen Schlaganfällen und TIAs
Deutlich besser waren die Ergebnisse einer exploratorischen Post-hoc-Analyse, die auf die Endpunkte ischämische Schlaganfall-Rezidive und transitorische ischämische Attacken (TIA) fokussiert war. Hier zeigte sich eine dosisabhängige Reduktion durch Asundexian im Vergleich zu Placebo. So war die Inzidenz dieser zerebrovaskulären Ereignisse in der mit 50 mg Asundexian behandelten Gruppe relativ um 44% niedriger (9,0% vs. 15,8%). Von dieser Reduktion profitierten vor allem Patienten mit dokumentierter extra- und intrakranieller Atherosklerose, berichtete Shoamanesh.
Im Vergleich zu Placebo wurde nach seinen Angaben keine Zunahme von schweren oder intrakraniellen Blutungen sowie von hämorrhagischen Transformationen des Schlaganfalls beobachtet.
Auch die vielversprechenden Ergebnisse der PACIFIC-Stroke-Studie bedürften nun der Validierung in einer adäquat gepowerten Phase-III-Studie, so Shoamanesh abschließend.
Literatur
Alexander J: PACIFIC-AMI - Efficacy and safety of factor XIa inhibitor asundexian on top of dual antiplatelet therapy after acute myocardial infarction.. Hotline-Session 5, ESC Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona
Shoamanesh: PACIFIC-AMI - PACIFIC-STROKE - Phase 2 Program of AntiCoagulation via Inhibition of FXIa by the oral Compound BAY 2433334 – non-cardioembolic STROKE study. Hotline-Session 5, ESC Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona