Herzinsuffizienz: Freispruch vom Demenzverdacht für Sacubitril
Der rein hypothetische Verdacht, dass der bei Herzinsuffizienz eingesetzte Neprilysin-Inhibitor Sacubitril die kognitive Funktion in Richtung Demenz verändern könnte, wird durch eine neue Studie entkräftet. Sie bietet nicht den geringsten Anhaltspunkt für ein entsprechendes Risiko.
Der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) Sacubitril/Valsartan ist ein Medikament, das bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) das Sterberisiko signifikant reduziert und deshalb in den Leitlinien bei dieser Indikation als Standardtherapie nachdrücklich empfohlen wird. Bisher hat es in den einschlägigen klinischen Studien keine ernstzunehmenden Verdachtsmomente gegeben, dass diese Therapie die kognitive Funktion irgendwie beeinträchtigen und einer Demenzentwicklung Vorschub leisten könnte.
Auflage der Zulassungsbehörden
Zulassungsbehörden wie die FDA haben dennoch diesbezüglich Klärungsbedarf angemeldet. Der Grund: Neprilysin ist eines von vielen Enzymen, die am proteolytischen Abbau von Amyloid-ß-Proteinen beteiligt sind. Eines dieser Peptide (Aß 1-42) gilt als potenziell neurotoxisch. Im Fall einer anhaltenden Neprilysin-Hemmung durch Sacubitril könnte es im Gewebe akkumulieren und so den Boden für eine Demenz des Alzheimer-Typs bereiten, wurde vermutet.
Eine sehr theoretische Sorge. Die FDA hat dennoch schon vor geraumer Zeit den Hersteller Novartis dazu verpflichtet, in einer eigens dafür konzipierten randomisierten Studie die Sicherheit von Sacubitril/Valsartan bezüglich der kognitiven Funktion zu dokumentierten. Die PERSPECTIVE benannte Studie ist jetzt auf einer Hotline-Sitzung beim ESC-Kongress 2022 in Barcelona vorgestellt worden.
„Diese Studie sollte jegliche Bedenken beseitigen“
Die Ergebnisse dieser Studie, in der ein ganzes Arsenal an Funktionstests sowie umfangreiche Untersuchungen per Bildgebung auf mögliche ß-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn zum Einsatz kamen, sind beruhigend: Im Vergleich zu Valsartan ergaben sich für Sacubitril/Valsartan im Verlauf von drei Jahren keine Auffälligkeiten, die Anlass zur Sorge wegen der Sicherheit geben könnten.
„Diese Studie sollte jegliche Bedenken bezüglich der Sicherheit einer Neprilysin-Inhibition im Hinblick auf die Kognition beseitigen. Zu hoffen ist, dass mehr Patienten mit Herzinsuffizienz diese Therapie, die viele Vorteile einschließlich einer Verbesserung des Überlebens bietet, erhalten werden“, betonte denn auch Studienleiter Prof. John McMurray von der Universität Glasgow auf einer Pressekonferenz beim ESC-Kongress.
In der PERSPECTIVE-Studie waren Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Auswurffraktion über 40% (HFmrEF und HFpEF) per Zufallszuteilung einer Therapie mit Valsartan (n=295) oder mit Sacubitril/Valsartan (n=297) zugeordnet worden. Primärer Endpunkt war die Veränderung der mithilfe eines umfangreichen neurokognitiven Testsystems (Cogstate cognitive test battery) erfassten Kognition im Verlauf von drei Jahren. Mithilfe von MRT- und PET-Bildgebung waren die Studienteilnehmer (Durchschnittsalter 72,4 Jahre, 46,8% Frauen) zudem initial sowie nach 18 und 36 Monaten systematisch auf zerebrale Amyloid-Ablagerungen untersucht worden. Wie McMurray, der schon an vielen wichtigen Herzstudien haupt- oder mitverantwortlich beteiligt war, bei der Pressekonferenz betonte, sei PERSPECTIVE angesichts des betriebenen Aufwands die wohl anstrengendste Studie in seinem bisherigen Forscherleben gewesen.
Amyloid-Ablagerung unter Sacubitril/Valsartan sogar tendenziell geringer
Nach seinen Angaben waren bei etwa 60% der Teilnehmer schon zu Studienbeginn gewisse Einschränkungen der kognitiven Funktion feststellbar. Anhand des ermittelten Kognitions-Scores (CogState global cognition summary score) war im Studienverlauf eine weitere leichte Abnahme dieser Funktion zu erkennen. Die Verlaufskurven für diesen Score waren dabei aber in der Valsartan- und Sacubitril/Valsartan-Gruppe praktisch deckungsgleich, der Unterschied nach 36 Monaten war dementsprechend nicht signifikant (p=0,74).
Auch aus der von 491 Patienten verfügbaren Amyloid-Bildgebung ergaben sich keine Verdachtsmomente zu Ungunsten von Sacubitril/Valsartan – im Gegenteil: Die ß-Amyloid-Deposition im Gehirn war in der Sacubitril/Valsartan-Gruppe sogar tendenziell geringer als in der Valsartan-Gruppe, berichtete McMurray.
Die Frage nach der Generalisierbarkeit der Ergebnisse
Eine nach der Präsentation der Studie diskutierte Frage war, ob die Ergebnisse der PERSPECTIVE-Studie auch auf Patienten mit Herzinsuffizienz des HFrEF-Typs übertragbar seien. Fakt ist, dass diese Patienten aus ethischen Gründen – die mortalitätssenkende Wirkung von Sacubitril/Valsartan bei HFrEF verbot eine alleinige Behandlung mit Valsartan in der Vergleichsgruppe – an der Studie nicht teilnehmen konnten. Studienleiter McMurray sieht aber keinen Grund dafür, warum die in PERSPECTIVE bei Herzinsuffizienz des HFmrEF- und HFpEF-Typs erzielten Ergebnisse bei Patienten mit HFrEF unterschiedlich sein sollten.
Literatur
McMurray J: PERSPECTIVE – Sacubitril/ valsartan and cognitive function in HFmrEF and HFpEF, Hotline-Session 1, ESC Congress 2022, 26. bis 29. August in Barcelona,