SGLT2-Hemmung: Das neue Fundament der Herzinsuffizienz-Therapie
SGLT2-Hemmer sind die einzigen Arzneimittel, die bei Herzinsuffizienz über die gesamte Bandbreite der linksventrikulären Auswurffraktion nachweislich von prognoseverbesserndem Nutzen sind. Wie groß dieser Nutzen ist, verdeutlichen zwei neue Metaanalysen.
Die ursprünglich als Antidiabetika entwickelten SGLT2-Hemmer sind in relativ kurzer Zeit zu einer Herzinsuffizienz-Therapie mit sehr solider wissenschaftlichen Datenbasis avanciert. Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF ≤40% = HFrEF) haben sie auf Grundlage von Studien wie DAPA-HF und EMPEROR-Reduced inzwischen den Status einer etablierten Standardtherapie mit Klasse-IA-Empfehlung in den Leitlinien erlangt.
Bei Herzinsuffizienz mit „mild reduzierter“ (LVEF 41–49% = HFmrEF) oder weitgehend normaler („erhaltener“) Auswurffraktion (LVEF ≥50% = HFpEF) lag mit EMPEROR-Preserved bislang nur eine große randomisierte Studie vor. Mit der beim ESC-Kongress 2022 aktuell vorgestellten DELIVER-Studie ist nun auch die Datenbasis zum Nutzen der SGLT2-Hemmer bei HFmrEF und HFpEF konsolidiert worden.
Die Autoren künftiger Leitlinien werden deshalb ab sofort über eine mögliche Klasse-IA-Empfehlung für SGLT2-Hemmer wie Empagliflozin und Dapagliflozin auch bei Herzinsuffizienz mit LVEF >40% nachdenken müssen.
Wie massiv derzeit die klinische Erforschung dieser Wirkstoffgruppe betrieben wird, verdeutlicht unter anderem die Tatsache, dass Analysen von Daten der DELIVER-Studie ihren Niederschlag in nicht weniger als elf simultan zum ESC-Kongress erschienenen Publikationen in diversen Fachjournalen gefunden haben – ein wahrer publizistischer DELIVER-Tsunami!
Daten von mehr als 12.000 Patienten als Basis
Trotz ihrer Größe konnten die Studien EMPEROR-Preserved und DELIVER jeweils für sich nicht alle Fragen zum Wirkprofil der SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz des HFmrEF- und HFpEF-Typs beantworten. Eine internationale Expertengruppe um Dr. Muthiah Vaduganathan vom Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School in Boston, hat deshalb schon vor Entblindung der DELIVER-Studie eine Metaanalyse der gepoolten Daten beider Studien geplant. Vaduganathan hat die Ergebnisse in einer „Hotline“-Sitzung beim ESC-Kongress 2022 vorgestellt.
In die Metaanalyse sind Daten von insgesamt 12.251 an beiden Studien beteiligten Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und LVEF >40% eingeflossen. Auf dieser erweiterten Grundlage lassen sich Fragen etwa zum Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität oder zur Wirkung in Subgruppen zuverlässiger beantworten.
Risikoreduktion um 20% beim primären Endpunkt
Das sind die im Hinblick auf diverse klinische Endpunkte im Vergleich zu Placebo ermittelten Ergebnisse:
- Die Inzidenz der Ereignisse kardiovaskulärer Tod und erstmalige Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (primärer kombinierter Endpunkt) wurde durch die SGLT2-Hemmung signifikant um 20% reduziert (Hazard Ratio, HR: 0,80; 95%-KI: 0,73–0,87, p<0,0001).
- Die Metaanalyse ergab konsistente Reduktionen für beide Endpunktkomponenten, wobei die kardiovaskuläre Mortalität relativ um 12% und statistisch nicht signifikant verringert wurde (HR: 0,88; 95% KI: 0,77–1,00, p=0,052).
- Für Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz resultierte eine signifikante relative Reduktion um 26% (HR: 0,74; 95% KI: 0,67–0,83, p<0,0001).
- Unabhängig davon, ob die LVEF in Bereich zwischen 41% bis 49%, 50% bis 59% oder ≥60% lag, ergaben sich in allen drei Subgruppen jeweils signifikante relative Reduktionen für den primären Endpunkt um rund 20%.
Für insgesamt 13 analysierte Subgruppen fand sich keine signifikante Heterogenität bezüglich des Effekts auf den primären Endpunkt – sprich: Die Wirkung der SGLT2-Hemmer war über alle Subgruppen hinweg konsistent. Auch ein signifikanter positiver Effekt der SGLT2-Hemmer auf den Gesundheitsstatus und die Lebensqualität der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wird durch die Metaanalyse auf breiterer Datenbasis bestätigt.
Zweite Metaanalyse auf fünf randomisierte Studien erweitert
Im nächsten Schritt hat die Gruppe um Vaduganathan ihre Metaanalyse um drei Studien bei Patienten mit HFrEF (DAPA-HF, EMPEROR-Reduced und SOLOIST-WHF) erweitert. Die nun das gesamte LVEF-Spektrum bei Herzinsuffizienz abdeckende Metaanalyse stützt sich auf Daten von 21.947 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern mit HFrEF, HFmrEF oder HFpEF.
Das ist der auf dieser Analyse für SGLT2-Hemmer im Vergleich zu Placebo ermittelte klinische Nutzen:
- Die Inzidenz der Ereignisse kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz wurde durch die SGLT2-Hemmung signifikant um 23% reduziert (HR: 0,77; 95% KI: 0,72–0,82, p<0,0001).
- Im Hinblick auf Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz betrug die relative Risikoreduktion 28% (HR: 0,72; 95% KI: 0,67–0,78, p<0,0001).
- Die kardiovaskuläre Mortalität wurde der erweiterten Metaanalyse zufolge signifikant um 13% reduziert (HR: 0,87; 95% KI: 0,79–0,95, p=0,002).
- Für die Gesamtmortalität ergab sich eine Reduktion um 8%, die sich ebenfalls als statistisch signifikant erwies (HR: 0,92; 95% KI: 0,86–0,99, p=0,025).
In den präsentierten Metaanalysen sei die Gesamtheit der derzeitigen Evidenz für die Behandlung mit SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz zusammengefasst, betonte Vaduganathan. Ihre Ergebnisse zeigten, dass diese Therapie das Leben verlängert, die Morbidität verringert und den Gesundheitsstatus verbessern. Das spricht nach Ansicht von Vaduganathan sehr dafür, SGLT2-Hemmer als grundlegende Therapie bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz unabhängig von deren Phänotyp und vom Versorgungskontext (stationär oder ambulant) einzusetzen.
Literatur
Vaduganathan M: A Pre-Specified Meta-Analysis of DELIVER and EMPEROR-Preserved. Hotline-Session 4, ESC Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona
Vaduganathan M. et al. SGLT-2 inhibitors in patients with heart failure: a comprehensive meta-analysis of five randomised controlled trials. Lancet 2022. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01429-5