Kann ein Gichtmittel die kardiovaskuläre Prognose verbessern?
Erhöhte Harnsäurespiegel gehen im Kontext einer koronaren Herzerkrankung mit einer ungünstigen Prognose einher. Daraus entstand die Überlegung, das Gichtmittel Allopurinol in der kardiovaskulären Sekundärprävention einzusetzen. Keine gute Idee, macht jetzt eine randomisierte Studie deutlich.
Allopurinol kann die Prognose von Patientinnen und Patienten mit ischämischen Herzerkrankungen nicht verbessern, so das Ergebnis der jetzt beim ESC-Kongress präsentierten randomisierte ALL-HEART-Studie.
Diese Ergebnisse sprechen nach Ansicht der Studienautorin Prof. Isla Mackenzie klar gegen den Einsatz von Allopurinol in der kardiovaskulären Sekundärprävention, wenn die Patienten nicht an einer Gicht litten. Für eine entsprechende Empfehlung liefere die Studie keine Evidenz, fügt die Kardiologin von der University of Dundee beim Kongress hinzu.
Hoffnung auf einen Herzschutz in der Sekundärprävention
Damit haben sich die an das Gichtmittel aus kardialer Sicht gesetzten Erwartungen ganz und gar nicht erfüllt. Im Vorfeld gab es durchaus Hinweise, die auf eine kardiale Wirkung von Allopurinol bei KHK-Patienten hoffen ließen. In epidemiologischen Studien etwa waren erhöhte Harnsäurespiegel mit einer erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit assoziiert. Zudem hat sich in Beobachtungsstudien gezeigt, dass eine harnsäuresenkende Therapie mit einer kardiovaskulären Risikoreduktion einhergeht. Kleinere randomisierte Studien sprachen zum Teil ebenfalls für eine solche Wirkung.
Prinzipiell war die Datenlage aber schon vor ALL-HEART kontrovers. In der Zwischenzeit wurde sogar die kardiovaskuläre Sicherheit von Gichtmedikamenten in Zweifel gezogen (mehr dazu lesen Sie hier). Und eine große randomisierte Studie zu dieser Fragestellung gab es bisher nicht.
Erste große randomisierte Studie
ALL-HEART sollte nun die abschließende Klärung bringen. 5.721 Patientinnen und Patienten mit einer diagnostizierten ischämischen Herzerkrankung, aber ohne Gicht-Diagnose wurden an über 400 Praxen in Großbritannien rekrutiert und randomisiert: entweder zu einer Behandlung mit Allopurinol (600 mg pro Tag bei eGFR ≥ 60 oder 300 mg bei eGFR 30 bis 59) zusätzlich zur üblichen Therapie oder zu einer alleinigen Standardversorgung. Die Probanden waren mindestens 60 Jahre alt, im Schnitt lagen ihre Harnsäurespiegel bei 350 µmol/l (Allopurinol-Gruppe) bzw. 340 µmol/l (usual care). Das mittlere Follow-up betrug 4,8 Jahre.
Keinerlei Effekt auf klinische Endpunkte
Während dieser Zeit traten 639 Ereignisse des primären Endpunktes auf, dazu zählten nicht-tödliche Herzinfarkte, nicht-tödliche Schlaganfälle und kardiovaskulär bedingte Todesfälle. Allopurinol hatte keinerlei Effekt auf diesen Endpunkt (Hazard Ratio, HR: 1,04). Auch sonst ließ sich kein klinischer Nutzen der Behandlung ausmachen, obwohl die Harnsäurespiegel darunter deutlich zurückgegangen sind.
Hohe Abbruchrate
Immerhin erwies sich das Gichtmittel alles in allem als sicher, wenn es initial toleriert wurde: So gab es in beiden Gruppen keine Unterschiede bei der Häufigkeit neu aufgetretener Tumorerkrankungen, bei der Gesamtmortalität und der Anzahl dokumentierter Nebenwirkungen. Beachtlich ist allerdings die hohe Abbruchrate in der Allopurinol-Gruppe: 57,4% der Patienten beendeten die Behandlung vorzeitig.
Literatur
Mackenzie IS: ALL-HEART - Allopurinol and cardiovascular outcomes in ischaemic heart disease.Hotline-Session 3, ESC-Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona.