Nachrichten 27.08.2022

Herzstillstand: Intensivierte Therapiestrategien ohne Vorteil

Sollte man den Blutdruck auf 63 oder besser auf 77 mmHg einstellen, und eher mehr als weniger Sauerstoff geben bei Patientinnen und Patienten, die einen Herzstillstand überlebt haben? Die Ergebnisse einer randomisierten Studie verdeutlichen jetzt: Ein weniger aggressives Vorgehen schadet nicht.

In Europa erleiden jährlich eine dreiviertel Million Menschen einen Herzstillstand. Etwa 100 000 erreichen lebend das Krankenhaus, dort verstirbt noch einmal die knappe Hälfte der Betroffenen. Die hypoxämische Hirnschädigung ist die häufigste Todesursache.

Leitlinien empfehlen in dieser Situation Temperaturkontrolle, Sedierung und mechanische Ventilation. Wieviel Sauerstoff man den betroffenen Patienten geben soll, ist nicht einfach zu beantworten: Sowohl zu wenig als auch zu viel könnte den Schaden vergrößern. Auch bezüglich der optimalen Blutdruckeinstellung sind Fragen offen, Evidenz dazu ist rar.

Wie viel Sauerstoff? Wie hoch der Blutdruck?

Antworten geben jetzt die Ergebnisse der randomisierte BOX-Studie, die beim ESC-Kongress 2022 und zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden sind.

Die Studie untersuchte in einem 2x2 faktoriellen Design sowohl zwei unterschiedliche Oxygenierungs-Strategien als auch zwei unterschiedliche Blutdruck-Strategien. Bezüglich der Oxygenierung wurde ein restriktives (PaO2 von 9-10 KPa) mit einen liberalen (PaO2 von 13-14 KPa) Vorgehen verglichen. Mit Blick auf die Blutdruckeinstellung wurden mittlere arterielle Zielblutdrücke von 77 mmHg und 63 mmHg miteinander verglichen.

An der Doppelblindstudie nahmen 789 erwachsene Patientinnen und Patienten teil, die außerhalb des Krankenhauses einen Herzstillstand aus vermutlich kardialer Ursache erlitten hatten und die nach Wiederbelebung komatös ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Primärer Endpunkt war die Kombination aus Gesamtmortalität und schwerem Gehirnschaden (Cerebral Performance Category Score von 3 oder 4 nach 90 Tagen).

Kein Nutzen für höhere Sauerstoffpartialdrücke

Das Ergebnis dieses Endpunktes lässt sich einfach zusammenfassen: Die jeweiligen Strategien (bzgl. Sauerstoff und Blutdruck) hatten keinen Einfluss auf die Prognose der Patienten.  

32% der Patienten mit restriktiver O2-Gabe und 33,9% mit liberaler O2-Gabe erlitten ein Ereignis des primären Endpunktes. 28,7% (restriktiv) und 31,1% (liberal) der Patienten waren nach 90 Tagen verstorben.

34% der Patienten mit dem höheren Blutdruckziel waren entweder verstorben oder von einem schweren Hirnschaden betroffen versus 32% in der Gruppe mit niedrigeren Blutdruckziel. Die 90-Tage-Mortalität lag bei entsprechend 31% (höherer RR) bzw. 29% (niedrigerer RR).

Die für den jeweiligen Part verantwortlichen Studienautoren leiteten daraus ein klares Fazit ab: „Die Ergebnisse zeigen keinen Nutzen für das höhere Sauerstoff-Ziel. Sie bestätigen, dass eine restriktive Sauerstoffgabe bei Patienten mit einem hohen Risiko für einen hypoxischen Hirnschaden keinen Schaden verursacht“, resümierte Prof. Jacob Moller von der Universitätsklinik in Odense in Dänemark beim Kongress.  

Niedriges Blutdruckziel ausreichend

Zudem zeigen die Ergebnisse des anderen Studienparts, wie Studienautor Prof. Jesper Kjaergaard beim Kongress erörterte, dass „eine Blutdruckeinstellung auf höhere Werte keinen Nutzen bringt“. „Da exzessive Dosen von Vasopressoren schädlich sein können, werden wir künftig das niedrigere Blutdruckziel anstreben“, äußerte sich der am Rigshospitalet der Universität Kopenhagen tätige Kardiologe zu der Frage, wie sich die Ergebnisse auf die eigene Praxis auswirken werden.  

Literatur

Moller JE: BOX - Oxygen therapy in comatose OHCA patients,
KjaergaardJ: BOX - Optimizing blood pressure in post resuscitation care, Hotline-Session 2, ESC Congress 2022, 26. bis 29. August in Barcelona

Schmidt H, et al. Oxygen Targets in Comatose Survivors of Cardiac Arrest; N Engl J Med 2022, doi: 10.1056/NEJMoa2208686

Kjaergaard JE, et al. Blood-Pressure Targets in Comatose Survivors of Cardiac Arrest; N Engl J Med 2022, doi: 10.1056/NEJMoa2208687

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