Stabile KHK: Neue Studien festigen Stellenwert der perkutanen Koronarintervention
Die perkutane Koronarintervention (PCI) bei stabiler KHK gilt gemeinhin als Maßnahme zur Verbesserung von Symptomen und Lebensqualität. Neue Studiendaten deuten aber darauf hin, dass diese Behandlung unter Umständen mehr bringen könnte – nämlich eine Reduktion „harter“ klinischer Ereignisse.
Die mit der Implantation moderner Koronarstents einhergehende PCI ist bei akutem Koronarsyndrom als potenziell lebensrettende Therapie anerkannt. Bei stabiler KHK fehlten bislang Studiendaten, die einen entsprechenden Stellenwert additiv zur medikamentösen Therapie untermauern würden. Hier hat die PCI den Status einer „nur“ symptomverbessernden Therapie.
Doch nun scheint sich die Datenlage zu ändern. Beim Kongress EuroPCR 2018 in Paris sind in einer „Late-breaking Trials“-Sitzung mehrere Studien präsentiert worden, von denen einige auch einen prognostischen Nutzen der PCI bei stabiler KHK nahelegen. Die Akronyme dieser Studien lauten ORBITA, GZ-FFR, FAME-2, DANAMI-3-PRIMULTI, COMPARE-ACUTE und SCAAR.
In diesen Studien ist der klinische Nutzen der PCI entweder bei Patienten mit stabiler KHK oder bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom, die auch noch Koronarläsionen außerhalb der Infarktarterie (Non-Culprit-Läsionen) aufwiesen, untersucht worden. Unmittelbar nach Präsentation dieser Studien war es Aufgabe von Prof. Michael Haude aus Neuss, die neue Datenlage zur PCI bei stabiler KHK – Haude wählte dafür den Terminus „chronisches Koronarsyndrom“ – in einem „PCR-Statement“ zu würdigen.
Neues von ORBITA
Haude nahm sich zunächst die ORBITA-Studie vor. Dass ausgerechnet diese umstrittene Studie, die selbst den symptomatischen Nutzen der PCI bei stabiler KHK infrage zu stellen scheint, den Stellenwert der PCI bei dieser Indikation stärken soll, mag auf den ersten Blick verwundern. Die in Paris vorgestellten Ergebnisse einer neuen ORBITA-Studie zeigen aber sehr klar, dass die günstige Wirkung der PCI auf die Koronardurchblutung umso stärker ist, je ausgeprägter die etwa im FFR-Wert erfasste Ischämien-induzierende Wirkung von Koronarstenosen ist. Selbst ORBITA-Leiterin Rasha Al-Lamee spekulierte in Paris, dass darin der Schlüssel für eine langfristige Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei stabiler KHK liegen könnte – auch unabhängig von einer Symptomverbesserung.
Die GZ-FFR-Studie
Nach ORBITA war die GZ-FFR-Studie an der Reihe. In dieser Studie ist die PCI bei klinisch stabilen KHK-Patienten mit Koronarstenosen im FFR-„Graubereich“ (0,75–0,82) geprüft worden. Nach Einschätzung von Haude liefert diese Studie ein „Signal“, dass die PCI auch bei diesen Patienten Symptome und Lebensqualität im ersten Jahr nach Intervention verbessern könnte.
Langzeitdaten der FAME-2-Studie
In Paris sind erstmals die 5-Jahres-Ergebnisse der FAME-2-Studie zur FFR-gesteuerten Revaskularisation im Vergleich zur bestmöglichen medikamentösen Therapie vorgestellt worden. Für Haude belegen die neuen Daten dieser Studie zum einen die anhaltende antianginöse Wirkung der PCI. Zum anderen habe sich nun erstmals gezeigt, dass durch eine auf hämodynamisch relevante Stenosen fokussiert PCI auf längere Sicht nicht nur als „dringend“ erachtete Koronarinterventionen, sondern auch spontane Myokardinfarkte reduziert werden.
Analyse gepoolter Daten aus drei Studien
Besondere Bedeutung räumte Haude einer neuen Analyse gepoolter Daten von insgesamt rund 2.400 Patienten aus drei Studien (FAME-2, DANAMI-3-PRIMULTI, COMPARE-ACUTE) ein, da durch sie eine solidere statistische Grundlage für die klinische Bewertung der PCI bei stabiler KHK geschaffen werde. Aus dieser Analyse resultiere ein „starkes Signal“, dass durch PCI auf längere Sicht auch der kombinierte Endpunkt aus Tod und Myokardinfarkt reduziert werden kann.
Derzeit sprechen die Ergebnisse der erweiterten Analyse für eine signifikante Reduktion von Myokardinfarkten durch PCI im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie. Die Unterschiede bei kardialen Todesfällen und Gesamtmortalität sind dagegen nicht signifikant.
Daten des SCAAR-Registers
In Paris sind auch Langzeit-Ergebnisse von knapp 31.500 KHK-Patienten mit und ohne FFR/iFR-gesteuerter PCI und einem Follow-up von bis zu zehn Jahren aus dem schwedischen SCAAR-Register vorgestellt worden. Die Analyse ergab, dass die gezieltere Revaskularisation bei FFR/iFR-gesteuerter PCI mit einer Reduktion von Mortalität, Restenosen und Stentthrombosen assoziiert war. Als Limitierung ist dabei aber zu berücksichtigen, dass es sich um eine Beobachtungsstudie ohne Randomisierung handelt.
Bedeutung für die Praxis
Was bedeuten diese neuen Ergebnisse für die Praxis? Nach Ansicht von Haude ist es an der Zeit, sich von der gängigen Praxis, die für die PCI maßgebliche Relevanz von Koronarstenosen rein visuell anhand von Koronarangiografien zu beurteilen, zu verabschieden. Conditio sine qua non für den prognostischen Nutzen der PCI bei stabiler KHK sei, dass nur im Fall von Koronarstenosen, die auch nachweislich Ischämien hervorrufen, revaskularisiert wird. Die zur Identifizierung der „richtigen“ Läsionen im Katheterlabor benötigten „Werkzeuge“ seien vorhanden. Dadurch werde sichergestellt, dass man Patienten mit stabiler KHK auch auf längere Sicht „etwas Gutes tut“.
Literatur
M. Haude: PCR statement on PCI for Chronic Coronary Syndromes, vorgestellt in der Sitzung “Late Breaking Trials”: Outcomes of PCI for stable angina, beim Kongress EuroPCR 2018, 22.–25. Mai, Paris