Auch nach „komplexer“ PCI genügt einmonatige duale Plättchenhemmung
Bei KHK-Patienten mit hohem Blutungsrisiko ist auch im Fall „komplexer“ perkutaner Koronarinterventionen eine auf nur einen Monat begrenzte duale Plättchenhemmung als antithrombotischer Schutz ausreichend, zeigt eine Subanalyse der MASTER-DAPT-Studie.
Die Strategie, die Dauer der dualen Antiplättchen-Therapie (DAPT) nach perkutaner Koronarintervention (PCI) auf einen Monat zu verkürzen, ist einer längeren dualen Plättchenhemmung über drei und mehr Monate bezüglich thrombotischer Komplikationen nicht unterlegen und mit einer niedrigeren Rate an Blutungskomplikationen assoziiert. Dies gilt auch für Risikopatienten mit erhöhtem Blutungsrisiko und als „komplex“ erachteten PCI-Prozeduren, wie eine neue Subanalyse der MASTER-DAPT-Studie jetzt zeigt.
Was MASTER-DAPT gezeigt hat
In der Mitte 2021 beim ESC-Kongress vorgestellten Studie MASTER-DAPT ist bekanntlich eine verkürzte mit einer längeren DAPT-Dauer nach PCI-Prozeduren mit Implantation von mit einem bioresorbierbaren Polymer beschichteten, Sirolimus-freisetzenden Stents (Ultimaster) verglichen worden.
Insgesamt 4579 Patientinnen und Patienten mit KHK und Merkmalen eines hohen Blutungsrisikos waren nach zunächst einmonatiger DAPT entweder auf eine plättchenhemmende Monotherapie umgestellt worden (verkürzte DAPT) oder unverändert für mindestens zwei weitere Monate oder länger mit zwei Plättchenhemmern weiterbehandelt worden (Standard-DAPT). Die verkürzte DAPT erwies gegenüber der Standard-DAPT bezüglich der Prävention kardialer und zerebrovaskulärer Ereignisse als „nicht unterlegen“ und bezüglich der Reduktion von Blutungskomplikation als überlegen.
Bei Patienten mit fortgeschrittener Koronarerkrankung bedarf es häufig komplexerer und mit einem höheren Risiko für ischämische Ereignisse einhergehenden PCI-Prozeduren. Würde auch in diesen Fällen eine verkürzte DAPT als Präventionsstrategie so gut wie eine Standardtherapie sein? Dieser Frage sind die MASTER-DAPT-Autoren in eine Subanalyse nachgegangen, deren Ergebnisse Prof. Pascal Vranckx von der Universität Hasselt in Belgien beim Kongress EuroPCR 2022 in Paris vorgestellt hat.
„Komplexe“ PCI bei etwa jedem vierten Studienteilnehmer
In der Studie waren 3.383 Patienten einer als „nicht komplex“ erachteten PCI (davon 1.707 mit verkürzter DAPT und 1.676 mit Standard-DAPT) sowie 1.196 Patienten einer „komplexen“ PCI (davon 588 mit verkürzter DAPT und 608 mit Standard-DAPT) unterzogen worden. Zu Definition „komplexer“ Prozeduren wurden die Giustino-Kriterien (koronare Dreigefäß-Erkrankung, drei oder mehr implantierte Stents, drei oder mehr behandelte Läsionen, Bifurkationsläsion mit zwei implantierten Stents oder chronische Koronarverschlüsse als Zielläsion) herangezogen.
Nichtunterlegenheit auch bei komplexen PCI-Prozeduren
Primärer Endpunkt war zum einen die Nettobilanz für unerwünschte klinische Ereignisse (NACE: net adverse clinical events), eine Kombination der Ereignisse Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Blutungen (BARC-Klasse 3 oder 5). Zwischen verkürzter DAPT und Standard-DAPT bestand bezüglich des NACE-Endpunktes nach einem Jahr weder im Fall „komplexer“ PCI-Prozeduren (Hazard Ratio, HR: 1,03, 95%-KI: 0,69–1,52) noch bei „nicht komplexer“ PCI (HR: 0,90, 95%-KI: 0,71–1,15) ein relevanter Unterschied (p-Wert für Interaktion = 0,60).
Zweiter koprimärer Endpunkt waren sogenannte MACCE-Ereignisse (major adverse cardiac or cerebral events), eine Kombination aus Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch im Hinblick auf diesen Endpunkt bestand zwischen verkürzter DAPT und Standard-DAPT kein Unterschied, weder bei „komplexen“ PCI-Prozeduren (HR: 1,24, 95%-KI: 0,79–1,92) noch bei „nicht komplexen“ Interventionen (HR: 0,91, 95% KI: 0,69–1,21, p-Wert für Interaktion: 0,26).
Blutungsrate bei verkürzter DAPT deutlich niedriger
Das Risiko für schwerwiegende oder weniger schwere, aber klinisch relevante Blutungsereignisse (BARC-Typen 2,3 oder 5) wurde dagegen durch die verkürzte DAPT in Relation zur Standard-DAPT sowohl bei „komplexer“ PCI (HR: 0,64; 95%-KI: 0,42–0,98) als auch bei „nicht komplexer“ PCI (HR: 0,70; 95%-KI: 0,55–0,89) signifikant verringert (p-Wert für Interaktion: 0,72).
Nach diesen Ergebnissen scheint die Strategie, bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko die DAPT schon etwa einen Monat nach einer PCI zu beenden, im Vergleich zu einer längeren Standard-DAPT mit einer vergleichbaren Rate an kardio- und zerebrovaskulären Ereignissen und einer deutlich niedrigeren Blutungsrate assoziiert zu sein – unabhängig von der Komplexität der PCI, so das Fazit der Studienautoren um Studienleiter Prof. Marco Valgimigli vom Cardiocentro Ticino Institute in Lugano. Offen bleibt allerdings unter anderen die Frage, inwieweit die Ergebnisse auf Patienten, bei denen nicht der in der Studie verwendete Stent, sondern andere Koronarstents implantiert werden, übertragbar sind.
Literatur
Vrancks P: Abbreviated DAPT after complex PCI in high bleeding risk patients. EuroPCR 2022, 17. – 20. Mai, Paris
Valgimigli M. et al. Duration of Antiplatelet Therapy After Complex Percutaneous Coronary Intervention In Patients at High Bleeding Risk: a MASTER DAPT trial sub-analysis. European Heart Journal, ehac284, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac284