Aortenstenose: Begleitende Herzschäden heilen nach Klappenersatz meist nicht ab
Eine Aortenstenose wirkt sich auch auf umliegende Herzstrukturen aus. Solche Begleitschäden haben einer aktuellen Studie zufolge beträchtliche Auswirkungen auf die Prognose von Patienten mit Aortenstenose. Die Autoren sprechen sich deshalb für eine frühere Intervention aus.
Die Prognose von Patientinnen und Patienten mit einer Aortenstenose hängt offensichtlich wesentlich von dem Ausmaß der begleitenden Herzschäden ab. In einer aktuell beim EuroPCR vorgestellten und parallel im JACC veröffentlichten Studie stellten sich solche klappenunabhängigen Schädigungen als einer der stärksten Prädiktoren für die 2-Jahres-Mortalität heraus, auch nach Adjustierung auf andere bekannte prognostische Faktoren wie Gebrechlichkeit, COPD oder dem STS-Score.
Studie stellte bisherige Empfehlungen infrage
Das viel überraschendere Ergebnis war aber, dass sich die kardialen Begleitschäden selbst nach einem Aortenklappenersatz oft nicht zurückgebildet haben, sich zum Teil sogar ausbreiteten. Angesichts dieser Tatsache sprechen sich die Studienautoren um Dr. Philippe Généreux für ein früheres Eingreifen bei Patienten mit Aortenstenosen aus. Aktuelle Leitlinien empfehlen bei einer hochgradigen Aortenstenose mit einem Klappenersatzverfahren solange zu warten, bis die Patienten Beschwerden entwickeln, erörtern die kanadischen Kardiologen den derzeitigen Konsensus. „Die aktuellen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die frühe Identifikation einer Aortenstenose und eine frühere Intervention vor Entstehung irreversibler Herzschäden die globale Herzfunktion und die Prognose verbessern könnten“, schreiben sie in der Publikation.
Neue Klassifikation soll Krankheitsausmaß einer Aortenstenose besser erfassen
Bereits im Jahr 2017 entwickelten Généreux und sein Team eine neue Klassifikation für die Aortenstenose, die nicht nur auf klappenbezogenen Faktoren beruht, sondern umliegende Herzstrukturen mit einbezieht. Die Einteilung besteht aus folgenden fünf Abstufungen:
- Stadium 0: keinerlei Schäden,
- Stadium 1: linksventrikuläre Störungen,
- Stadium 2: linksatriale Störungen und Schäden an der Mitralklappe,
- Stadium 3: Schädigungen des pulmonalen Gefäßsystems und der Trikuspidalklappe,
- Stadium 4: Beeinträchtigungen der rechten Ventrikelfunktion.
Ziel dieser Einteilung sei es, einen standardisierten Ansatz zu schaffen, mit dem sich das Ausmaß der Herzschäden durch eine Aortenstenose über die übliche Gradeinteilung der Klappenerkrankung hinaus erfassen lässt, erörtern die Kardiologen ihre damalige Intention.
Im Rahmen der aktuellen Studie wollten Généreux und sein Team nun herausfinden, inwieweit sich ein Klappenersatzverfahren auf bereits vorhandene Herzschädigungen bei Patientinnen und Patienten mit hochgradiger symptomatischer Aortenstenose auswirkt und wie dahingehende Veränderungen die Prognose beeinflussen.
Herzschäden verschwinden nach Aortenklappenersatz oft nicht
Dafür poolten die Autoren Daten der PARTNER-2A/B und PARTNER 3-Studien und teilten die Studienteilnehmer anhand ihrer in der Echokardiografie vorhandenen Herzschäden ein. Von den insgesamt 1.974 Patientinnen und Patienten befanden sich 6,1% vor dem geplanten Aortenklappenersatz im Stadium 0, 14,5% waren im Stadium 1 und 51,4% bzw. 20,9% hatten bereits das Stadium 2 bzw. 3 erreicht, 7,1% wiesen Herzschäden vom Ausmaß des Stadiums 4 auf.
Innerhalb des ersten Jahres nach dem Aortenklappenersatz (TAVI oder OP) erholten sich die betroffenen Herzstrukturen bei gerade mal 15% der Patientinnen und Patienten, bei etwa 60% blieb die Situation unverändert und bei circa 25% kam es zu einer Verschlechterung.
Herzschäden mit Prognose assoziiert
Ein Fortschreiten der kardialen Begleitschäden war unabhängig von anderen Prognosefaktoren mit einer erhöhten Sterblichkeit nach einem Jahr assoziiert, und sie wirkten sich auch zwei Jahre später auf den kombinierten Endpunkt aus Tod und herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen aus. So hatten Patienten, bei denen sich die betroffenen Herzstrukturen im ersten Jahr erholten, ein um 50% geringeres Sterberisiko als jene, deren Situation unverändert blieb (adjustierte Hazard Ratio, HR: 0,49). Patienten mit einer dahingehenden Verschlechterung hatten dagegen ein fast doppelt so hohes Sterberisiko (HR: 1,95; p=0,023). Zwei Jahre später war das Risiko für Tod und herzinsuffizienzbedingte Klinikeinweisungen für Patienten, bei denen sich Herzschädigungen zurückbildeten, um 40% geringer (HR; 0,60). Das Risiko für Patientinnen und Patienten mit einer fortschreitenden Progression war wiederum um mehr als das Doppelte erhöht (HR: 2,25; p˂ 0,001).
Angesichts der prognostischen Auswirkungen, welche begleitende Herzschäden in der Studie hatten, halten die Autoren es für angebracht, das Ausmaß solcher kardialer Störungen nach einem Aortenklappenersatz weiter zu überwachen. Zudem könne es Sinn machen, die Intensität der Behandlung dahingehend anzupassen, so die Kardiologen. Dazu gehört ihrer Ansicht nach u.a. eine adäquate Einstellung des Blutdrucks. Denn ein vorhandener Bluthochdruck war in der aktuellen Studie mit einer fortschreitenden Progression der Herzschäden assoziiert.
Chirurgischer Aortenklappenersatz mit Progression von Herzschäden assoziiert
Ein weiterer interessanter Befund der Studie dürfte „TAVI-Anhängern“ ein zusätzliches Argument an die Hand geben. In der Studie war ein chirurgischer Aortenklappenersatz nämlich unabhängig von anderen Faktoren mit einer fortschreitenden Progression der Herzschädigungen assoziiert verglichen mit einer TAVI-Prozedur. Das diesbezüglich schlechtere Abschneiden der Operation könnte den Autoren zufolge an spezifischen, mit dem chirurgischen Eingriff verbundenen prozeduralen Risiken liegen. Es sei bekannt, dass ein chirurgischer Aortenklappenersatz mit einer höheren Rate von neu auftretenden Vorhofflimmern assoziiert ist und das Risiko für einen Patienten-Prothesen-Mismatch und für eine postoperative rechtsventrikuläre Dysfunktion darunter erhöht sei, so die Kardiologen. „Diese Befunde unterstreichen den Benefit eines wenig invasiven Ansatzes, um das Auftreten prozedural bedingter Herzschäden zu minimieren und die Wahrscheinlichkeit für eine kardiale Wiedergesundung zu erhöhen“, folgern Généreux und Kollegen daraus.
Als Limitierung weisen sie darauf hin, dass die dokumentierten Herzschäden auch durch andere Erkrankungen verursacht sein könnten, also nicht ausschließlich durch die Aortenstenose. Sie raten deshalb nach entsprechenden Komorbiditäten (z.B. Amyloidose, Herzrhythmusstörungen) zu fahnden, falls sich kardiale Beeinträchtigungen nach einem Aortenklappenersatz nicht verbessern.
Literatur
Généreux P et al. Evolution and Prognostic Impact of Cardiac
Damage After Aortic Valve Replacement, Journal of the American College of Cardiology 2022, doi: https://doi.org/10.1016/j.jacc.2022.05.006.
EuroPCR Poster, EuroPCR 2022, 17. – 20. Mai, Paris