Angebliche kardiale "Raumforderung" – vom Oberbauch-MRT zur KHK-Diagnose
Bei einem 71-jährigen Mann wird in der MRT des Oberbauchs eine vermeintliche Raumforderung detektiert. Doch diese stellt sich nicht als Tumorformation heraus. Die kardiale MRT gibt in diesem Fall die entscheidenden Hinweise für die eigentliche Ursache.
Ein 71-jähriger Mann stellte sich zur weiteren kardiologischen Abklärung vor, da in einer externen Kernspintomografie (MRT) des Oberbauchs eine vermeintliche Raumforderung ventral des rechten Vorhofs detektiert wurde. Die spezifische kardiale MRT bestätigte eine glatt begrenzte Raumforderung (6,3 × 5,6 × 5,3 cm groß) ventral des rechten Vorhofs ohne relevanten Fettanteil.
In der Ruhe-Perfusionsanalyse war die Tumorformation gut gegenüber dem Vorhof abgrenzbar, ohne Infiltration des Cavums. Eine unmittelbare Lagebeziehung bestand zur leicht dilatierten proximalen rechten Koronararterie (RCA). In der basisnahen Hinterwand ließ sich schließlich ein transmurales Late Enhancement abgrenzen, die entsprechenden Myokardabschnitte waren akinetisch bis dyskinetisch. Rein bildmorphologisch bestand nun die primäre Verdachtsdiagnose eines thrombosierten RCA-Aneurysmas.
Eine perikardiale Raumforderung (z. B. eingeblutete/thrombosierte Perikardzyste) war jedoch nicht auszuschließen. Die nachfolgende koronare Computertomografie bestätigte schließlich die Diagnose eines komplett thrombosierten, randständig verkalkten Aneurysmas der mittleren bis distalen RCA.
Abb. Randständig verkalktes Aneurysma der rechten Koronararterie in der axialen und koronaren Ebene in den Cine-MRT-Sequenzen (A, B) sowie in der nativen (C, D) sowie kontrastmittelgestützten (E, F) koronaren CT.
Ätiologien von Koronaraneurysmen
Koronaraneurysmen sind definiert als eine Koronardilatation, die den proximalen, gesunden Referenzdurchmesser des Gefäßes um mindestens 50% übersteigt. In postmortalen Untersuchungen liegt die Prävalenz bei 1,4%. Am häufigsten sind die proximalen und medialen Anteile der RCA betroffen, gefolgt vom proximalen Ramus interventricularis anterior (RIVA). Etwa 50 % der Aneurysmen wurden im Rahmen atherosklerotischer Prozesse erworben.
Es wird davon ausgegangen, dass insbesondere die Degeneration der arteriellen Media, möglicherweise in Zusammenhang mit einer Plaqueruptur, zu einer zunehmenden Aneurysmabildung führt. Im Gegensatz hierzu ist das Kawasaki-Syndrom bei Kindern der häufigste Grund für koronare Aneurysmen. Auch postinterventionell kann es zu Aneurysmen kommen. Diese Fälle machen insgesamt rund 5 % aller Koronaraneurysmen aus. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang eine Hypersensitivität, ausgelöst durch die von Drug-eluting-Stents (DES) freigesetzten Immunsuppressiva, und eine vaskulitische Reaktion in der umgebenden Gefäßwand.
4 Klassen von Koronaraneurysma
Abhängig vom Ausmaß der Veränderungen haben Diaz-Zamudio et al. 2009 eine Unterteilung in vier Klassen vorgenommen:
- Klasse I beschreibt die diffuse Dilatation in zwei oder drei Gefäßen.
- Klasse II beschreibt eine diffuse Dilatation in einem Gefäß und lokalisierte, aneurysmatische Veränderungen in einem weiteren Gefäß.
- Bei Klasse III besteht eine diffuse Dilatation in einem singulären Gefäß.
- Klasse IV beschreibt eine lokalisierte oder segmentale Dilatation in nur einem Gefäßabschnitt.
Therapie individuell festlegen
Therapeutisch ergeben sich prinzipiell drei Strategien: medikamentös/konservativ, interventionell und chirurgisch. Letztlich muss jeder Fall, auch in Anbetracht der sehr großen Variabilität, individuell bewertet werden. Eine zentrale Überlegung bei der Festlegung des Therapieregimes ist die Verhinderung von Komplikationen, z. B. die Ausbildung eines Thrombus und dessen Embolisation, das Rupturrisiko und die Möglichkeit der Kompression umliegender Strukturen bei großen Aneurysmen. Bei atherosklerotischer Genese ist die optimale Einstellung kardiovaskulärer Risikofaktoren unabhängig von der jeweiligen Konfiguration sehr wichtig.
Unklare Datenlage zur Prognose
In Bezug auf die Prognose koronarer Aneurysmen existieren nur wenige heterogene Daten. Baman et al. sehen das Vorliegen koronarer Aneurysmen als unabhängigen Risikofaktor, der mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von nur 71% assoziiert ist. Demgegenüber sehen Anfinsen et al. nicht das Aneurysma als Prädiktor für die Prognose, sondern die den meisten Aneurysmen zugrunde liegende koronare Herzkrankheit (KHK). In Bezug auf die spezielle Situation postinterventioneller Aneurysmen publizierten Joo et al. 2018 eine Untersuchung, bei der ca. 80 Patienten mit koronarem Aneurysma nach Implantation eines DES der ersten Generation mit Patienten ohne postinterventionelles Aneurysma verglichen wurden. Hierbei wies die Aneurysma-Gruppe eine deutlich höhere MACE-Rate (Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, Revaskularisierung der Zielläsion) von 26,9 % versus 2,2 % auf. Getrieben wurde dieser Unterschied insbesondere durch nicht tödliche Myokardinfarkte und Revaskularisierungen der Zielläsion.
Der Patient aus unserem Fall war speziell für die Bildgebung an unser Zentrum überwiesen worden. Extern wurde im Weiteren invasiv eine koronare 3-Gefäß-Erkrankung diagnostiziert. Anschließend erfolgte eine Bypass-Versorgung. Das Aneurysma wurde chirurgisch abgesetzt.
Fazit für die Praxis |
|
Literatur
Literatur bei den Verfassern
Aus CardioNews Ausgabe 01/02 2022