Gibt’s bald eine alternative Thromboseprophylaxe für Kinder?
Zur Thromboseprophylaxe werden bei herzkranken Kindern traditionell niedermolekulare Heparine oder Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt. Durch eine randomisierte Studie tut sich jetzt eine Alternative auf, die einfacher zu handhaben ist.
Das NOAK Edoxaban könnte für herzkranke Kinder und Jugendliche, die eine Thromboxepropyhlaxe benötigen, eine geeignete Alternative zu den bisherigen Regimen darstellen. In der randomisierten, prospektiven, offenen Phase-III-Studie ENNOBLE-ATE hat sich das NOAK im Vergleich zum bisherigen Standard als gleichwertig sicher und effektiv erwiesen.
„Trotz ihrer Limitationen zeigt die Studie, dass Edoxaban bei Kindern mit Herzerkrankungen, die einem Risiko für Thromboembolien ausgesetzt sind, eine angemessene Alternative zur standardmäßigen Antikoagulation darstellt“, schließen die Studienautoren um Dr. Michael Portmann von der Universitätsklinik in Washington aus ihren Ergebnissen.
Aktueller Standard sind niedermolekulare Heparine oder VKA
Traditionell werden bei Kindern und Jugendlichen zur Thromboseprophylaxe niedermolekulare Heparine oder Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eingesetzt. Beide Medikamente bringen allerdings gewisse Unannehmlichkeiten mit sich, gerade für Kinder. Niedermolekulares Heparin müsse zweimal am Tag subkutan verabreicht werden, erörtern Portmann und sein Team. VKAs wiederum bergen eine Gefahr für Wechselwirkungen mit Nahrungsbestandteilen. Außerdem ist ein regelmäßiges Monitoring der Gerinnungsparameter notwendig.
Eine solche Überwachung ist bei NOAKs bekanntermaßen in der Regel nicht erforderlich. Die oral einzunehmenden Substanzen könnten deshalb eine einfacher zu handhabende Alternative darstellen. Edoxaban hat zudem, wie Portmann und Kollegen ausführen, den Vorteil, dass es nur einmal am Tag eingenommen werden muss.
167 Kinder wurden randomisiert
Ob das NOAK auch hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Sicherheit in dieser speziellen Indikation überzeugen kann, sollte die ENNOBLE-ATE-Studie klären. 167 Kinder in einem Alter unter 18 Jahren (im Schnitt 8 Jahre), die wegen einer zugrunde liegenden Herzerkrankung eine Thromboseprophylaxe benötigten, wurden 2:1 randomisiert: zu einer an das Alter und Körpergewicht angepassten Behandlung mit Edoxaban 1 × täglich oder zu einer standardmäßigen Antikoagulation, die in den meisten Fällen aus VKA bestand (nur 3 Patienten bekamen niedermolekulares Heparin).
22,2% der teilnehmenden Kinder litten an einem Kawasaki-Syndrom, 43,7% hatten aufgrund eines Herzfehlers eine Fontan-Operation hinter sich gebracht, 4,2% hatten eine Herzinsuffizienz und 29,9% waren an anderen Herzerkrankungen erkrankt.
Die zugeteilte Antikoagulation erfolgte in der Hauptphase der Studie für drei Monate. Im Anschluss daran konnten alle Studienteilnehmer eine Behandlung mit Edoxaban für ein Jahr in einem erweiterten offenen Arm der Studie erhalten (n=147)
Geringe Ereignisraten in beiden Gruppen
Klinisch relevante Blutungen – der primäre Endpunkt der Studie – kamen während des etwa 120-tägigen Studienzeitraumes (3 Monate Behandlung + 30 Tage Follow-up) fast gar nicht vor: Jeweils ein Patient im Edoxaban-Arm (0,9%) und Standardarm (1,7%) waren betroffen. Das entspricht einer jährlichen Inzidenz von 0,04 bzw. 0,07 Fällen.
Thromboembolische Ereignisse – der sekundäre Studienendpunkt – waren ebenfalls sehr selten: Unter Edoxaban kam es zu keinem solchen Ereignis, in der Standard-of-Care-Gruppe war ein Kind betroffen (1,7%), das sowohl eine tiefe Beinvenenthrombose als auch eine Lungenembolie erlitten hat.
Während der offenen erweiterten Studienphase wurden ein weiteres Blutungsereignis (0,7%, wegen eines Traumas) und vier thromboembolische Komplikationen registriert (2,8%; 2 Schlaganfälle und 2 Koronarthromben und/oder Herzinfarkte).
Studie war nicht gepowert für den Beweis einer Nichtunterlegenheit
Die niedrigen Ereignisraten sind speziell unter Beachtung des Risikoprofils der Studienteilnehmer als erfreulich zu bewerten. Denn ein hoher Anteil der Kinder (22%) war einem hohen Risiko für arterielle Thromben ausgesetzt, weil sie im Kontext ihrer Kawasaki-Erkrankung ein Riesen-Koronaraneurysma entwickelt hatten (2 betroffene Kinder erlitten im erweiterten Follow-up einen Herzinfarkt).
Die niedrigen Ereigniszahlen stellen aber auch eine wesentliche Limitation der Studie dar: „Die aktuelle Untersuchung ist weder dafür angelegt noch dafür gepowert, eine Überlegenheit oder Nichtunterlegenheit von Edoxaban gegenüber der standardmäßigen Antikoagulation aufzuzeigen“, geben die Studienautoren zu bedenken.
Literatur
Portmann MA et al. Edoxaban for Thromboembolism Prevention in Pediatric Patients With Cardiac Disease. J Am Coll Cardiol 2022;80:2301–10; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2022.09.031