Nachrichten 14.12.2016

Schützen Blutdrucksenker vor Grünem Star?

Die Entstehung eines Glaukoms lässt sich womöglich durch die Gabe von Blutdrucksenkern aufhalten, wie die Auswertung einer dänischen Studie vermuten lässt. Doch die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu interpretieren.

Hypertoniker haben ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens ein Glaukom zu entwickeln. Dieser Zusammenhang hat sich nun erneut in einer dänischen Bevölkerungsstudie bestätigt. Überraschenderweise ließ sich dieses Risiko hier durch eine antihypertensive Medikation positiv beeinflussen. Doch wirken Blutdrucksenker wirklich kausal präventiv auf die Glaukom-Entwicklung?

Kausaler Zusammenhang?

Davon zumindest gehen die Studienautoren um Anna Horwitz von der Universität Kopenhagen aus. In ihrer Analyse haben sie Verschreibungsdaten von Antihypertensiva und antiglaukomatöser Medikamente der 40- bis 95-jährigen dänischen Bevölkerung aus dem National Danish Registry of Medicinal Products Statistics zusammengetragen und mithilfe einer Poisson-Regressionsanalyse nach einem Zusammenhang gesucht. Insgesamt wurden Daten von über 2,6 Millionen Personen über einen Zeitraum von 16 Jahren ausgewertet.  

Über den gesamten Zeitraum war das relative Risiko, an einem Glaukom zu erkranken, für Personen, die Antihypertensiva eingenommen hatten, um 31% signifikant erhöht; und zwar nach Adjustierung auf Alter, Geschlecht und Kalenderjahr.

Spezielle statistische Methode

Um die kausale Wirkung von Antihypertensiva auf die Glaukom-Entwicklung einschätzen zu können, bedienten sich die dänischen Wissenschaftler der sogenannten Regressions-Diskontinuitäts-Analyse. Diese statistische Methode wird in der Medizin als Alternative zu einer randomisierten Stichprobe genutzt, um den kausalen Effekt einer Variablen – in diesem Falle der antihypertensiven Medikation – auf die Veränderung einer anderen Variablen – hier der Verschreibung einer Glaukom-Therapie – zu bestimmen. Verglichen wurde die Häufigkeit einer Glaukom-Diagnose bei Patienten, die kurz davor standen, eine antihypertensive Medikation zu erhalten (bis zu 3 Jahre davor) mit der von Personen, die bereits Antihypertensiva nehmen (bis zu 3 Jahre nach Beginn).

Risiko durch Antihypertensiva gesenkt

Demnach reduzierte die antihypertensive Medikation das Risiko, ein antiglaukomatöses Medikament verschrieben zu bekommen, um etwa 43%. Wie die Studienautoren ausführen, scheint die Behandlung eher die Entwicklung des Risikos über die Zeit, also mit zunehmendem Alter, zu beeinflussen als das unmittelbare Glaukom-Risiko per se.

Je mehr Antihypertensiva eingenommen wurden, desto stärker ausgeprägt war der protektive Effekt. Dieser Befund stütze die kausale Wirkung von Blutdrucksenkern auf die Glaukom-Entwicklung, so die Studienautoren. Der größte Schutz ging dabei von antiadrenerg wirkenden Blutdrucksenkern (Alpha-Blocker) und ACE-Hemmern aus. Keine signifikante Wirkung wurde dagegen bei Vasodilatatoren wie Hydralazin beobachtet.

Aber: Das Glaukom ist eine multifaktorielle Erkrankung

Die ausgeprägte präventive Wirkung von ACE-Hemmern erklären sich Horwitz und Kollegen mit deren Fähigkeit, den erhöhten Augeninnendruck zu senken, also der häufigsten Ursache für die Entstehung eines Glaukoms (Offenwinkelglaukom). Doch die einem Glaukom zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen sind multifaktoriell und komplex. Es könne beispielsweise sein, dass sich Antihypertensiva aufgrund der dadurch hervorgerufenen starken nächtlichen Blutdruckabfälle auf die Progression eines Normaldruckglaukoms eher negativ auswirken.

Eine Limitation dieser Studie ist somit, dass zwischen den jeweiligen biologischen Ursachen eines Glaukoms nicht differenziert wurde. Des Weiteren wurde die Hypertonie- und Glaukom-Diagnose  anhand der jeweiligen Medikation (Verschreibung von ≥ 2 Blutdrucksenker, ≥1 Antiglaukomatosa) und nicht anhand entsprechender Diagnose-Kriterien gestellt.

Generell kann man also allein aufgrund dieser Studienergebnisse eher nicht davon ausgehen, dass sich Antihypertensiva auf die Entwicklung jeglicher Glaukom-Arten positiv auswirkt.

Literatur

Horwitz A, Klemp M, Jeppesen J, et al. Antihypertensive medication postpones the onset of glaucoma. Hypertension 2016; DOI:10.1161/HYPERTENSIONAHA.116.08068.