Nachrichten 15.08.2022

Wie gefährlich ist (Wettkampf-)Sport bei Long-QT?

Menschen mit einem Long-QT-Syndrom wird von intensiverem Sport üblicherweise abgeraten. Eine französische Kohortenstudie deutet nun an, dass ein solch restriktiver Umfang nicht unbedingt vonnöten ist – doch die Sicherheit scheint an bestimmte Voraussetzungen geknüpft zu sein.

Für Menschen mit einem Long-QT-Syndrom (LQTS) scheinen sportliche Betätigungen alles in allem relativ ungefährlich zu sein. Das gilt selbst für Wettkampfsport, suggerieren neueste Daten einer französischen Kohorte mit insgesamt 246 LQTS-Patienten.

Nur ein einziger Patient in dieser Kohorte hatte nach der Diagnosestellung ein arrhythmogenes Ereignis im Kontext einer körperlichen Aktivität (Bodybuilding) erlitten, berichten die Autorinnen und Autoren um Caroline Davydoff aus Nantes. Der Patient überlebte den Herzstillstand durch eine Schockabgabe des bei ihm implantierten ICDs. Wichtig für die Einschätzung dieses Falles: Der betroffene Patient hatte die ihm verordnete Betablockertherapie nicht ordnungsgemäß eingenommen.

Sehr niedrige Komplikationsrate

Arrhythmogene Komplikationen während sportlicher Aktivitäten kamen in dieser Kohorte bei LQTS-Patienten also sehr selten vor: Die Rate lag bei 0,0007 Ereignissen pro Jahr. Selbst bei hochintensiven Betätigungen (IIIC Kategorie) konnte kein erhöhtes Risiko festgestellt werden. Und bei Patienten, die compliant waren bzgl. der Betablockertherapie, war die Ereignisrate gleich Null.

Für die aktuelle Untersuchung sind alle Patienten mit einer LQTS-Diagnose aus einem nationalen französischen Netzwerk angeschrieben worden. 246 Personen reagierten darauf. Das mediane Alter der Umfrageteilnehmer lag bei 43 Jahren. 170 Patienten (69%) gaben an, auch nach der Diagnosestellung weiterhin Sport getrieben zu haben. 54 Patienten (22%) hatten in der Folge mit mindestens einer Sportart aufgehört, 32 (19%) beendeten jegliche sportlichen Aktivitäten.

Insgesamt kamen die Teilnehmer auf ein Follow-up von 4.092 Jahren sportlicher Betätigung, davon sind 2.716 Jahre dem Zeitraum vor der Diagnosestellung und 1.376 dem nach der Diagnosestellung zuzuordnen.

Studienlage spricht für weniger restriktiven Umgang

Die aktuellen Ergebnisse stehen im Einklang zu 2021 publizierten Daten aus den USA. In einer Mayo Clinic (Windland Smith Rice Genetic Heart Rhythm Clinic) sind Athleten mit angeborenen Herzerkrankungen – mit Abstand am häufigsten hatten diese ein LQTS – intensiv betreut und nachverfolgt worden. Bei 494 Sportlern mit LQTS wurde eine Rückkehr zum Wettkampfsport ermöglicht. Nur bei 0,3% kam es während des Sports zu einer LQTS-assoziierten Komplikation.  

Die Sportkardiologen um Davydoff sprechen sich angesichts der beruhigenden Datenlage für einen weniger restriktiven Umgang mit LQTS-Patienten aus. Was sportliche Betätigungen betreffe, sei man bei diesen Patienten bisher eher zurückhaltend gewesen, insbesondere bei Wettkampfsport, erörtern sie.

Das liegt auch an den aktuellen ESC-Leitlinien: Demzufolge ist intensiver Sport für Menschen mit einem Genotyp-positiven-Phänotyp-positiven LQTS und einem verlängerten QTc > 500 ms ausgeschlossen, wenn sie in der Vergangenheit eine Synkope oder einen Herzstillstand erlitten haben. Im Falle eines Phänotyp-negativen LQTS sollte die Entscheidung im Sinne eines Shared-Decision-Prozesses getroffen werden werden.

Nach Ansicht von Davydoff und ihrem Team unterstützen die aktuellen Ergebnisse weniger restriktive Leitlinienempfehlungen, „speziell bei einer Niedrigrisikopopulation, die ordnungsgemäß mit Betablocker behandelt wird“, fügen sie hinzu.   

Aber: Kollektiv bestand eher aus Niedrigrisikopatienten

Die von den Autoren erwähnte Eingrenzung auf angemessen behandelte Niedrigrisikopatienten ist wichtig, wenn es um die individuelle Entscheidungsfindung geht. Denn die im Rahmen der aktuellen Studie befragten LQTS-Patienten wiesen eher ein niedriges arrhythmogenes Risiko auf. Ihre durchschnittliche QTc-Dauer lag bei 457 ms. Gerade mal neun Patienten hatten einen ICD implantiert bekommen und damit weiterhin Sport getrieben, darunter nur drei Wettkampfsportler. Bedeutet, die Ergebnisse lassen sich nicht unbedingt auf die gesamte LQTS-Population übertragen. „Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man über sportliche Aktivitäten, speziell über Wettkampfsport, bei Patienten mit einem hohen arrhythmogen Risiko diskutiert“, betonen Davydoff und Kollegen.

Ebenso gilt es zu beachten, dass in der aktuellen Kohorte doch einige Patienten ihre sportlichen Aktivitäten nach der Diagnosestellung eingestellt haben. Das betraf insbesondere den Wettkampfsport: Knapp die Hälfte der im Vorfeld in diesem Bereich tätigen Umfrageteilnehmer beendete die Sportlerkarriere nach der LQTS-Diagnosestellung (42 von 83). Sprich, das Ergebnis könnte in dieser Hinsicht verfälscht sein, weil stärker gefährdete LQTS-Patienten durch das Einstellen ihrer sportlichen Tätigkeiten vor sportassoziierte Komplikationen geschützt waren (und man deshalb nicht weiß, wie hoch die Komplikationsraten ausgefallen wären, wenn solche Patienten weiter Sport getrieben hätten).

Literatur

Davydoff C et al. Does sports participation increase risk in patients with long QT syndrome? Results from a large French cohort. Europace 2022; 00, 1–9
https://doi.org/10.1093/europace/euac047

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