Herzinsuffizienz: Preisträger-Studien im Überblick
Neues zur Rolle von Serotonin, Telemedizin, Herzunterstützungssystemen und dem kardiovaskulären Risiko von Krebspatienten – bei der Young InvestigatorAward-Sitzung wurden aktuelle Forschungsergebnisse rund ums Thema Herzinsuffizienz präsentiert.
Mit dem DGK Young Investigator Award werden die Arbeiten junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gewürdigt. Im Bereich Herzinsuffizienz gab es insgesamt vier Preisträger, die ihre Arbeiten bei der DGK-Jahrestagung/Herztage vorgestellt haben.
1. Welche Patienten profitieren von Telemedizin? (1. Preis)
Dr. Tina Stegmann aus Leipzig präsentierte eine Subgruppenanalyse mit Daten aus der TIM-HF2-Studie, eine mit Krankenkassenunterstützung durchgeführte, große Untersuchung zum Herzinsuffizienz-Telemonitoring. Für die TIM-HF2-Studie wurden mehr als 1.500 im Jahr vor Studienbeginn wegen Herzinsuffizienz hospitalisierte Patienten 1:1 randomisiert und erhielten entweder ein sogenanntes Remote Patient Management (RPM) oder die Standardtherapie.
In der RPM-Gruppe wurden täglich Vitalparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Gewicht übertragen sowie ein tägliches EKG über zwei Minuten erstellt, das über ein Patch gemessen und an ein telemedizinisches Zentrum übermittelt wurde. Die Patienten wurden ein Jahr nachbeobachtet. In der RPM-Gruppe wurde verglichen mit den Kontrollpersonen eine Reduktion der verlorenen Tage aufgrund von kardiovaskulärer Hospitalisierung und eine geringere Gesamtmortalität festgestellt.
Basierend auf diesen Ergebnissen würden viele Patienten für eine telemedizinische Betreuung infrage kommen. Da es auch Teilnehmer gab, bei denen kein Ereignis auftrat, fragten sich Stegmann und Kollegen: Welche Patienten könnte man von dem kosten- und personalintensiven Konzept ausschließen und welche profitieren besonders? In einer Subgruppenanalyse überprüften sie, ob mit dem täglichen EKG-Monitoring mehr Patienten mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern entdeckt werden als bei der Standardtherapie.
Ihr Ergebnis: Innerhalb eines Jahres konnte bei doppelt so vielen telemedizinisch behandelten Patienten Vorhofflimmern festgestellt werden wie in der Kontrollgruppe (23 vs. 12 Personen). In den ersten drei Monaten war die Detektionsrate am höchsten. Die Patienten in der Interventionsgruppe, die Vorhofflimmern entwickelt hatten, verloren insgesamt weniger Tage aufgrund von kardiovaskulärer Hospitalisierung als die Patienten mit Standardtherapie. „Wir glauben, dass Patienten mit Vorhofflimmern oder erhöhtem Risiko dafür möglicherweise von einer ambulanten telemedizinischen Betreuung profitieren könnten“, so Stegmann.
2. Serotonin bei Herzinsuffizienz relevanter als gedacht? (2. Preis)
Noradrenalin übernimmt bei Überaktivierung des Sympathikus bei Herzinsuffizienz wichtige Funktionen. Über das biochemisch verwandte Serotonin ist vergleichsweise wenig bekannt. Einer Studie zufolge ist ein erhöhter Serotoninwert bei Herzinsuffizienz mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Um mehr über die Wirkung von Serotonin am Herzen herauszufinden, untersuchten die Forscher um Dr. Sebastian Romann aus Heidelberg Patienten mit serotoninsezernierenden Tumoren. Denn diese Menschen sind herzgesund, haben aber zum Teil trotzdem hohe Serotoninspiegel.
Von 59 Patienten mit dieser Erkrankung erhoben sie Labor- und kardiale Verlaufsparameter aus der Echokardiografie und von einigen gewannen sie RNA-Samples aus dem Blut. Es zeigten sich eine hohe Metastasierungsrate und recht hohe Serotoninwerte, gleichzeitig war die linksventrikuläre Ejektionsfraktion meist erhalten. Die Forscher fanden bereits erhöhte NT-proBNP-Werte, nur leicht erhöhtes Troponin und generell keine auffälligen kardialen Symptome. Die meisten Patienten hatten gastrointestinale Tumoren, bei allen wurde im Verlauf Serotonin sezerniert.
Romann und Kollegen entdeckten: Je länger und höher dosiert Serotonin auf das Herz wirkte, desto dicker wurde die Herzhinterwand. Beim Untersuchen der RNA stellten sie fest, dass nur wenige Gene von Serotonin abhängig sind. Diese verglichen sie mit klinischen Parametern und fanden heraus: Je höher die Konzentration der serotoninabhängigen HLA-Gene im Blut, desto höher die Septumsdicke. Zudem sahen sie eine erhöhte Expression bei Genen, die in Verdacht stehen, mit Herzinsuffizienz assoziiert zu sein. Das werde aktuell noch überprüft. „Möglicherweise spielt Serotonin für Herzinsuffizienz eine wichtigere Rolle als bisher angenommen“, resümierte Romann.
3. Werden kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Krebspatienten unterschätzt? (2. Preis)
Patienten mit onkologischen und kardiovaskulären Erkrankungen werden häufig getrennt behandelt, ihre Risikofaktoren überschneiden sich jedoch. Dazu zählen fortgeschrittenes Alter, Diabetes und arterielle Hypertonie. Sie alle begünstigen das Auftreten von Koronarereignissen, Herzinsuffizienz und Krebs. Viele Patienten haben auch beide Erkrankungen: Krebsbehandlungen können kardiovaskuläre Erkrankungen auslösen, Herzinsuffizienz kann das Auftreten einer Krebserkrankung fördern und umgekehrt.
Die Forscher um Dr. Daniel Finke aus Heidelberg untersuchten deshalb Daten von mehr als 40.000 kardiovaskulären Patienten, die sich einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen hatten. Bei mehr als 6.000 davon wurde Krebs diagnostiziert, am häufigsten Haut-, Brust- und Prostatakarzinome. Mithilfe eines Propensity Score-Matchings wurden Patienten mit und ohne onkologische Erkrankung verglichen. Bei Teilen von beiden Gruppen wurde Troponin und NT-proBNP gemessen.
Die LV-Funktion war bei beiden Gruppen ähnlich, bei den kardialen Biomarkern zeigten sich jedoch Unterschiede. Sowohl bei den Krebspatienten mit erhaltener als auch mit reduzierter Pumpfunktion zeigten sich erhöhte NT-proBNP-Werte, im Vergleich zu den Personen ohne onkologische Erkrankung. Die Troponinwerte (hs-TnT) waren bei den Krebspatienten mit erhaltener Pumpfunktion etwas höher als bei den Patienten ohne Tumore, bei Krebspatienten mit eingeschränkter Pumpfunktion waren sie jedoch niedriger als bei denjenigen ohne Krebs.
Zudem stellten die Forscher fest, dass Patienten ohne Krebsdiagnose signifikant häufiger und in jüngerem Alter Stentimplantationen bekamen. Der Anteil an hochgradigen Koronarstenosen war bei den Nichtkrebspatienten ebenfalls höher. Bei Krebspatienten korrelierten hohes Alter, Diabetes, erhöhtes Troponin und erhöhtes NT-proBNP mit gesteigerter Mortalität. Beide Biomarker waren auch mit Herzinsuffizienz assoziiert. „Auch Krebspatienten profitieren von kardiologischer Betreuung und einer optimalen Einstellung kardiovaskulärer Risikofaktoren“, schloss Finke.
4. Verbessern Herzpumpen die Prognose bei kardiogenem Schock? (2. Preis)
Die Mortalitätsrate bei kardiogenem Schock ist hoch. Perkutane linksventrikuläre Unterstützungssysteme (pLVAD) unterstützen die LV-Funktion und versorgen das Gewebe mit Sauerstoff. Die Forscher um Dr. Johannes Mierke aus Dresden untersuchten in einer neuen Studie, ob sich dieser Mechanismus auf die Überlebenschancen der Patienten auswirkt.
Sie verglichen die Mortalität von Patienten mit kardiogenem Schock, die von einer Impella-Herzpumpe (Impella CP) unterstützt wurden, mit der vorhergesagten Mortalität. Diese wurde anhand des Apache-II-Scores berechnet, mithilfe von Messwerten wie Herzfrequenz oder Körpertemperatur sowie Punkten für Alter und schwere internistische Erkrankungen. Die Forscher analysierten Daten aus dem Dresdner Impella-Register von 183 Patienten. Das Durchschnittsalter betrug 66 Jahre.
Der Score ergab eine intraklinische Mortalität von 96% bei einem durchschnittlichen Krankenhausaufenthalt von 23 Tagen, die tatsächliche Mortalität war mit 57% deutlich niedriger. Reanimation vor Implantation des Unterstützungssystems ging mit einer erhöhten 30-Tage-Mortalität einher, sie lag bei 51% ohne und bei 73% mit Reanimation. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen inner- und außerhalb des Krankenhauses reanimierten Patienten, möglicherweise, weil die im Krankenhaus Reanimierten eine höhere Krankheitslast aufwiesen.
Die Forscher entdeckten, dass auch ein erhöhtes Serumlaktat ein unabhängiger Risikofaktor für gesteigerte Mortalität war. Es zeigte sich zudem eine Tendenz, dass jüngere Patienten eine bessere Überlebenschance mit einem Unterstützungssystem hatten. Insgesamt wiesen Personen mit Impella CP eine niedrigere Mortalitätsrate auf als die mithilfe des Apache-II-Scores prognostizierte. Da diese sehr hoch ausfiel, kam jedoch die Frage auf, ob der Score für diese Kohorte geeignet ist. Zudem gab es keine Kontrollgruppe, sodass der tatsächliche Effekt der Impella-Pumpe auf die Sterblichkeit der Patienten weiterhin ungeklärt bleibt.
Info |
Alle Vorträge von der DGK-Jahrestagung/Herztagen können Sie unter folgendem Link weiterhin on demand anschauen: https://dgk.meta-dcr.com/jtht2020/ |
Literatur
Young Investigator Award Sitzungen: Herzinsuffizienz, 16. Oktober bei der 86. Jahrestagung und Herztage 2020