Herzinsuffizienz: Nicht jede Therapieanpassung ist von Vorteil
Wenn Patienten wegen einer Herzinsuffizienz in die Klinik kommen, bietet das eine gute Gelegenheit, die Medikation anzupassen. Doch nicht jede Änderung scheint sich positiv auf die Prognose der Patienten auszuwirken, wie eine aktuelle Analyse zeigt.
Während eines Klinikaufenthaltes nutzen Ärzte recht häufig die Gelegenheit, die Medikation von Herzinsuffizienz-Patienten anzupassen. Wie eine aktuelle US-amerikanische Analyse nahelegt, können sich solche Änderungen zum Positiven, aber auch zum Negativen auswirken.
Klinikaufenthalt bietet Gelegenheit für Therapieanpassungen
So zeigen die neuesten Ergebnisse des CHAMP HF-Registers, dass Patienten, die wegen einer Herzinsuffizienz in ein Krankenhaus eingewiesen werden mussten, mit höherer Wahrscheinlichkeit eine leitliniengerechte Behandlung bekommen als jene ohne Klinikaufenthalt in den letzten zwölf Monaten. Eine Dosiseskalation von ACE-Inhibitoren oder Aldosteronantagonisten (ARB) bzw. oder von Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA) war im Falle eines Krankenhausaufenthaltes deutlich wahrscheinlicher (statt als Harzard Ratio [weil ja kein „hazard“] wird dies in der Analyse als Probility Ratio ausgegeben: 1,71 bzw. 8,71; p ˂ 0,001).
Bestimmte Änderungen gingen mit erhöhtem Sterberisiko einher
Auf der anderen Seite: Wenn Patienten bereits mit einem Medikament behandelt worden sind, erhöhte eine Hospitalisierung die Wahrscheinlichkeit, dass dieses abgesetzt oder die Dosis reduziert wurde.
Beides – also das Absetzen und die Dosisdeeskalation – gingen mit einem deutlichen Anstieg der Gesamtsterblichkeit einher: Bei entsprechenden Anpassungen der ACE-Inhibitoren/ARB-Therapie stieg das Sterberisiko um das fast Vierfache (Hazard ratio, HR: 3,82), bei Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) und MRA um das fast Fünffache (HR: 4,76 bzw. 4,81) und bei Änderung der Betablocker-Therapie um das Dreifache (HR: 2,94, p bei allen ˂ 0,001).
Warum von den Leitlinienempfehlungen abgewichen wurde
Einige der behandelten Ärzte hätten die Klinikeinweisung wohl als Möglichkeit genutzt, eine Therapie zu beginnen oder eine bestehende Medikation aufzutitrieren, um den hämodynamischen Zustand des Patienten zu optimieren, erläutern die Studienautoren um Dr. Pratyaksh K. Srivastava eine mögliche Erklärung für die paradox erscheinenden Ergebnisse. Andere wiederum hätten die Hospitalisierung womöglich als Signal einer zunehmenden Gebrechlichkeit interpretiert, und deshalb mit Blick auf die Herzinsuffizienz-Behandlung vorsichtiger agiert.
Dass die persönliche Wahrnehmung und Präferenz der behandelten Ärzte tatsächlich relativ häufig den Ausschlag gegeben haben, lassen folgende Zahlen erahnen: Bei entsprechend 19,5%, 24,1%, 13,5% und 13,7% der Therapieanpassungen von ACE-Inhibitoren/ARB, ARNI, Betablocker oder MRA wurde als Grund die Präferenz des Arztes angegeben.
Als häufigster Grund für ein Abweichen von der leitliniengerechten Therapie wurde aber eine medizinische Ursache genannt (bei über der Hälfte), am meisten sich verschlechternde oder nicht kontrollierbare Symptome, Komorbiditäten, andere Situationen, die eine Therapieanpassung bedürfen, oder eine Intoleranz gegen eines der Medikamente.
Ärzte besser aufklären, wann eine Therapiefortsetzung möglich ist
Auch wenn es begründete Szenarien gibt, in denen solche Anpassungen erforderlich sind, weisen die US-Kardiologen in der Publikation darauf hin, dass solche Ursachen tatsächlich eher selten vorkommen. Ihrer Ansicht nach verdeutlichen diese Ergebnisse deshalb, dass Ärzte besser darüber aufgeklärt werden sollten, wann eine leitliniengerechte Therapie sicher fortgesetzt werden kann, z.B. Herzinsuffizienz-Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen sollten ACE-Inhibitoren/ARB/ARNI bei Klinikeinweisung nicht vorenthalten werden, wenn sich der Baseline-Kreatinin-Werte nicht verändert hat, oder bei Patienten mit milden akuten Nierenschäden kann die ACE-Hemmer/ARB-Behandlung bei Klinikentlassung wieder begonnen werden.
Patienten gut überwachen, falls Dosisreduktion erforderlich ist
Falls eine Abweichung von der leitliniengerechten Behandlung unumgänglich ist, empfehlen Srivastava und Kollegen, solche Patienten engmaschig zu überwachen. Damit eine Wiederaufnahme der Therapie oder Dosisauftitrierung im ambulanten Setting vorgenommen werde, sobald dies möglich sei. Die US-Kardiologen vermuten nämlich, dass eine solche Anpassung in der Realität häufig nicht passiert. Und dies zumindest zum Teil die erhöhte Mortalität erklären könnte, die sich bei Patienten, deren Medikamente in der Klinik abgesetzt oder deeskaliert worden sind, beobachten ließ.
Eine Lösung für dieses Problem könnten ihrer Ansicht nach Erinnerungssysteme durch elektronische Patientenakten sein, über welche die ambulant betreuenden Ärzte an die Notwendigkeit einer Wiederaufnahme oder Dosissteigerung informiert werden können.
Kausalität ist jedoch fraglich
Fraglich ist allerdings, ob die getätigten Therapieanpassungen ursächlich für die höhere Gesamtmortalität der Patienten verantwortlich waren. Auch wenn auf diverse Einflussfaktoren wie Komorbiditäten adjustiert wurde, bleibt bei einer solchen Analyse die Gefahr von unbekannten Störfaktoren, worauf auch die Autoren hinweisen. So könnten Patienten, bei denen eine Therapieanpassung notwendig war, prinzipiell eine schlechtere Voraussetzung gehabt haben als jene, bei denen die leitliniengerechte Behandlung fortgesetzt werden konnte.
Die Studienkohorte bestand aus insgesamt 4.365 Patienten, die aufgrund einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion ≤ 40% in das CHAMP HF-Register aufgenommen wurden und für mindestens 12 Monate nachverfolgt werden konnten.
Literatur
Srivastava PK et al. Heart Failure Hospitalization and Guideline-Directed Prescribing Patterns Among Heart Failure With Reduced Ejection Fraction Patients; J Am Coll Cardiol Heart Fail. 2021,9(1):28–38