Erster Direktvergleich: Subkutaner ICD ist transvenösen Systemen ebenbürtig
Ein vollständig subkutan implantierbares Kardioverter-Defibrillator-System hat sich in der ersten randomisierten Vergleichsstudie konventionellen ICD-Systemen mit transvenös implantierten Elektroden bei ausgewählten Risikopatienten als „nicht unterlegen“ erwiesen.
Neben konventionellen transvenösen Systemen steht schon seit 2009 auch ein rein subkutan implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (S-ICD, Boston Scientific) zur Verfügung. Damit sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, mit transvenös implantierten Elektroden assoziierte Komplikationen wie systemische Infektionen und Elektrodendysfunktionen zu vermeiden. Gute Erfahrungen mit dem S-ICD, bei dem die Elektroden neben oder auf dem Brustbein unter der Haut – und nicht im Gefäßsystem – liegen, konnten bislang in Registerstudien gewonnen werden.
Bei der ausgefallenen und in rein digitaler Form nachgeholten Jahrestagung 2020 der Heart Rhythm Society (HRS Scientific Sessions virtual) ist jetzt als „Late-breaking Clinical Trial“ die erste randomisierte kontrollierte Multicenter-Studie zum Head-to-Head-Vergleich eines S-ICD mit herkömmlichen ICD-Systemen bezüglich Sicherheit und Effektivität vorgestellt worden. Ihre Ergebnisse belegen, dass der S-ICD bezüglich der Häufigkeit von inadäquaten Schockabgaben und Geräte-bezogenen Komplikationen transvenösen Systemen (TV-ICD) bei ausgewählten Patienten mit leitlinienadäquater ICD-Indikation ebenbürtig („nicht unterlegen“) ist.
Die von Studienleiter Dr. Reinoud Knops vom Academic Medical Center Amsterdam präsentierte PRAETORIAN-Studie soll in Kürze im „New England Journal of Medicine“ publiziert werden.
Gleiche Raten für den primären Endpunkt
Nach vier Jahren Follow-up waren die Raten für inadäquate ICD-Schocks und Geräte-bezogene Komplikationen (primärer Studienendpunkt) mit 15,1% (S-ICD) und 15,7% (TV-ICD) nahezu gleich (Hazard Ratio 0,99; 95% Konfidenzintervall 0,71–1.39, p= 0,01 für Nicht-Unterlegenheit). Die Rate für inadäquate ICD-Schocks war mit 9,7% vs. 7,4% im S-ICD-Arm der Studie tendenziell höher als im TV-ICD-Arm (HR 1,43; 95% KI 0,89–2,30, P= 0,14). Solche ICD-Schocks waren im TV-ICD-Arm vor allem auf Vorhofflimmern und supraventrikuläre Tachykardien, im S-ICD-Arm dagegen primär auf kardiales Oversensing zurückzuführen.
Elektroden-bezogene Komplikationen signifikant verringert
Bezüglich des Endpunktes Geräte-bezogene Komplikationen fiel das Ergebnis dagegen bei Raten von 5,9% vs. 9,8% im Trend zugunsten der S-ICD-Gruppe aus (HR 0,69; 95% KI 0,44–1,09, P= 0,11). Dieser Vorteil des S-ICD resultierte nicht überraschend aus einer signifikant niedrigeren Rate (1,4% vs. 6,6%) an Elektroden-assoziierten Komplikationen (HR 0,24; 95% KI 0,10 – 0,54, p=0,001).
Die Raten für die Gesamtmortalität nach vier Jahren waren mit 16,4% (S-ICD) und 13,1% (TV-ICD) nicht signifikant unterschiedlich (HR 1,23; 95% KI 0,89 – 1,70, p=0,20). Die numerisch höhere Mortalität in der S-ICD-Gruppe resultiert primär aus einer höheren Zahl nicht kardiovaskulär verursachter Todesfälle (31 vs. 22). Die Zahl plötzlicher Herztode war in beiden Gruppen identisch (18 vs. 18).
Studienleiter Knops schlussfolgert aus diesen Ergebnissen, dass sich der S-ICD in einer „konventionellen ICD-Population mit primär- und sekundärpräventiver Indikation“ der Herztod-Prophylaxe mit herkömmlichen ICD-Systemen im Hinblick auf ungünstige ICD-bezogene Ereignisse als nicht unterlegen erwiesen habe. Der S-ICD sollte nach seiner Ansicht deshalb bei allen Patienten in Betracht gezogen werden, die eine ICD-Prophylaxe ohne gleichzeitigen Bedarf an kardialer Stimulation benötigen.
Kein ICD-System für alle Patienten
Knops spielt damit in seiner Conclusio darauf an, dass das S-ICD-System nicht für alle Patienten mit ICD-Indikation in Betracht kommt. Entscheidende Limitierung ist, dass der S-ICD bis dato nicht über eine Pacing-Funktion verfügt. In den US-amerikanischen und europäischen Leitlinien wird der S-ICD als Alternative zu transvenösen ICD-Systemen dann empfohlen, wenn kein Bedarf an intrakardialer Stimulation zwecks antibradykarder Therapie, antitachykardem Pacing (ATP) oder kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) besteht oder zu erwarten ist.
An dieser Empfehlung hat man sich auch bei der Patientenauswahl für die PRAETORIAN-Studie orientiert. Dafür sind an 39 Zentren in Europa und den USA – darunter auch sieben deutsche Zentren – zwischen 2011 und 2017 insgesamt 449 Patienten mit Klasse-I- oder IIa-Indikation zur ICD-Therapie, aber ohne Pacing-Indikation, rekrutiert worden. Knapp 70% aller Teilnehmer wiesen eine ischämische und rund 23 % eine nicht-ischämische Kardiomyopathie auf.
Mehrheit der Teilnehmer mit primärpräventiver ICD-Indikation
Nur bei knapp 20% alle Teilnehmer bestand aufgrund eines überlebten Herzstillstands, einer hämodynamischen Beeinträchtigung oder einer Synkope infolge ventrikulärer Tachyarrhythmien eine sekundärpräventive ICD-Indikation. Angesichts der relativ geringen Patientenzahl sind die PRAETORIAN-Ergebnisse im Hinblick auf diese ICD-Population somit nur von begrenzter Aussagekraft.
Seit einiger Zeit sind S-ICD-Geräte der 2. Generation auf dem Markt. Damit soll dank neuer Detektionsalgorithmen die Rate an durch Oversensing bedingten inadäquaten ICD-Schocks deutlich reduziert werden. Informationen darüber, wie viele Teilnehmer der PRAETORIAN-Studie die neuen S-ICDs erhalten hatten und wie hoch in dieser Subgruppe die Rate an inadäquaten Schockabgaben war, lieferte Knops in seiner Präsentation beim virtuellen HRS-Kongress jedoch nicht.
Elektroden-assoziierte Probleme treten häufig erst viele Jahre nach Implantation von TV-ICD-Systemen auf. Um Aufschluss über die relative Sicherheit dieser Systeme im Vergleich zum S-ICD auf lange Sicht zu gewinnen, hat die PRAETORIAN-Gruppe die Follow-up-Dauer ihrer Studie um weitere vier Jahre verlängert.
Literatur
Heart Rhythm Society Scientific Sessions 2020 (HRS 2020 Scientific Sessions virtual): Abstract LBCT01-02. Online 8. Mai 2020