Nachrichten 11.05.2022

ICD bei Herzinsuffizienz: Immer noch ein notwendiger Lebensretter?

Wird der implantierbare Defibrillator (ICD) angesichts einer immer besser gewordenen Therapie bei Herzinsuffizienz als Schutz vor plötzlichem Herztod noch gebraucht? Eine neue Studienanalyse legt einen Nutzen auch im Kontext einer modernen Herzinsuffizienz-Therapie zumindest nahe.

Bei Herzinsuffizienz mit erniedrigter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) ist das Risiko für den plötzlichen Herztod erhöht. Die Leitlinien empfehlen deshalb bei symptomatischer systolischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II–III und Auswurffraktion unter 35% trotz optimaler Pharmakotherapie) zur Primärprävention solcher Ereignisse die Implantation eines ICD. Die klassischen ICD-Studien, auf deren Ergebnissen diese Empfehlung gründet, stammen allerdings alle aus einer Zeit, in der die Herzinsuffizienz-Therapie, gemessen am heutigen Standard, noch sehr unterentwickelt war.

Risiko für plötzlichen Herztod ist stetig geringer geworden

Inzwischen sind mit ACE-Hemmern/AT1-Rezeptorblockern, Betablockern, Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA), einem Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) und seit jüngster Zeit auch SGLT2-Hemmern gleich fünf Herzinsuffizienz-Therapien verfügbar, die alle eine mortalitätssenkende Wirkung und zum Teil auch präventive Effekte auf den plötzlichen Herztod unter Beweis gestellt haben. Das Ergebnis einer 2017 publizierten Analyse, der zufolge die Inzidenz des plötzlichen Herztodes in Herzinsuffizienz-Studie der letzten zwei Jahrzehnte mit zunehmender Nutzung von evidenzbasierten Therapien stetig abgenommen hat, ist deshalb wenig überraschend.

Viel Diskussionsstoff bot auch die Mitte 2016 vorgestellte DANISH-Studie, in der die ICD-Therapie bei Patienten mit nicht ischämisch bedingter Herzinsuffizienz zwar die Zahl plötzlicher Herztode halbierte, dadurch die Gesamtmortalität aber nicht wesentlich verringerte.

Ist der ICD im Kontext einer optimalen zeitgemäßen Herzinsuffizienz-Therapie also immer noch der Lebensretter, als der er sich vor mehr als 20 Jahren in Studien erwiesen hat? Klären lässt sich das nur in randomisierten kontrollierten Studien, die es aber (noch) nicht gibt. Vorerst bemüht man sich in der Forschung deshalb, etwa mittels retrospektiver Analysen oder Vergleiche „gematchter“ Patientenpopulationen, zu Erkenntnissen in der Sache zu gelangen.

Vergleich auf Basis der EMPEROR-Reduced-Studie

Einen solchen, auf Daten der randomisierten EMPEROR-Reduced-Studie basierenden Vergleich hat Dr. Mehmet Aktas von der University of Rochester jüngst beim Kongress Heart Rhythm 2022 in San Francisco vorgestellt. In der Studie EMPEROR-Reduced konnte bekanntlich gezeigt werden, dass eine Behandlung mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin die Inzidenz von kardiovaskulär verursachten Todesfällen und Klinikaufenthalten wegen Herzinsuffizienz (primärer kombinierter Studienendpunkt) bei Patientinnen und Patienten mit HFrEF additiv zu einer optimalen Standardtherapie signifikant um 25% reduzierte.

Mortalität in der ICD-Gruppe um 26% niedriger

Für die von Aktas aktuell vorgestellte Analyse sind Daten von 535 Patienten (mittleres Alter: 68 Jahre, 81% Männer, NYHA II und III: 73% bzw. 27%) aus der Empagliflozin-Gruppe der EMPEROR-Reduced-Studie, die alle Träger eines ICD waren, herangezogen worden. Ihnen wurde eine im Hinblick auf Merkmale wie Alter, Geschlecht, Auswurffraktion, NYHA-Klasse und Herzinsuffizienz-Ätiologie „gematchte“ Gruppe von Patienten ohne ICD gegenübergestellt (Propensity-Score-Matching).

Das sind die wesentlichen Ergebnisse des Vergleichs:

  • Die Raten für die Gesamtmortalität bei Patientinnen und Patienten mit versus ohne ICD betrugen 8,5 vs. 12,7 pro 100 Patientenjahre. Der Unterschied entspricht einer relativen Risikoreduktion um 26% durch die ICD-Therapie (Hazard Ratio: 0,74, 95%-KI: 0,51–1,07, p=0,114). 
  • Die entsprechenden Raten für den plötzlichen Herztod betrugen in den Gruppen mit und ohne ICD 1,6 vs. 3,3 pro 100 Patientenjahre. Damit ergab sich für diesen Endpunkt eine relative Risikoreduktion um 41% durch die ICD-Therapie (Hazard Ratio: 0,59, 95%-KI 0,31–1,15, p=0,122).

Trotz der numerisch nicht gering erscheinenden Risikoreduktionen erwiesen sich die Unterschiede zwischen beiden Gruppen statistisch als nicht signifikant. Mehr, als dass sie einen möglichen Vorteil der ICD-Therapie auch unter Bedingungen einer zeitgemäßen Herzinsuffizienz-Therapie nahelegen, lässt sich aus den Ergebnissen des Vergleichs somit nicht herauslesen. Zumindest kann damit künftigen randomisierten Studien zum möglichen Nutzen einer primärpräventiven ICD-Therapie bei HFrEF in heutiger Zeit mit einem gewissen Optimismus entgegengesehen werden.

Literatur

Aktas M:  The benefit of an implantable cardioverter-defibrillator in heart failure patients treated with empagliflozin: an analysis from the EMPEROR-Reduced trial. Kongress der Heart Rhythm Society (HRS), 29. April bis 1. Mai 2022, San Francisco

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