Erstmals gezeigt: Linksventrikuläre Leitungsstörungen sind vermeidbar
Linksventrikulären Leitungsstörungen lässt sich anscheinend durch eine intensive Blutdrucksenkung wirksam vorbeugen. Dafür sprechen aktuelle Ergebnisse einer Subanalyse der viel diskutierten SPRINT-Studie.
Die Entwicklung von intraventrikulären Reizleitungsstörungen wie Linksschenkelblock oder faszikuläre Blockierungen ist präventiv beeinflussbar. Das konnte jetzt erstmals in einer Studie der SPRINT-Arbeitsgruppe gezeigt werden.
Danach hatten Patienten mit Hypertonie, bei denen eine intensive Senkung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter 120 mmHg das Ziel war, ein signifikant niedrigeres Risiko für entsprechende Leitungsstörungen als Patienten mit antihypertensiver Standardtherapie. Dr. Katrine Emilie Frimodt-Møller von der University of California in San Francisco hat die Ergebnisse der Studie jüngst beim Kongress der Heart Rhythm Society 2022 in San Francisco vorgestellt.
Kontroverse SPRINT-Studie als Datenbasis
Zur Erinnerung: In der vorzeitig gestoppten und 2015 publizierten US-amerikanischen SPRINT-Studie waren zwei unterschiedliche Strategien der Blutdrucksenkung bei Hypertonie verglichen worden. Gezeigt wurde, dass eine intensivere Blutdrucksenkung auf systolische Zielwerte unter 120 mmHg (im Mittel auf 121,4 mmHg) im Vergleich zu einer standardgemäßen Senkung auf Werte unter 140 mmHg (im Mittel auf 136,2 mmHg) mit klaren Vorteilen einherging: Die Häufigkeit von Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, akute dekompensierte Herzinsuffizienz und kardiovaskulär bedingter Tod war signifikant um 25% niedriger als bei einer Standardtherapie. In Europa ist die kontrovers diskutierte SPRINT-Studie vor allem wegen der genutzten Methode der Blutdruckmessung auf eher skeptische Resonanz gestoßen.
Basis der von Frimodt-Møller präsentierten neuen SPRINT-Analyse bildeten die Daten von 3.918 Teilnehmern mit konventioneller Blutdrucksenkung und von 3.956 Teilnehmern mit intensiver Blutdrucksenkung. Die Studienteilnehmer (mittleres Alter: 67,6, 36% Frauen) waren im Schnitt über 3,5 Jahre nachbeobachtet worden. Bei regelmäßigen 12-Kanal-EKG-Kontrollen war auch nach dem möglichen Auftreten von linksventrikulären Leitungsstörungen wie Linksschenkelblock, linksanteriore bzw. linksposteriore faszikuläre Blockierung oder unspezifische intraventrikuläre Leitungsstörungen geschaut worden.
Risiko für Leitungsstörungen war relativ um 26% niedriger
Solche linksventrikulären Reizleitungsstörungen traten im Studienverlauf bei 203 Teilnehmern auf, in der Gruppe mit aggressiverer Blutdrucksenkung jedoch seltener (87 Fälle) als in der Gruppe mit antihypertensiver Standardtherapie (116 Fälle). Der Unterschied entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 26% durch die intensivere Blutdrucksenkung (Hazard Ratio: 0,74, 95%-KI: 0,56–0,98, p=0,038). Eine Korrelation der intensiveren Blutdrucksenkung mit aufgetretenen Rechtsschenkelblöcken als „negative Kontrolle“ bestand dagegen nicht (HR: 0,95, 95%-KI: 0,71–1,27, p=0,75).
Als nicht modifizierbare Faktoren waren ein höheres Lebensalter (HR: 1,04, 95%-KI: 1,02–1,05, p=0,001) und männliches Geschlecht (HR: 2,31, 95%-KI: 1,63–3,32, p=0,001) signifikant mit einem erhöhten Risiko für linksventrikuläre Leitungsstörungen assoziiert.
Die präsentierte Studie sei die erste, die „kausale Evidenz“ dafür liefere, dass linksventrikuläre Leitungsstörungen vermeidbar seien, heißt es in einer Pressemitteilung des Kongressveranstalters Heart Rhythm Society (HRS). „Vor unserer Studie gab es nur reine Beobachtungsstudien. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse die Forschung beflügeln werden, weiter nach beeinflussbaren Charakteristika von Leitungsstörungen zu fahnden und Interventionen zur Senkung des Risikos für Patienten zu untersuchen,“ äußert sich Studienleiter Dr. Gregory Marcus von der University of California in San Francisco.
Erklärt Reduktion der ventrikulären Wandbelastung die präventive Wirkung?
Die Studie wirft natürlich auch neue Fragen auf – nicht zuletzt die nach den der gezeigten präventiven Wirkung zugrunde liegenden Mechanismen. Die Studiengruppe um Marcus vermutet, dass hier vor allem die Reduktion der Wandbelastung („wall stress“) für den nach Blutdrucksenkung gegen einen verringerten Druck anpumpenden linken Ventrikel von Bedeutung sein könnte. Da der rechte Ventrikel den Belastungen durch arterielle Hypertonie nicht in gleichem Maße ausgesetzt ist, überrascht nicht, dass zwischen intensiver Blutdrucksenkung und Rechtsschenkelblöcken, die als „negative Kontrolle“ fungierten, kein Zusammenhang beobachtet wurde.
Literatur
Frimodt-Møller KE: Effect Of Intensive Versus Standard Blood Pressure Treatment On Incident Left-Ventricular Conduction Disease; Late Breaking Clinical Trials. Kongress der Heart Rhythm Society (HRS) 2022, 29. April – 1. Mai, San Francisco