Konsensus-Statement: Die Renale Denervation ist reif für die Praxis
Wie ist das interventionelle Verfahren der Renalen Denervation auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz in das heutige Management bei Patienten mit Hypertonie einzuordnen. Eine von zwei Fachgesellschaften initiierte Expertengruppe hat dazu jetzt ihre Einschätzungen in einem „Konsensus-Statement“ dargelegt.
Die Renale Denervation (RDN), deren blutdrucksenkender Effekt auf der Verödung von sympathischen Nervenfasern in der Nierenarterienwand basiert, kann heute als sichere und wirksame Methode im Spektrum der antihypertensiven Optionen bei Bluthochdruck angesehen werden. Sie ist gleichwohl keine Therapie für alle Patienten mit Bluthochdruck. RDN-Prozeduren sollten zudem nur an spezialisierten Zentren („centers of excellence”) vorgenommen werden, die bestimmte Voraussetzungen für die klinische Anwendung dieser Methode erfüllen.
Das ist der Tenor eines neuen Konsensusdokuments, das eine internationale Expertengruppe unter Leitung von Prof. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar im Namen des ESC Council on Hypertension und der European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI) verfasst hat.
Option bei „unkontrollierter resistenter Hypertonie“
Als Kandidaten für eine RDN-Behandlung werden darin primär Patienten mit „unkontrollierter resistenter Hypertonie“ (Blutdruck bei der Praxismessung ≥140/≥90 mmHg, bestätigt durch systolische Werte ≥130 mmHg bei ambulanter 24-Stunden-Messung oder ≥135 mmHg bei Messung am Tag) und eGFR-Werten von ≥40 ml/min/1,73 m2 erachtet. „Resistente“ Hypertonie bedeutet, dass die Blutdruckwerte trotz geeigneter Lebensstilveränderungen und der Einnahme von mindestens drei oder mehr Antihypertensiva (einschließlich eines Diuretikums) weiterhin im hypertensiven Bereich liegen.
Betont wird, dass die Diagnose einer entsprechenden „Resistenz“ zwingend den Ausschluss einer „pseudoresistenten Hypertonie“ (bedingt durch mangelnde Therapieadhärenz) sowie von sekundären Ursachen der Hypertonie erfordere. Sekundäre Ursachen können vor allem ein primärer Hyperaldosteronismus sowie renovaskuläre Erkrankungen oder chronische Nierenerkrankungen sein.
Plädoyer für „shared decision-making“
Auch als Option für Patienten, die antihypertensive Medikamente auf längere Sicht nicht vertragen, kommt die RDN nach Ansicht der Expertengruppe um Mahfoud in Betracht. Für die Entscheidung zur RDN sei eine Evaluierung des kardiovaskulären Gesamtrisikos der Patienten wichtig: Ein hohes Risiko favorisiere eine Entscheidung zugunsten der RDN.
Besondere Bedeutung wird im „Konsensus-Statement“ der aktiven Rolle der Patientinnen und Patienten im Entscheidungsprozess beigemessen. Sie müssten über Vorteile und Risiken der RDN eingehend informiert werden, um eine persönliche, an den eigenen Präferenzen und Wünschen ausgerichtete Entscheidung für oder gegen eine RDN treffen zu können („shared decision-making process“).
Von ärztlicher Seite sollte über die Indikation zur RDN in einem „multidisziplinären Hypertonie-Team“ aus Experten sowohl für Hypertonie als auch interventionelle Verfahren entschieden werden. Nicht jedes Katheterlabor sei per se für eine RDN-Behandlung geeignet. Um sich dafür zu qualifizieren, müssten die Zentren eine Reihe von Auflagen, die in dem Konsensusdokument aufgelistet werden, erfüllen. Dazu zählen unter anderem ein spezielles Training und die Gewährleistung, dass im Fall auftretender prozeduraler Komplikationen die dann nötigen Maßnahmen rasch getroffen werden können.
Das Bild hat sich in den letzten fünf Jahren gewandelt
Ein solches Bündel an Empfehlungen zur Implementierung der RDN in die Praxis wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Damals sah die Zukunft der RDN nicht gerade rosig aus. Unter dem Eindruck der enttäuschenden Symplicity-HTN-3-Studie war 2018 in die europäischen Hypertonie-Leitlinien die Aussage aufgenommen worden, dass „Device-basierte Therapien bei Hypertonie nicht für die Routinebehandlung empfohlen werden“ und auf klinische Studien beschränkt bleiben sollten, bis weitere Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit verfügbar sei.
Seit Publikation dieser Leitlinien seien mehrere qualitativ hochwertige, randomisierte, kontrollierte (sham controlled) Studien publiziert worden, die eine blutdrucksenkende Wirkung über 24 Stunden für die RDN-Behandlung mit Radiofrequenzstrom wie auch Ultraschall als Energieform bei einem breiten Spektrum von Patienten mit Hypertonie gezeigt haben, konstatieren Mahfoud und seine Mitautoren. Auf Basis dieser Studien sei von einer bis zu drei Jahre anhaltenden Senkung des Blutdrucks durch RDN auszugehen.
Kürzlich sind erstmals Studiendaten zur Blutdrucksenkung auf der Grundlage einer Follow-up-Dauer von bis zu zehn Jahren publiziert worden.
Die neueren Studien dokumentierten zudem die Sicherheit einer Device-gestützten Blutdrucksenkung durch RDN im Zeitraum von bis zu drei Jahren. Abgesehen von möglichen Problemen an der vaskulären Zugangsstelle für die Katheterintervention sei in dieser Zeit keine Zunahme von spezifischen Komplikationen wie Nierenarterienstenose oder Verschlechterung der Nierenfunktion beobachtet worden, heißt es im „Konsensus-Statement“.
Noch sind nicht alle Fragen geklärt
Ungeachtet ihrer in kontrollierten Studien bestätigten Wirksamkeit und Sicherheit seien mehrere Fragen im Zusammenhang mit der RDN noch zu klären, räumen die Autoren ein. Abgesehen von einem hohen Ausgangsblutdruck seien bisher keine spezifischen Patientencharakteristika, hämodynamische Parameter oder Biomarker identifiziert worden, die zuverlässige Voraussagen zum Ansprechen von Patienten auf die RDN-Behandlung ermöglichten. Zudem fehlten nach wie vor intraprozedural messbare Parameter, an denen sich unmittelbar ablesen ließe, wie erfolgreich die Nervenverödung war. Auch sei noch unklar, wie erfolgreich wiederholte RDN-Prozeduren bei Patienten mit persistierender Hypertonie nach Erstintervention sind.
Und natürlich steht auch noch die große Frage im Raum, ob es einer großen Studie für den Nachweis bedarf, dass die RDN nicht nur den Blutdruck, sondern auch klinische Ereignisse wie Schlaganfälle reduziert. Ein solches Projekt wäre jedenfalls eine gewaltige Herausforderung: Nach Berechnungen der Gruppe um Mahfoud wäre dafür eine Teilnahme von nahezu 20.000 Patientinnen und Patienten zu veranschlagen. Dass eine solche Studie je realisiert wird, ist kaum zu erwarten.
Braucht es auch eine große klinische Endpunktstudie?
Aber braucht es sie überhaupt? Die Autoren des Konsensuspapiers verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Blutdrucksenkung ein akzeptierter Surrogatmarker für eine Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität ist. Eine Metaanalyse individueller Daten von nahezu 345.000 Patienten aus 48 Studie zur medikamentösen Blutdrucksenkung habe gezeigt, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg mit einer relativen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen (major adverse cardiovascular events, MACE) um 10% assoziiert war. Derzeit spreche nichts dafür, dass sich der klinische Benefit unterscheiden würde, wenn zur Blutdrucksenkung eine antihypertensive Medikation, eine Device-basierte Therapie oder eine Kombination aus beidem genutzt wird.
Literatur
Barbato E. et al. Renal denervation in the management of hypertension in adults. A clinical consensus statement of the ESC Council on Hypertension and the European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI). European Heart Journal 2023; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad054