Neues Konsensuspapier: Blutdruck effektiver senken durch personalisiertes Training
Körperliche Aktivität noch wirksamer gegen Hypertonie einsetzen – das geht mit individuell auf den Ausgangsblutdruck zugeschnittenem Training, auch zur Prävention. Eine Auswertung von 34 Metaanalysen zeigt, welche Art von Training für welche Gruppe geeignet ist.
Schätzungen zufolge sind 40% aller kardiovaskulären Todesfälle in Europa Folge von Bluthochdruck. Es wird angenommen, dass 60% der Menschen weltweit bis 2025 von Hypertonie betroffen sind, sodass Gegenmaßnahmen dringend erforderlich sind. Bisher beinhalten Empfehlungen bestimmte Bewegungsmengen pro Woche, berücksichtigen jedoch nicht den Ausgangsblutdruck der Betroffenen.
Ein neues Konsensuspapier der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Vereinigung für Präventive Kardiologie (EAPC) liefert jetzt Anleitungen zur individuellen Blutdrucksenkung bei unterschiedlichen Zielgruppen.
Ein Forscherteam um Prof. Henner Hanssen von der Universität Basel wertete für das Konsensuspapier 34 Metaanalysen aus, in denen es um blutdrucksenkende Effekte von aerobem Ausdauertraining sowie dynamischem und isometrischem Krafttraining geht. Die Wissenschaftler stellten fest, dass ein individuell ausgerichtetes Trainingsprogramm eine stärkere Blutdrucksenkung erreichen kann als ein allgemeines und definierten basierend auf ihrer Analyse geeignete Übungen für Personen mit Hypertonie, hohem normalem und normalem Blutdruck. Für alle drei Gruppen schlagen sie die am besten geeignetsten Übungen zur Blutdruckreduktion vor.
Vielversprechend für Primär- und Sekundärprävention
Hanssen und Kollegen raten Patienten mit Bluthochdruck (mindestens 140/90 mmHg) zu aerobem Ausdauertraining wie Wandern, Joggen, Radfahren oder Schwimmen. Die Senkung die dadurch erreicht werden könne, sei vergleichbar oder sogar etwas größer als die Reduktion durch die Einnahme eines blutdrucksenkenden Medikaments, ergänzen sie. Sie empfehlen das Training für Hypertoniepatienten, bei denen eine Blutdrucksenkung von –4,9 bis –12 mmHg systolisch und –3,4 bis –5,8 mmHg diastolisch angestrebt wird.
Für Personen mit hohem normalem Blutdruck (130–139 / 85–89 mmHg) sei dynamisches Krafttraining am geeignetsten. Das sind Übungen, an denen typischerweise mindestens sechs große Muskelgruppen beteiligt sind, deren Kontraktionen zu Bewegungen führen, etwa Gewichtheben, Kniebeugen oder Liegestützen. Die Forscher um Hanssen empfehlen es bei angestrebten Blutdrucksenkungen von –3,0 bis –4,7 mmHg systolisch und –3,2 bis –3,8 mmHg diastolisch.
Personen mit normalem Blutdruck (unter 130/84 mmHg) profitieren der Studie zufolge am meisten von isometrischem Krafttraining. Dabei geht es um eine statische Kontraktion der Muskeln, wie etwa Übungen, um die Griffstärke der Hände zu verbessern. Menschen mit normalem Blutdruck, die ein erhöhtes Hypertonierisiko haben, seien möglicherweise besonders motiviert, ihre Werte niedrig zu halten, glauben die Forscher. Durch das isometrische Krafttraining sei eine Blutdrucksenkung von –5,4 bis –8,3 mmHg systolisch und –1,9 bis –3,1 mmHg zu erwarten. Diese Empfehlung basiere jedoch auf nur drei Metaanalysen, weitere Untersuchungen seien notwendig, um zu überprüfen, ob diese Gruppe von dieser Trainingsart tatsächlich mehr als von Ausdauertraining profitiere.
Alter, Komorbiditäten und Vorlieben berücksichtigen
Zu den Personen, die Bluthochdruck durch Training verhindern können, zählen Risikopatienten mit Übergewicht, Adipositas oder einem Elternteil mit Hypertonie, sowie Frauen, die während der Schwangerschaft erhöhte Blutdruckwerte hatten. „Bei allen Patienten sollten beim Verordnen eines Trainingsprogramms Alter, Komorbiditäten, individuelle Vorlieben und die verfügbare Infrastruktur berücksichtigt werden“, raten Hanssen und Kollegen. Es solle regelmäßig durchgeführt werden, idealerweise täglich, da der blutdrucksenkende Effekt, ähnlich wie bei Medikamenten, etwa 24 Stunden anhalte.
„Sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining gelten als wirksam und sicher für die Primär- und Sekundärprävention von Bluthochdruck. Trotzdem bleiben diese Mittel oft ungenutzt“, kritisieren die Forscher um Hanssen. Es sei jedoch möglich, diese Behandlungsstrategie einzusetzen, etwa durch motivierende Gespräche, individualisierte Übungen, genaue Anleitung und engmaschige Kontrolle.
Literatur
Hanssen H et al. Personalized exercise prescription in the prevention and treatment of arterial hypertension: a Consensus Document from the European Association of Preventive Cardiology (EAPC) and the ESC Council on Hypertension. European Journal of Preventive Cardiology. https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwaa141
ESC-Pressemitteilung: How to prevent and treat high blood pressure with exercise. 24.03.2021