Nachrichten 10.07.2020

Frühgeburt: Neuer Risikofaktor für koronare Herzkrankheit?

Frauen, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, haben laut einer großen Studie ein gesteigertes Risiko, im späteren Leben eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln, unabhängig von anderen Risikofaktoren.

Etwa 8,6% der in Deutschland geborenen Kinder sind Frühgeburten. Frühere Studien zeigten, dass die Mütter der Frühchen ein erhöhtes Risiko haben, später Bluthochdruck, Diabetes oder Hyperlipidämie zu entwickeln, was koronare Herzkrankheit (KHK) begünstigen kann. Über die Langzeitfolgen war jedoch wenig bekannt.

Studie mit mehr als zwei Millionen Teilnehmerinnen

Deshalb wollten Forscher um Dr. Casey Crump vom Mount Sinai Hospital in New York herausfinden, wie hoch das langfristige KHK-Risiko ist und wie es sich abhängig von der Schwangerschaftsdauer unterscheidet. Ihre Studie war die erste, die dabei auch den möglichen Einfluss familiärer, das heißt genetischer und sozialer Faktoren, berücksichtigte. Sie analysierten die Daten von fast 2.200.000 schwedischen Frauen, die zwischen 1973 und 2015 ein Kind bekommen hatten.

Bei fast 50.000 (2,3%) Teilnehmerinnen wurde eine KHK diagnostiziert. Innerhalb der zehn Jahre nach der Entbindung hatten die Frauen, deren Kinder zu früh (vor der 37. Woche) oder extrem früh (22.-27. Woche) zu Welt gekommen waren, ein etwa 2,5-fach bzw. 4-fach erhöhtes Risiko für KHK, verglichen mit Frauen mit einer normalen Schwangerschaftsdauer. Die Ergebnisse blieben auch konsistent, nachdem andere Faktoren wie Präeklampsie, Diabetes, hoher BMI und Raucherstatus berücksichtigt wurden.

Auch Geburten mit leicht vorzeitigem Termin (37.-38. Woche) waren noch mit einem circa 1,5-fach erhöhten Risiko assoziiert. Diese Risiken nahmen zwar mit der Zeit ab, blieben aber auch 30 bis 43 Jahre nach der Entbindung deutlich erhöht. Analysen mit Schwestern der Frauen, die auch Kinder bekommen hatten, deuten darauf hin, dass die Ergebnisse nicht auf gemeinsame genetische oder Umweltfaktoren in den jeweiligen Familien zurückzuführen sind.

Bis zu 43 Jahre Follow-up

Die Daten stammten aus dem schwedischen Geburtenregister. Die Frauen wurden bis zu 43 Jahre nachbeobachtet und nach Zeitpunkt der Geburt in folgende Gruppen geteilt: Extrem früh (22.-27. Woche), sehr früh (28.-33. Woche), früh (34.-36. Woche), leicht vorzeitig (37.-38. Woche), normal (39.- 41. Woche, Referenzgruppe) und spät (42 Wochen oder länger). Die Geschwisteranalysen wurden bei allen Frauen mit mindestens einer Schwester mit Kind durchgeführt (54%).

 „Frühgeburten sollten als unabhängiger Risikofaktor für KHK im späteren Leben anerkannt werden“, so Crump. „Die Beurteilung des kardiovaskulären Risikos bei Frauen sollte routinemäßig die Schwangerschaften umfassen, mit Frühgeburten und anderen Komplikationen. Frauen mit Frühgeburten in der Vorgeschichte können frühzeitige Präventionsmaßnahmen, die andere KHK-Risikofaktoren wie Adipositas, körperliche Inaktivität und Rauchen reduzieren, sowie Langzeitkontrollen rechtfertigen, um KHK rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.“

Die Assoziationen zwischen Frühgeburten und zukünftigem KHK-Risiko seien schwierig von potenziellen Störfaktoren wie Genetik oder sozialen Faktoren zu trennen gewesen, schreibt Dr. Anne Marie Valente vom Boston Children's Hospital in einem Begleitkommentar. „Eine Stärke der Studie ist, dass diese Einschränkung durch das Einbinden einer Geschwisteranalyse überwunden wurde“, ergänzt sie.

Literatur

Crump C et al. Pre-Term Delivery and Risk of Ischemic Heart Disease in Women. Journal of the American College of Cardiology 2020. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2020.04.072

Valente A et al. Pregnancy as a cardiac stress test. Journal of the American College of Cardiology 2020. https://doi.org/10.1016 / j.jacc.2020.05.017

ACC-Pressemitteilung: Preterm Delivery Increases Long-Term Risks of Ischemic Heart Disease in Women Throughout Their Life. 29.06.2020.

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