Nachrichten 23.02.2022

Koronare Bypass-OP: „Off-pump“-Strategie auf lange Sicht ohne Vorteil

Im Fall einer koronarchirurgischen Revaskularisation scheint eine Bypass-Operation mit Anwendung der Herz-Lungen-Maschine für die meisten Patienten die beste Option zu sein. Dafür sprechen aktuell publizierte 10-Jahres-Daten einer randomisierten Vergleichsstudie.

Ob koronare Bypass-Operationen mit oder ohne Unterstützung durch eine Herz-Lungen-Maschine („on-pump“ versus „off-pump“) durchgeführt wurden, machte in der randomisierten ROOBY Follow-up Study (ROOBY-FS) bezüglich der Gesamtmortalität auf lange Sicht keinen Unterschied. Wurden bei der Analyse allerdings zusätzlich zur Mortalität auch erneute revaskularisierende Eingriffe als Ereignisse mitberücksichtigt, ergab sich für diesen kombinierten Endpunkt nach zehn Jahren ein signifikanter Vorteil zugunsten der „On-pump“-Operationstechnik.

Mit Ausnahme von Risikopatienten mit Kontraindikationen gegen den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine etwa wegen stark verkalkter Aorta biete die „Off-pump“-Strategie für die meisten bypassoperierten KHK-Patienten im Vergleich zur traditionellen „On-pump“-Strategie langfristig keine klinischen Vorteile, schlussfolgern die ROOBY-FS-Autoren um Dr. A. Laurie Shroyer vom Northport Veterans Affairs Medical Center aus ihren Ergebnissen.

Randomisierte Studien verliefen enttäuschend

Die auch als OPCAB-Verfahren (off-pump coronary artery bypass) bezeichnete Bypass-Operation am schlagenden Herzen ohne Anwendung der Herz-Lungen-Maschine ist in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt worden. Auch in Deutschland wird die technisch anspruchsvolle und Expertise erfordernde Methode heute an vielen Herzkliniken als die schonendere Option angeboten.

Die Hoffnung auf bessere Behandlungsergebnisse durch Verzicht auf die Herz-Lungen-Maschine hat sich allerdings in den vorliegenden randomisierten Vergleichsstudien nicht erfüllt. Weder in der CORONARY-Studie noch in der deutschen GOP­CABE-Studie waren im Hinblick auf Mortalität, Herzinfarkte oder erneute Revaskularisationen nach fünf Jahren relevante Unterschiede zwischen „On-pump“- und „Off-pump“-Strategie zutage getreten.

Nach den 2016 publizierten 5-Jahres-Daten der ROOBY-FS-Studie war die Mortalität in der „Off-pump“-Gruppe sogar signifikant höher als in der „On-pump“-Gruppe (15,2% vs. 11,9%, p=0,02). Ein möglicher Grund könnte eine niedrigere Rate an kompletten Revaskulari­sierun­gen gewesen sein. Kritik ist allerdings an den im Vergleich zu den anderen Studien weniger strikten Anforderungen an die Erfahrungen der Operateure mit der „Off-pump“-Technik in ROOBY-FS geübt worden.

Nach zehn Jahren kein Unterschied bei der Mortalität

In den aktuell vorgelegten finalen 10-Jahres-Daten dieser Studie spiegelt sich ein Unterschied hinsichtlich der Mortalität jedoch nicht länger wider: Mit 34,2% (n = 378) in der „Off-pump“-Gruppe und 31,1% (n = 342) in der „On-pump“-Gruppe unterschieden sich die Mortalitätsraten im längeren Follow-up nicht mehr signifikant (Relatives Risiko: 1,05; 95%-KI: 0,99–1,11; p=0,12).

Beim „koprimären“ Endpunkt aus Mortalität und erneuten Revaskularisationen (PCI oder wiederholte Bypass-OP) ergab die Analyse dagegen einen signifikanten Unterschied: Hier war die mediane Zeit bis zum Erreichen dieses kombinierten Endpunktes mit 4,6 versus 5,0 Jahren in der „Off-pump“-Gruppe rund 4,3 Monate kürzer als in der „On-pump“-Gruppe (p=0,03).

Bezüglich sekundärer Endpunkte wie jegliche erneute Revaskularisation (p=0,39), perkutane Koronarintervention (PCI) nach Bypass-OP (p=0,66) und nochmalige Bypass-OP (p=0,05) bestanden keine Unterschiede zwischen beiden Operationsverfahren.

In die ROOBY-FS-Studie waren zwischen 2002 und 2007 an 18 Veterans-Affairs-Kliniken in den USA insgesamt 2.203 Patienten mit Indikation für eine koronare Bypass-Operation aufgenommen worden. Von den Studienteilnehmern – zu 99,5% männliche US-Veteranen – waren 1.104 per Zufallszuteilung der „Off-pump“-Gruppe und 1.099 der „On-pump“-Gruppe zugeordnet worden.

Selektion in Richtung Niedrigrisikopatienten

Autoren um Dr. Arnaldo Dimagli von der Cleveland Clinic in Cleveland, Ohio, machen in einem Begleitkommentar auf Limitierungen der ROOBY-FS-Studie etwa bezüglich der Patientenselektion aufmerksam. Nach ihrer Einschätzung sind für die Studie primär Low-risk-Patienten rekrutiert worden. Dagegen seien Patienten, die etwa wegen stark kalzifizierter Aorta ascendens möglicherweise von der „Off-pump“-Strategie profitiert hätten, in der Studie nicht präsent gewesen.

Literatur

Quin J.A. et al. Ten-Year Outcomes of Off-Pump vs On-Pump Coronary Artery Bypass Grafting in the Department of Veterans Affairs - A Randomized Clinical Trial. JAMA Surg. 2022; doi:10.1001/jamasurg.2021.7578

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