Grippeimpfung: Potenzielle kardiovaskuläre Vorteile überzeugen Impfmuffel

Die Zahl der durch Influenza und ihre Folgen bedingten Todesfälle zu senken, ist Ziel vieler Länder. Wie sich die Impfquote steigern lässt, zeigen Daten aus Dänemark. Auf positive Nebeneffekte für die Herzgesundheit hinzuweisen, war eine der erfolgreichsten Strategien.

Von Joana Schmidt

 

06.03.2023

Jedes Jahr sterben weltweit mehr als 500.000 Menschen an Influenza, besonders ältere und vorerkrankte Personen. Trotzdem sind die Impfraten in vielen Ländern zu niedrig. Wie lassen sich mehr Menschen zu einer Grippeimpfung motivieren, die sie vor einer Infektion und im Falle einer Ansteckung vor einem schweren Verlauf schützt? In einer großen, beim ACC-Kongress präsentierten Studie führten zwei von neun Maßnahmen zu einer höheren Impfquote.

 

In die NUDGE-FLU-Studie wurden fast 965.000 Dänen und Däninnen ab einem Alter von 65 Jahren einbezogen. Randomisiert erhielten sie keine oder eine von neun verschiedenen elektronischen Benachrichtigungen, in der sie über die bevorstehende Grippesaison und die Notwendigkeit einer entsprechenden Impfung informiert wurden. Ein Forscherteam um Dr. Niklas Dyrby Johansen vom Herlev and Gentofte Hospital in Kopenhagen untersuchte, welche Gruppen sich danach tatsächlich impfen ließen.

Persönliches Risiko motivierte mehr als kollektives Ziel

Die E-Mails unterschieden sich im Grad der Personalisierung und der Motivationsstrategie. Darunter waren eine simple Nachricht ohne persönliche Anrede, eine Standard-Information zu Influenza kurz vor Saisonbeginn plus eine kurze Erinnerung, sobald der Impfstoff verfügbar war, sowie eine Nachricht, in der ein Impftermin eingetragen werden konnte. Manche erhielten eine klare Impfempfehlung einer Gesundheitsbehörde, andere einen Appell, nicht Teil der Minderheit der Ungeimpften zu sein, wieder andere eine Aufforderung, sich der Mehrheit anzuschließen, um Influenza gemeinsam einzudämmen. Weitere Nachrichten wiesen auf die schützende Rolle der Impfung für die Person und ihre Angehörigen hin, warnten vor einer Gefahr für dieselben und erinnerten an potenzielle Zusammenhänge mit kardiovaskulären Ereignissen.

 

Verglichen mit der Standardbehandlung (keine Nachricht) zeigte sich bei zwei Strategien eine signifikant erhöhte Impfquote. In der Gruppe, die über die möglichen kardiovaskulären Vorteile der Impfung informiert worden war, lag sie bei 81% vs. 80,12% (p<0,0001). Unter den Personen, die zunächst auf die Grippeimpfung allgemein und danach auf die aktuelle Verfügbarkeit von Impfstoffen hingewiesen worden waren, betrug sie 80,85% vs. 80,12% (p=0,0006).

Erhöhte Impfrate über alle wichtigen Subgruppen hinweg

Die beiden Strategien verbesserten die Impfraten über alle wichtigen Subgruppen hinweg, einschließlich Personen mit und ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen. Die Nachricht, die auf Assoziationen mit dem kardiovaskulären Risiko verwies, war besonders effektiv bei Teilnehmenden, die sich in der vorherigen Saison nicht hatten impfen lassen. Dänemark hat mit mehr als 80% ohnehin eine der höchsten Grippeimpfraten, in den USA lag der Anteil trotz Aufklärungsmaßnahmen zuletzt bei 49%. In Deutschland waren in der Saison 2020/2021 nach Angaben des Robert-Koch-Instituts nur 47% der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft. Die Forschenden um Johansen vermuten, dass die Zunahme der Impfungen durch Erinnerungsnachrichten in Ländern mit niedriger Impfquote noch größer sein könnte.

 

Obwohl kleine Effektgrößen beobachtet wurden, ist eine E-Mail, in der steht, dass „die Grippeimpfung neben ihrem Schutz vor einer Influenza-Infektion auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Herzinsuffizienz zu schützen scheint“, eine unkomplizierte und kostengünstige Intervention. Der Arbeitsgruppe zufolge könnte sie dazu beitragen, grippebedingte Todesfälle und damit verbundene Komplikationen zu verhindern. 

 

Zu den Einschränkungen zählt, dass sich Dänen und Däninnen unentgeltlich gegen Influenza impfen lassen können, was nicht überall der Fall ist, und dass die Studie durch Sanofi finanziert wurde.


Literatur

Johansen N: A Nationwide Randomized Trial Of Electronically Delivered Nudges To Increase Influenza Vaccination Uptake: The NUDGE-FLU Trial. ACC-Kongress 2023, 4. – 6. März 2023, New Orleans.

 

Johansen N et al. Electronic nudges to increase influenza vaccination uptake in Denmark: a nationwide, pragmatic, registry-based, randomised implementation trial. The Lancet 2023. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00349-5

 

ACC-Pressemitteilung: Linking Flu Vaccination to Potential Cardiovascular Benefits Gets More People to Roll Up Their Sleeves. 05.03.2023.

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