Lipoprotein(a) – kausaler Faktor für kardiovaskuläre Erkrankungen?
Das Lipoprotein(a) ist einer jener neuen kardiovaskulären Risikofaktoren, die nicht nur prognostische, sondern auch therapeutische Bedeutung haben könnten. Doch hilft ein niedriges Lp(a) wirklich? Genetiker haben das jetzt bei Menschen mit Genvarianten analysiert.
Der Plasmabiomarker Lp(a) gilt als ein Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Entsprechend gibt es mittlerweile Bemühungen, Lp(a) medikamentös zu senken, um so das kardiovaskuläre Risiko günstig zu beeinflussen. Wie immer bei Risikomarkern wird aber auch beim Lp(a) diskutiert, ob es wirklich einen kausalen Zusammenhang gibt. Abschließend beantwortet ist diese Frage bisher noch nicht.
Genetiker können sie auch nicht definitiv beantworten. Sie können aber nach Hinweisen suchen, und zwar indem sie Varianten eines Gens im Hinblick auf den klinischen Phänotyp vergleichen. Das Paradebeispiel dafür ist LDL: Menschen mit bestimmten Genmutationen, die zu niedrigeren LDL-Spiegeln führen, haben erheblich weniger kardiovaskuläre Ereignisse. Das passt zu klinischen Studien mit LDL-senkenden Therapien, die kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren. Damit ist ein kausaler Zusammenhang zumindest sehr wahrscheinlich.
Ungünstige Lp(a)-Genetik geht auf Herz, Hirn, Niere und Extremitäten
Beim Lp(a) gibt es noch keine klinischen Studien, in denen Lp(a)-senkende Therapien einen Effekt auf kardiovaskuläre Endpunkte gehabt hätten. Dazu ist es derzeit noch zu früh. Um die genetischen Analysen hat sich ein internationales Konsortium unter Führung von Humangenetikern der Harvard Universität, Boston, und Biostatistikern der Universität von Pennsylvania jetzt aber bemüht.
Und die Ergebnisse sehen gut aus. In unterschiedlichen Datenquellen – der britischen Biobank, einigen genomweiten Assoziationsstudien und mehreren unabhängigen Patientenkohorten – wurden Personen identifiziert, für die Informationen zu kardiovaskulären Ereignissen, zu Lp(a)-Spiegeln und/oder zum Lp(a)-Genotyp vorlagen. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf vier Genotypen, von denen bekannt ist, dass sie Auswirkungen auf den Lp(a)-Serumspiegel haben.
Was dann folgte, waren komplexe statistische Modellierungen, mit deren Hilfe einerseits der Effekt der Gene auf den Lp(a)-Spiegel, andererseits der Zusammenhang zwischen Genen und einem breiten Spektrum an kardiovaskulären Ereignissen abgeschätzt wurde. In der Gesamtschau zeigte sich, dass Genvarianten, die zu niedrigeren Lp(a)-Spiegeln führen, mit niedrigeren Ereignisraten assoziiert waren, während Genvarianten, die Lp(a) erhöhten, mit höheren Ereignisraten assoziiert waren. Dies war „dosisabhängig“, das heißt je ungünstiger die Gene desto höher die Ereignisrate.
Gilt „the lower the better“ auch beim Lp(a)?
Das Besondere dieser Studie besteht darin, dass die Wissenschaftler sehr detailliert auf einzelne klinische Charakteristika geschaut haben. So konnten sie zeigen, dass eine genetische Verringerung von Lp(a) um eine Standardabweichung das KHK-Risiko um 29 %, das PAVK-Risiko um 31 %, das Schlaganfallrisiko um 13 %, das Herzinsuffizienzrisiko um 17 % und das Risiko einer Aortenstenose um 31 % reduziert. Es gab außerdem eine signifikante Assoziation mit einer besseren Nierenfunktion, nicht dagegen mit Typ-2-Diabetes oder Krebs. Wissen sollte man, dass eine Standardabweichung in dieser Studie mit 28 mg/dl relativ groß war. Der Normwert für die Lp(a)-Obergrenze wird üblicherweise mit 30 mg/dl angegeben.
Insgesamt sprechen die Daten nach Auffassung der Humangenetiker stark für eine kausale Bedeutung von Lp(a) für eine ganze Reihe kardiovaskulärer Erkrankungen. Sie sprächen auch für einen Dosiseffekt bei medikamentösen, Lp(a)-senkenden Therapien. Gilt „the lower the better“ also nicht für LDL, sondern vielleicht auch für Lp(a)?
Literatur
Emdin CA et al. Phenotypic Characterization of Genetically Lowered Human Lipoprotein(a) Levels. J AM Coll Cardiol. 2016 Dec 25; doi: 10.1016/j.jacc.2016.10.033