Warum eine frühe Ticagrelor-Monotherapie nach PCI von Vorteil ist
Wird nach perkutaner Koronarintervention frühzeitig von dualer Plättchenhemmung auf eine Ticagrelor-Monotherapie umgestellt, verringert sich die Gefahr von Blutungen – auch und gerade bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko.
Die sogenannte duale Antiplättchen-Therapie (DAPT) mit ASS plus einem P2Y12-Hemmer wie Prasugrel oder Ticagrelor hat sich als antithrombotische Standardtherapie nach perkutaner Koronarintervention (PCI) mit Stenteinlage gut bewährt. Probleme kann allerdings das damit assoziierte erhöhte Blutungsrisiko bereiten.
Schon seit längerem wird deshalb nach neuen Therapieregimen gesucht, mit denen sich das Blutungsrisiko ohne Verlust an antithrombotischem Schutz verringern lässt. Ein solches Regime ist in der TWILIGHT-Studie bei Patienten mit PCI erfolgreich getestet worden. TWILIGHT hat bekanntlich gezeigt, dass eine nach verkürzter, auf nur drei Monate beschränkter DAPT vorgenommene Umstellung auf eine Ticagrelor-Monotherapie unter Verzicht auf ASS das Blutungsrisiko in der Folge signifikant verringerte, ohne dass dafür eine Zunahme von ischämischen Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall in Kauf zu nehmen war.
TWILIGHT-HBR fokussiert auf Patienten mit hohem Blutungsrisiko
In TWILIGHT eingebettet war auch eine präspezifizierte Substudie (TWILIGHT-HBR), in der Sicherheit und Wirksamkeit der Ticagrelor-Monotherapie speziell bei einem Kollektiv von PCI-Patienten mit einem anhand zeitgemäßer Kriterien objektivierten hohen Blutungsrisiko untersucht worden sind.
Die TWILIGHT-Gruppe hat bei der Auswahl entsprechender Patienten für die Substudie die in einem Konsensus-Statement des Academic Research Consortium for High Bleeding Risk (ARC-HBR) definierten Kriterien für ein hohes Blutungsrisiko zugrunde gelegt. Die von Dr. Davide Cao von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, zuvor beim ESC-Kongress 2021 präsentierte TWILIGHT-HBR-Studie ist aktuell im „European Heart Journal“ publiziert worden.
Jeder sechste Teilnehmer hatte ein hohes Risiko
Unter insgesamt 6178 für die Analyse geeigneten Patienten, bei denen zuvor im Verlauf der dreimonatigen DAPT mit Ticagrelor plus ASS kein Ereignis aufgetreten war, waren 1064 (17,2%), die gemäß den ARC-Kriterien ein hohes Blutungsrisiko (HBR) aufwiesen.
Primärer Endpunkt waren Blutungen des Bleeding Academic Research Consortium (BARC)-Typs 2, 3 oder 5 im ersten Jahr nach randomisierter Zuteilung zur Ticagrelor-Monotherapie oder zur dualen Ticagrelor/ASS-Therapie. Die Inzidenz entsprechender Blutungskomplikationen war nach einem Jahr in der HBR-Subgruppe erwartungsgemäß signifikant höher als in der Nicht-HBR-Subgruppe (8,9% vs. 4,7%; Hazard Ratio [HR]: 1,95, 95% Konfidenzintervall [KI]: 1,54 - 2,48; p < 0,001).
Risikoreduktion durch Ticagrelor unabhängig vom HBR-Status
Die Umstellung auf die Ticagrelor-Monotherapie führte in der HBR-Subgruppe zu einer signifikanten Reduktion von Blutungen des BARC-Typs 2, 3 oder 5 im Vergleich zur dualen Plättchenhemmung mit Ticagrelor plus ASS (6,3% vs. 11,4%; HR: 0,53, 95% KI: 0,35 - 0,82; p = 0,004). Eine bezüglich der relativen Reduktion in etwa vergleichbare Abnahme von Blutungen wurde auch in der Nicht-HBR-Subgruppe beobachtet (3,5% vs. 5,9%; HR: 0,59, 95% KI 0,46 - 0,77). Gemessen am absoluten Unterschied war die Blutungsreduktion durch Ticagrelor-Monotherapie damit in der HBR-Subgruppe jedoch tendenziell größer als in der Non-HBR-Subgruppe (−5,1% vs. −2,3%, p= 0,130).
Auch eine auf schwerere Blutungen (BARC 3 oder 5) fokussierte Analyse ergab in der HBR-Subgruppe im Vergleich zur Nicht-HBR-Subgruppe eine um 3 Prozentpunkte stärkere absolute Risikoreduktion durch die Ticagrelor-Monotherapie (−3,5% vs. −0,5%; p = 0,008).
Die Inzidenz von ischämischen Ereignisse wie Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall (sekundärer Endpunkt) war mit 6,1% vs. 3,6% in der HBR-Subgruppe – nicht überraschend – deutlich höher als in der Non-HBR-Subgruppe (HR: 1,70, 95% KI: 1,27-2,26; p < 0,001). Bezüglich dieser Ereignisse bestand jedoch kein relevanter Unterschied zwischen antithrombozytärer Monotherapie mit Ticagrelor und dualer Therapie – unabhängig davon, ob die Patienten unter die HBR-Kategorie fielen oder nicht.
Absoluter Nutzen größer bei hohem Blutungsrisiko
Insgesamt zeige die TWILIGHT-HBR-Studie, dass der HBR-Kategorie zuzuordnende PCI-Patienten ein deutlich höheres Risiko sowohl für Blutungen als auch für ischämische Ereignisse haben als Patienten der Non-HBR-Kategorie, resümieren die Studienautoren. Eine Ticagrelor-Monotherapie verringere das Risiko für klinisch relevante Blutungen unabhängig vom HBR-Status der Patienten, ohne dass es zur Zunahme von ischämischen Ereignisse komme. Allerdings sei die absolute Reduktion schwerwiegender Blutungskomplikation durch Ticagrelor-Monotherapie bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko stärker ausgeprägt als bei Patienten mit Nicht-HBR-Status.
Literatur
Escaned J. et al.: Ticagrelor monotherapy in patients at high bleeding risk undergoing percutaneous coronary intervention: TWILIGHT-HBR. European Heart Journal 2021, ehab702, online 18. Oktober.