Online-Artikel 05.04.2016

Ischämische Herzinsuffizienz: Später Triumph der Bypass-OP

Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie und erniedrigter linksventrikulären Auswurffraktion leben länger, wenn sie eine Bypass-Operation erhalten. Sie gewinnen im Schnitt 18 Monate mehr an Lebenszeit. Das zeigen die 10-Jahres-Daten der STICH-Studie, die bei der ACC-Jahrestagung präsentiert wurden.

Die ursprünglich auf fünf Jahre angelegte STICH-Studie hatte bei 1.212 Patienten mit diffuser koronarer Mehrgefäßerkrankung und einer linksventrikulären Auswurffraktion von 35 % oder weniger die Bypassoperation mit einer optimalen medikamentösen Therapie verglichen. Eingeschlossen wurden Patienten ohne Hauptstammstenose und ohne schwerste Angina pectoris und damit Patienten, die für eine rein medikamentöse Therapie in Frage kamen.

Bisher wurde die STICH-Studie zusammen mit Studien wie COURAGE, BARI-2D und FAME-2 eher von Befürwortern einer rein medikamentösen Therapie ins Feld geführt. Denn in ihrem primären Endpunkt, der Gesamtsterblichkeit nach fünf Jahren, hatte es in dieser Studie zwar einen numerischen Vorteil für die operierten Patienten gegeben. Die statistische Signifikanz war aber nicht erreicht worden.

Signifikanter Überlebensvorteil nach 10 Jahren

Die Studienautoren hatten sich damals allerdings entschieden, die STICH-Studie als STICH Extension Study (STICHES) fortzuführen, um Langzeitergebnisse zu generieren. Und nach jetzt 9,8 Jahren der Nachbeobachtung ist tatsächlich ein deutlicher und auch statistisch signifikanter Überlebensvorteil zu erkennen: 58,9 % der Patienten in der Gruppe mit Bypass-Operation sind verstorben, gegenüber 66,1 % der Patienten in der Gruppe mit medikamentöser Therapie (p = 0,02).

„Das entspricht einer Number-needed-to-treat von 14“, sagte Studienleiter Prof. Eric Velazquez von der Duke University. „Im Mittel wird das Überleben durch die Operation um 18 Monate verlängert.“

Dieser Unterschied ist praktisch komplett auf die Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zurückzuführen (40,5 vs. 49,3 %; p = 0,006). Wurden Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Krankenhauseinweisungen gemeinsam ausgewertet, nahm der Vorteil für die operierten Patienten weiter zu (76,6 vs. 87,0 %; p < 0,001).

Velazquez betonte, dass die Ergebnisse als sehr solide anzusehen seien, weil es gelang, bei 98 % der Patienten das Follow-up abzuschließen. „Wir sind da sehr stolz drauf“, so der Herzchirurg. Insgesamt bestätige sich damit, dass Patienten mit ischämischer Herzerkrankung umso mehr von der Operation profitieren, je höher das individuelle Risiko ist.

Änderung der Leitlinien zu erwarten

In einem begleitenden Editorial im „New England Journal of Medicine“ schließen sich Prof. Robert A. Guyton und Prof. Andrew L. Smith von der Emory University School of Medicine in Atlanta dieser Einschätzung an. Es sei davon auszugehen, dass durch diese Daten die in den Leitlinien angegebene Evidenzstärke für die Bypass-Operation bei Patienten mit stark eingeschränkter Auswurffraktion von bisher IIb („kann erwogen werden“) auf IIa („wahrscheinlich nutzenbringend“) angehoben werde.

Welche Patienten profitieren?

Mehr noch als bisher werde es in Zukunft darauf ankommen, im interdisziplinären Team individuelle Therapieentscheidungen zu treffen, die das kardiovaskuläre Risiko und das Operationsrisiko gegeneinander aufwiegen, so die beiden Kommentatoren. Eher jüngere, zum Beispiel 60-jährige Patienten mit stark eingeschränkter EF seien wegen des niedrigen Operationsrisikos spätestens jetzt auch dann gute Kandidaten für einen Bypass, wenn sie keine Hauptstammstenose haben. Bei 70-jährigen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion gelten andere Überlegungen. Eine Diabeteserkrankung als Komorbidität wiederum verschiebe die Gewichte zugunsten des Eingriffs. 

Literatur

Velazquez EJ et al. Coronary-Artery Bypass Surgery in Patients with Ischemic Cardiomyopathy. New Engl J Med. 3. April 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1602001

Guyton RA, Smith AL. Coronary Bypass – Survival Benefit in Heart Failure. New Engl J Med. 3. April 2016; doi: 10.1056/NEJMe1603615

American College of Cardiology/MedPageToday “On the Scene”; Interview EJ Velazquez; 4. April 2016; ACC.16 STICHES Trial; https://www.youtube.com/watch?v=dXJYhW7oOA0