Kardiogener Schock: Milrinon im Direktvergleich so gut wie Dobutamin

Der Phosphodiesterase-III-Hemmer Milrinon ist in der Akuttherapie bei Patienten mit kardiogenem Schock klinisch nicht wirksamer als das synthetische Katecholamin Dobutamin, ergab der erste Direktvergleich beider Inotropika in einer randomisierten Studie.

Von Peter Overbeck

 

09.08.2021

Die kanadischen Autoren der DOREMI-Studie hatten auf Milrinon als „Sieger“ gesetzt: Um 20 Prozentpunkte, so die der Studienplanung zugrundeliegende Erwartung, würde die Rate an klinischen Ereignissen niedriger sein als bei inotroper Therapie mit Dobutamin. Doch am Ende gab es bezüglich diverser klinischer Endpunkte keine signifikanten Unterschiede in der Behandlung von Patienten im kardiogenem Schock zwischen beiden Behandlungsgruppen.

 

Die Ergebnisse der von einem Forscherteam um Dr. Benjamin Hibbert vom University of Ottawa Heart Institute in Ottawa initiierten DOREMI-Studie sind aktuell im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden.

Bei keinem Endpunkt gab es Unterschiede

Den primären Maßstab für den Vergleich beider Inotropika bildete ein kombinierter Studienendpunkt, der als klinische Ereignisse alle Todesfälle (In-Hospital), Wiederbelebung bei plötzlichem Herztod, mechanische Kreislaufunterstützung oder Herztransplantation, Myokardinfarkt, TIA oder Schlaganfall sowie initiierte Nierenersatztherapien umfasste. Mit 49% (Milrinon-Gruppe) versus 54% (Dobutamin-Gruppe) unterschieden sich die Raten für den primären kombinierten Endpunkt nicht signifikant (Relatives Risiko [RR]: 0,90; 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,69 – 1,19; p = 0,47).

 

Auch bezüglich der einzelnen Endpunktkomponenten, die als sekundäre Endpunkte definiert waren, unterschieden sich beide Behandlungsgruppen nicht. Dies gilt für die Endpunkte

 

- In-Hospital-Sterblichkeit: 37% vs. 43% (RR: 0,85, 95% KI: 0,60-1,21),

- Reanimation bei plötzlichem Herztod: 7% vs. 9% (Hazard Ratio [HR]: 0,78, 95% KI: 0,29-2,07),

- mechanische Kreislaufunterstützung oder Herztransplantation: 12% vs. 15% (HR: 0,78, 95% KI: 0,36-1,71),

- nicht-tödlicher Myokardinfarkt: 1% vs 0%,

- Schlaganfall oder TIA: 1% vs. 2% (HR: 0,50, 95% KI: 0,05-5,50) sowie

- Start einer Nierenersatztherapie: 22% vs. 17% (HR: 1,39, 95% KI: 0,73-2,67).

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Bezüglich der Verweildauer auf der Intensivstation sowie der Dauer der Behandlung mit Inotropika bestanden ebenfalls keine Unterschiede zwischen Milrinon- und Dobutamin-Behandlung.

 

Nach einem Screening von 319 Patienten auf potenzielle Eignung hatte die Gruppe um Hibbert zwischen September 2017 und Mai 2020 insgesamt 192 Patienten in die monozentrische DOREMI-Studie aufgenommen. Sie waren auf eine kardiologische Intensivstation (ICU) eingewiesen worden und befanden sich im kardiogenen Schock (gemäß Definition der Society for Cardiovascular Angiography and Interventions, SCAI, mit Schweregrad B-E). Von den Studienteilnehmern waren jeweils 96 per Randomisierung einer Behandlung mit Milrinon oder Dobutamin zugeteilt worden.

Besteht Grund zur Änderung der Praxis?

Was folgt aus der Studie für die Praxis? Eine Einschätzung dazu gab Prof. Holger Thiele vom Herzzentrum der Universität Leipzig auf Anfrage von kardiologie.org. Thiele ist unter anderem Erstautor eines Review-Updates zum Management bei kardiogenem Schock.

 

DOREMI sei „insgesamt sicher eine gute Studie“, so der Leipziger Kardiologe. Allerdings weise sie einige Limitationen wie das „Single Center“-Design auf, wodurch die Generalisierbarkeit der Ergebnisse beschränkt sei. Für unrealistisch hält Thiele die der statistischen „Power“-Kalkulation zugrunde gelegte Annahme einer Reduktion klinischer Ereignisse um 20 Prozentpunkte durch Milrinon. Was die Erwartung eines so großen Unterschieds im Vergleich zu Dobutamin rechtfertige, bleibe fraglich.

 

Für zumindest „ungewöhnlich“ hält Thiele den primären Studienendpunkt, der eine Kombination aus vielen unterschiedlichen klinischen Variablen darstellt. Warum gerade diese Kombination gewählt wurde und warum etwa Schlaganfall oder Nierenfunktionsverschlechterung als durch die Studienmedikamente potenziell beeinflusste Ereignisse im primären Endpunkt vertreten waren, sei unklar. Da zudem alle Formen von kardiogenem Schock eingeschlossen wurden, sei das Patientenkollektiv der Studie relativ inhomogen.

 

Thieles Fazit: Die DOREMI-Studie gibt keine Veranlassung zur Änderung der derzeitigen Therapiepraxis bei kardiogenem Schock. Sie bestätigt vielmehr die Empfehlungen der deutsch/österreichischen S3-Leitlinien, die Dobutamin als Inotropikum der Wahl präferieren, das billiger und – nach den neuen DOREMI-Ergebnissen - nicht schlechter als Milrinon ist.


Literatur

Mathew R. et al.: Milrinone as Compared with Dobutamine in the Treatment of Cardiogenic Shock. N Engl J Med 2021; 385:516-525.

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