Körperkühlung enttäuscht als Therapie bei kardiogenem Schock
Bei Patienten im kardiogenen Schock, die eine ECMO-Therapie erhalten, ist eine vorübergehende milde Körperkühlung (Hypothermie) keine erfolgversprechende Option zur Reduktion der Mortalität, wie die HYPO-ECMO-Studie nahelegt. Ein deutscher Experte kommentiert für uns deren Ergebnisse.
Das Konzept der milden therapeutischen Hypothermie („targeted temperature management“), bei dem die Körpertemperatur von Patienten zwecks Verhinderung hypoxischer Zellschädigungen für kurze Zeit auf 32 bis 34 °C gesenkt wird, hat innerhalb kurzer Zeit schon zum zweiten Mal in einer randomisierten Studie die Erwartungen nicht erfüllt.
Schon in der jüngst publizierten TTM2-Studie konnten durch temporäre Senkung der Körpertemperatur auf 33°C die Überlebensrate und der funktionelle Status bei komatösen Patienten, die nach Herzstillstand außerhalb der Klinik reanimiert worden waren, im Vergleich zur Routineversorgung nicht verbessert werden.
Obwohl sich das Patientenkollektiv der aktuell im Fachblatt „JAMA“ veröffentlichten HYPO-ECMO-Studie in einigen Aspekten von dem der TTM2-Studie unterschied, gleichen sich beide Studien im Ergebnis: Auch in der HYPO-ECMO-Studie, an der Patienten im kardiogenen Schock bei Einsatz von veno-arterieller extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) beteiligt waren, führte die therapeutische Körperkühlung zu keiner Reduktion der Mortalität.
Kein Unterschied bei der Mortalität nach 30 Tagen
In die an 20 Zentren in Frankreich durchgeführte Studie waren 374 intubierte Patienten mit kardiogenem Schock und veno-arterieller ECMO-Therapie aufgenommen und per Zufallszuteilung zwei Gruppen zugeordnet worden:
- In der Hypothermie-Gruppe wurde die Körpertemperatur der Patienten (n = 168) gleich nach der Randomisierung für 24 Stunden auf 33–34°C gesenkt.
- Bei den Patienten der Kontrollgruppe (n=166) war in dieser Zeit strikte Normothermie (36–37°C) gefordert.
Daten von 334 Patienten (mittleres Alter 58 Jahre, 24% Frauen) gingen in die primäre Analyse ein. Primärer Studienendpunkt war die Mortalität nach 30 Tagen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in der Hypothermie-Gruppe 71 Patienten (42%) und in der Kontrollgruppe mit Normothermie 84 Patienten (51%) gestorben. Dieser Unterschied stellte sich als nicht signifikant heraus (adjustierte Odds Ratio, aOR: 0,71; 95%-KI: 0,45–1,13, p=0,15).
Signifikantes Ergebnis nur bei einem sekundären Endpunkt
Für 30 von insgesamt 31 sekundären Endpunkten ergaben sich in der Studie keine schlüssigen Ergebnisse. Nur bei einem Endpunkt, der die Ereignisse Tod, Herztransplantation, notwendige Implantation eines Linksherzunterstützungssystems und Schlaganfall umfasste, wurde ein signifikanter Unterschied zugunsten der Hypothermie-Gruppe beobachtet (aOR: 0,61; 95%-KI: 0,39–0,96; p=0,03).
Angesichts breiter Konfidenzintervalle sei auf Basis der HYPO-ECMO-Daten die Möglichkeit, dass eine Strategie der milden therapeutischen Hypothermie doch mit einem moderaten klinischen Nutzen assoziiert ist, nicht sicher auszuschließen, urteilen die Studienautoren. Nach ihrer Einschätzung mangle es der Studie aber vermutlich an der nötigen statistischen Power, um solche möglichen therapeutischen Effekte aufdecken zu können.
Schon deutsche Pilotstudie hat enttäuscht
Deutsche Kardiologen um PD Dr. Georg Fürnau vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, und Prof. Holger Thiele vom Uniklinikum Leipzig hatten schon zuvor in einer kleinen Pilotstudie (SHOCK COOL) bei 40 Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock die milde therapeutische Hypothermie als Therapie bezüglich einer möglichen Verbesserung der kardialen Hämodynamik untersucht. Bereits diese randomisierte Studie war den Nachweis eines entsprechenden Nutzens schuldig geblieben.
Kommentar von Prof. Holger Thiele |
"Hypothermie kann nicht die Mortalität senken" Es ist erfreulich, dass wieder eine größere randomisierte Studie bei Patienten im kardiogenen Schock erfolgreich durchgeführt wurde und die Ergebnisse im JAMA hoch publiziert werden konnten. Die HYPO-ECMO-Studie hat einige Stärken, einschließlich eines multizentrischen randomisierten Designs, und mit dem Einschluss von 374 Patienten ist diese Studie jetzt die viertgrößte randomisierte Studie zum Thema kardiogener Schock nach der CULPRIT-SHOCK-Studie (n=706), IABP-SHOCK II-Studie (n=600) und der TRIUMPH-Studie (n=398). Etwas problematisch ist aber, dass es keine verblindete unabhängige Ereignisbewertung gegeben hat. Darüber hinaus hat die Studie eine sehr optimistische Stichprobengröße. Es ist sicherlich sehr unwahrscheinlich, dass der große Effekt (15% absolute Veränderung der Mortalität) in einem solchen Kollektiv von Patienten realisiert werden könnte. Jüngste Studien zum Thema Hypothermie haben eher zwischen 600 und 1.900 Patienten randomisiert, um relevante Ergebnisse erzielen zu können. Insofern ist das HYPO-ECMO-Ergebnis zusammen mit allen anderen neueren Studien zur Hypothermie nicht verwunderlich. Die Hypothermie kann nicht die Mortalität senken, egal in welchem Setting, ob mit oder ohne ECMO. Unsere eigene kleine Pilotstudie, die SHOCK-COOL-Studie bei Patienten im kardiogenen Schock ohne klassische Indikation zur Hypothermie, hat sogar gezeigt, dass die Patienten mit Hypothermie eine schlechtere Laktat-Clearance haben. Ein weiteres Problem der HYPO-ECMO-Studie ist der Einschluss eines sehr heterogenen Patientenkollektivs. In allen früheren randomisierten Studien wurden primär Patienten mit kardiogenem Schock nach akutem Myokardinfarkt eingeschlossen. Die Inklusion von Patienten mit ECMO CPR, die per se eine Indikation zum Temperaturmanagement haben, und auch von Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen, macht das Patientenkollektiv schwer vergleichbar. Es bleibt auch unklar, wieso reanimierte Patienten – wo die Indikation zum Temperaturmanagement nach Leitlinien gegeben ist – und nicht reanimierte Patienten eingeschlossen wurden. Das alles macht die Studie schwer interpretierbar. |
Literatur
Effect of Moderate Hypothermia vs Normothermia on 30-Day Mortality in Patients With Cardiogenic Shock Receiving Venoarterial Extracorporeal Membrane Oxygenation. A Randomized Clinical Trial; JAMA. 2022;327(5):442-53. doi:10.1001/jama.2021.24776