Körperkühlung nach Herzstillstand ohne Nutzen in großer Studie
Durch milde therapeutische Hypothermie mit temporärer Senkung der Körpertemperatur auf 33°C wird die Mortalität bei komatösen Patienten mit Herzstillstand im Vergleich zu einer Routineversorgung, bei der nur Fieber vermieden wird, nicht reduziert, zeigt die TTM2-Studie.
Internationale Leitlinien wie die des ERC (European Resuscitation Council) oder ILCOR (International Liaison Committee on Resuscitation) plädieren zwecks Neuroprotektion bei Patienten mit Herzstillstand außerhalb der Klinik trotz uneinheitlicher Studienlage für eine Hypothermie-Behandlung mit einer Zieltemperatur im Bereich von 32–36 °C. Diese Empfehlung gründet vor allem auf positiven Ergebnissen zweier randomisierter, kontrollierter Studien aus dem Jahr 2002, darunter die HACA-Studie.
Auch bei neurologischen Beeinträchtigungen kein Unterschied
Im krassen Gegensatz dazu stehen allerdings die aktuell publizierten Ergebnisse der im Vergleich zu vorangegangenen Studien wesentlich größere TTM2-Studie. Bezüglich der Mortalität sowie funktioneller Behandlungsergebnisse ergaben sich in dieser randomisierten Studie, an der 1.900 komatöse Patienten mit Herzstillstand beteiligt waren, keine Vorteile eines gezielten Temperaturmanagements (targeted temperature management, TTM) mit 33°C als Zieltemperatur gegenüber einer Routinebehandlung mit Normothermie:
- Nach sechs Monaten waren in der Hypothermie-Gruppe 465 von 925 Patienten (50%) gestorben, im Vergleich zu 446 von 925 Patienten (48%) in der Normothermie-Gruppe (Relatives Risiko: 1,04; 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,94 – 1,14; p=0,37).
- Eine mindestens höhergradige neurologische Beeinträchtigung (Werte auf der modifizierten Rankin-Skala ≥4) hatten nach sechs Monaten 488 von 881 Patienten (55%) der Hypothermie-Gruppe und 479 von 866 Patienten (55%) der Normothermie-Gruppe (Relatives Risiko: 1,00; 95% KI: 0,92 -1,09).
- Zu hämodynamischer Beeinträchtigung führende Arrhythmien traten in der Hypothermie-Gruppe signifikant häufiger auf als in der Normothermie-Gruppe (24% vs. 17%, p<0,001).
- Analysen von Daten aus präspezifizierten Subgruppen (u.a. Geschlecht, Alter, defibrillierbarer versus nicht-defibrillierbarer Herzrhythmus) zeigten konsistente Ergebnisse.
Die Resultate der TTM2-Studie stünden weitgehend im Einklang mit denen der 2013 publizierten TTM1-Studie, berichten die Studienautoren um Dr. Niklas Nielsen vom Helsingborg Hospital, Helsingborg, Schweden. In der viel diskutierten TTM1-Studie, in der die Patienten entweder auf eine Zieltemperatur von 33°C gekühlt (n = 473) oder aktiv bei einer Temperatur von 36°C gehalten worden waren (n = 466), resultierten am Ende keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
„Niedrige Wahrscheinlichkeit für klinische Verbesserung durch Hypothermie“
„Die kombinierten Ergebnisse der beiden Studien beinhalten eine niedrige Wahrscheinlichkeit für jegliche bedeutsame klinische Verbesserung durch Hypothermie im Vergleich zu Normothermie, da 36°C als Untergrenze der Normotherapie angesehen werden können“, konstatieren Nielsen und seine Mitautoren.
In die TTM2-Studie waren zwischen 2017 und 2020 in Europa, Australien und den USA insgesamt 1900 Personen mit vermutlich kardial verursachtem Kreislaufstillstand außerhalb der Klinik aufgenommen worden. Nach Zufallszuteilung war die Körpertemperatur bei den Teilnehmern in der Hypothermie-Gruppe für die Dauer von 28 Stunden stabil auf 33°C gesenkt worden, gefolgt von kontrollierter Wiedererwärmung. Patienten in der Normothermie-Gruppe wurden dagegen nur bei Auftreten von Fieber (Körpertemperatur ≥37,8°C) behandelt.
Ist die Studiengröße von Relevanz für konträre Ergebnisse?
„Unsere Ergebnisse stehen im Gegensatz zu denen von praxisverändernden, im Jahr 2002 publizierten Studien, in denen ein Nutzen der Hypothermie gezeigt wurde”, so die TTM2-Studienautoren. Ein Grund für die Diskrepanz könne sein, dass sich seit dieser Zeit die intensivmedizinische Standardversorgung so verändert hat, dass dies Auswirkungen auf den Effekt der Hypothermie-Behandlung gehabt hat.
Auch methodische Gründe könnten von Bedeutung für die gegensätzlichen Ergebnisse sein. So weisen die Autoren um Nielsen darauf hin, dass die Stichprobengröße ihrer Studie die der beiden kombinierten früheren Studien um mehr als das Fünffache übertrifft. Dadurch könnte in der TTM2-Studie das Risiko für Verzerrungen (Bias) und für Zufallsfehler (random error) geringer gewesen sein.
Literatur
Dankiewicz J. et al.: Hypothermia versus Normothermia after Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med 2021; 384:2283-2294. DOI: 10.1056/NEJMoa2100591