Paradox: Takotsubo trifft Jüngere viel heftiger

An einem Takotsubo-Syndrom leiden vor allem Frauen in der Postmenopause. Umso überraschender sind die Ergebnisse einer Registerstudie, demzufolge das Komplikationsrisiko ausgerechnet bei jüngeren und männlichen Patienten besonders hoch ist.

Von: Veronika Schlimpert

 

21.04.2020

Broken-Heart-Syndrom wird die Takostubo-Kardiomyopathie auch genannt– diese Bezeichnung impliziert bereits, dass es sich um eine Erkrankung des Herzens handelt, die durch ein emotional aufreibendes Ereignis ausgelöst wird und vor allem Frauen höheren Alters zusetzt.

 

Doch nun macht eine Auswertung des internationalen Takotsubo-Registers InterTAK deutlich, dass dieses Erkrankungsbild kein rein weibliches Phänomen ist. Die Analyse umfasst mehr als 2.000 Patientendaten, dokumentiert in einem Zeitraum zwischen 2011 und 2017.

Jeder zehnte Patient ist unter 50 Jahre alt…

Das erste überraschende Ergebnis: Gut jeder zehnte Takotsubo-Patient in diesem Register war unter 50 Jahre alt, und in dieser Altersgruppe waren mehr Männer betroffen als in den höheren Altersgruppen (nämlich 12,4%).

 

Diese Tatsache mache deutlich, dass das Takotsubo-Syndrom als Differenzialdiagnose bei Patienten jeglichen Alters in Betracht gezogen werden sollte, wenn der Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom bestehe, einschließlich junger Erwachsener und Kinder, resümierte Dr. Ilan Wittstein von der Johns Hopkins Universitiät in Baltimore, der die Ergebnisse in einem begleitenden Editorial kommentiert hat.

…und diese Patienten trifft es besonders heftig

Das zweite, besonders verblüffende Ergebnis ist, dass ausgerechnet bei jüngeren Takotsubo-Patienten die Kardiomyopathie häufiger atypisch und schwer verläuft, als dies bei älteren der Fall ist. Also genau das Gegenteil, was aus der Erfahrung  mit anderen kardiovaskulärer Erkrankungen zu erwarten wäre. Bekanntlich geht bei Herzinfarkt, Vorhofflimmern und Co ein hohes Alter mit einer schlechteren Prognose einher.

Kardiogener Schock häufig

Im InterTAK-Register entwickelten dagegen die ≤50-jährigen Teilnehmer häufiger einen kardiogenen Schock als die 51- bis 74-Jährigen bzw. die ≥ 75-Jährigen; (15,3% vs. 9,1% bzw. 8,1%). Sie benötigten aufgrund der Komplikationen öfter Katecholamin und Beatmungsunterstützung und mussten häufiger reanimiert werden.

 

Auch die intrahospitale Sterblichkeit war in der jüngeren Takotsubo-Patientenpopulation numerisch höher, allerdings nicht signifikant (6,6% vs. 3,6% bzw. 5,1%; p=0,07). Das männliche Geschlecht war signifikant mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert.  

 

Angesichts des bei jüngeren Patienten zu beobachtenden wesentlich ungünstigeren Erkrankungsverlauf in der Klinik raten die Studienautoren um Dr. Victoria Cammann, Universitätsklinik Zürich, diese offenbar besonders vulnerable Patientenpopulation streng zu überwachen und intensivmedizinisch zu betreuen.

Warum trifft es Jüngere heftiger?

Doch warum trifft diese Art der Kardiomyopathie ausgerechnet jüngere Menschen besonders heftig? Ein Aspekt fällt an den Registerdaten besonders ins Auge: Die Ausgangslage war in den jeweiligen Altersgruppen sehr unterschiedlich. Womöglich haben also bei jüngeren Patienten andere Faktoren zur Entstehung der Pumpschwäche beigetragen als bei älteren – die sich dann eher als schwere Verläufe äußerten. 

Andere Ausgangsbedingungen

So lässt sich bei jüngeren Patienten häufiger ein „Trigger“ – also z.B. ein emotionales Ereignis oder physikalische Stressoren – für die Entstehung der Kardiomyopathie ausmachen als bei älteren Patienten. Offenkundig ist auch die deutlich höhere Rate an akuten neurologischen und psychiatrischen Störungen bei den jüngeren Patienten, vor allem Epilepsie, Migräne-Attacken und Hirnblutungen kamen deutlich öfter vor als in den älteren Altersgruppen.

 

Für eine altersabhängige unterschiedliche Genese spricht zudem, dass jüngere Patienten zum Aufnahmezeitpunkt höhere Troponin-Konzentrationen aufgewiesen haben als ältere, auch ihre Herzfrequenz war im Mittel höher.

 

Ältere Patienten hingegen litten öfter an Vorhofflimmern, Bluthochdruck und wiesen häufiger eine ST-Streckenhebung auf.

 

„Es ist denkbar, dass die Unterschiede in den Baseline-Charakteristika zumindest teilweise zum schlechteren Outcome der jüngeren Takotsubo-Patienten beigetragen haben“, vermuten Cammann und Kollegen. Welche Pathomechnismen in den jeweiligen Altersgruppen und Geschlechtern vorwiegend involviert waren, sei allerdings unklar.

 

Eine Rolle könnte auch eine gewisse genetische Prädisposition, die ebenfalls mit der Entstehung der Takotsubo-Kardiomyopathie in Verbindung gebracht wird, spielen (mehr dazu lesen Sie hier).

 


Literatur

Cammann V et al. Age-Related Variations in Takotsubo Syndrome; J Am Coll Cardiol. 2020:75(16):1869-1877. DOI: 10.1016/j.jacc.2020.02.057

 

Wittstein I. Why Age Matters in Takotsubo Syndrome. J Am Coll Cardiol. 2020 Apr, 75 (16):1878-1881; DOI: 10.1016/j.jacc.2020.03.030

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