Wirkt neues Kardiomyopathie-Medikament bei allen Patienten gleich gut?
Mit Tafamides steht erstmals eine spezifische Therapie zur Behandlung der ATTR-Kardiomyopathie zur Verfügung. Bei dieser Erkrankung gibt es allerdings zwei Formen, eine davon mit schlechteren Voraussetzungen, was die Wirksamkeit des Medikaments theoretisch beeinflussen könnte.
Patienten mit einer erblichen Form der ATTR-Kardiomyopathie haben in der Regel eine schlechtere Prognose als jene, bei denen die Erkrankung im Alter entstanden ist, die sog. Altersamyloidose.
Nichtsdestotrotz, auch für Patienten mit der hereditären Variante gibt es gute Nachrichten: Denn das seit Februar 2020 zugelassene Medikament Tafamides wirkt bei beiden Kardiomyopathie-Formen gleich gut. Zu diesem Schluss kommen die Studienautoren der Phase 3-Studie ATTR-ACT, nachdem sie die Wirkung der Substanz differenziert für beide Patientengruppen in Rahmen einer präspezifizierten Analyse nachträglich ausgewertet haben.
„Diese Daten stärken die Evidenz, dass Tafamides eine effektive Therapie für alle Patienten mit einer ATTR-Kardiomyopathie ist, unabhängig vom Genotyp“, schreiben Prof. Claudio Rapezzi und Kollegen in der Publikation.
Zwei Formen der ATTR-Kardiomyopathie
Eine ATTR-Kardiomyopathie entsteht durch Ablagerungen des Transthyretin-Proteins (TTR) im Herzen. Zu einer solchen Akkumulation kommt es entweder, weil das Protein mutiert ist – die sog. hereditäre ATTR-Kardiomyopathie (ATTRv) – oder getriggert durch Alterungsprozesse – die Wildtyp-ATTR (ATTRwt) – die vor allem ältere Männer betrifft und deshalb auch Altersamyloidose genannt wird.
Tafamides stabilisiert das TTR-Protein und verhindert bzw. verlangsamt dadurch die Fibrillenbildung. In der Phase-3-Studie ATTR-ACT hat sich das Medikament gegenüber Placebo als wirksam herausgestellt. Die Ergebnisse wurden beim ESC-Kongress 2018 vorgestellt und als Durchbruch bezeichnet, weil es damit jetzt erstmals ein spezifisch wirksames Medikament für diese Erkrankung gibt (die Details lesen Sie hier).
Tafamides wirkt bei erblicher ATTR genauso gut
Die jetzt veröffentlichte präspezifizierte Sekundäranalyse der ATTR-ACT-Studie macht deutlich, dass das Medikament bei beiden Erkrankungsformen gleich gut wirkt. Egal ob die Patienten an einer Wildtyp-ATTR (insgesamt 335 Probanden) oder der erblichen Form erkrankt (n= 106) waren, der Effekt der Behandlung auf das Sterberisiko war derselbe (Hazard Ratio, HR: 0,706 für ATTRwt; HR: 0,690 für ATTRv). Keinen Unterschied bei der Wirksamkeit gab es auch bzgl. funktioneller Parameter, Lebensqualität und des Gesundheitsstatus der Patienten.
Doch an der aktuellen Auswertung werden auch die Unterschiede beider Erkrankungsformen offenkundig: So schritt die Erkrankung bei den Patienten mit der erblichen ATTR-Kardiomyopathie ohne Behandlung schneller fort als bei Patienten mit der Wildtyp-Form, was sich an den Ergebnissen in den jeweiligen Placebo-Gruppen gezeigt hat. Ein Grund dafür könnte laut der Studienautoren sein, dass die Erkrankung bei den Patienten mit hereditärer ATTR-Variante zu Studienbeginn schon stärker fortgeschritten war.
Wirkung scheint besser bei früher Diagnose
Mit Blick auf die Ausgangsbedingungen konnten Rapezzi und Kollegen dann doch einen Faktor ausmachen, der die Wirkweise der neuen Therapie zu beeinflussen mag: „Die Effizienz von Tafamides scheint größer zu sein bei Patienten mit einer weniger schweren Erkrankung zu Studienbeginn (gemessen an der NYHA-Klasse)“, berichten die Kardiologen von der Universität von Ferrara. Dieser Befund verdeutliche, wie wichtig eine frühe Diagnose und Behandlung der Erkrankung sei.
Limitiert wird die Aussagekraft der Ergebnisse durch die geringen Patientenzahlen, vor allem bei der hereditären ATTR-Kardiomyopathie, die viel weniger vertreten war als die Wildtyp-ATTR. Das erklärt auch, warum die Reduktion der Gesamtsterblichkeit durch Tafamides über die Gesamtzahl der Patienten hinweg signifikant war, nicht aber in den jeweiligen Genotyp-Subgruppen (p = 0,0832 für ATTRwt und p = 0,1883 für ATTRv).
Literatur
Rapezzi C et al. Efficacy of Tafamidis in Patients With Hereditary and Wild-Type Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy: Further Analyses From ATTR-ACT. J Am Coll Cardiol Heart Fail. 2020. Epublished DOI: 10.1016/j.jchf.2020.09.011