Online-Artikel 14.07.2015

Kognitive Funktion: Hoher Blutzucker geht aufs Gehirn

Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickeln rascher kognitive Defizite als andere Menschen. Eine Studie zeigt, dass dies mit Störungen der zerebralen Durchblutung und mit entzündlichen Veränderungen einhergeht.

Für ihre Studie haben Ärzte um die Neurologin Dr. Vera Novak vom Beth Israel Medical Center in Boston 65 Probanden rekrutiert und zwei Jahre begleitet. 35 Studienteilnehmer hatten einen Typ-2-Diabetes, die anderen dienten als Kontrollgruppe. Zu Studienbeginn und nach zwei Jahren wurde jeweils ein 3T-MRT aufgezeichnet, mit dem die zerebrale Durchblutung und die Funktionsfähigkeit der Hirngefäße abgeschätzt werden konnten. Zusätzlich wurden regelmäßig Entzündungsparameter gemessen, und die Probanden mussten neuropsychologische Tests absolvieren.

Gefäßfunktion leidet

Bereits nach dem relativ kurzen Zeitraum von zwei Jahren zeigte sich, dass die Gefäßfunktion in der MRT-Messung bei den Diabetespatienten signifikant stärker abgenommen hatte als bei den Kontrollprobanden. Dies ging einher mit einem signifikant stärkeren Abfall der kognitiven Leistungen in mehreren neuropsychologischen Tests, wobei die Diabetespatienten bereits zu Studienbeginn in den Tests insgesamt schlechter abgeschnitten hatten.

Interessant waren dann die detaillierten Laboranalysen: Erhöhte Entzündungsparameter (Cortisol, CRP) sowie erhöhte Parameter für Schäden an Blutgefäßen zu Studienbeginn waren bei den Diabetespatienten, nicht aber in der Kontrollgruppe mit Verschlechterungen von Hirndurchblutung und Kognition assoziiert. Und höhere HbA1c-Werte zu Beginn sagten ebenfalls Funktionsstörungen der Blutgefäße voraus. Ob der Diabetes dagegen im Studienzeitraum gut oder schlecht eingestellt war, machte zumindest über die untersuchten zwei Jahre keinen Unterschied.

Dass eine Diabeteserkrankung sich bei einigen, aber nicht allen Patienten ungünstig auf die Kognition auswirkt, wurde schon aus anderen Untersuchungen wiederholt berichtet. Ein aktuelles Beispiel ist die französische Aquitaine-Studie, an der 400 HIV-Infizierte teilgenommen hatten.

Rascherer kognitiver Leistungsabfall

In dieser Studie zeigten Patienten mit Diabetes oder Prädiabetes, nicht aber Patienten mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren, schlechtere kognitive Leistungen und einen rascheren kognitiven Leistungsabfall. Nach der Bostoner Studie stellt sich jetzt die Frage, ob mit Messungen der Gefäßfunktion nicht jene Patienten zu einem relativ frühen Zeitpunkt identifiziert werden könnten, bei denen kognitive Verschlechterungen drohen.

Literatur

Chung CC et al. Inflammation-associated declines in cerebral vasoreactivity and cognition in type 2 diabetes. Neurology. 2015 Jul 8. doi: 10.1212/WNL.0000000000001820

Dufouil C et al. Diabetes and cognitive decline in a French cohort of patients infected with HIV-1. Neurology. 2015 Jul 8. doi: 10.1212/WNL.0000000000001815