Verlängerte VTE-Prophylaxe: Rivaroxaban deutlich besser als ASS
In einer neuen Studie bei Patienten mit venöser Thromboembolie hat sich der Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban in zwei unterschiedlichen Dosierungen einer Rezidivprophylaxe mit ASS in der verlängerten Nachbehandlung als jeweils klinisch überlegen erwiesen. Das Blutungsrisiko war in allen drei Behandlungsgruppen niedrig und nahezu gleich.
Wird bei Patienten, die eine venöse Thromboembolie (VTE) ohne erkennbare auslösende Faktoren erlitten haben, die prophylaktische Antikoagulation nach sechs bis 12 Monaten abgesetzt wird, ist mit einem Risiko für wiederkehrende thrombotische Ereignisse von bis zu 10% zu rechnen.
Dass eine verlängerte Sekundärprophylaxe mit Antikoagulanzien wirksam ist, haben Studien wiederholt belegt, so etwa die EINSTEIN-Extension-Studie. In dieser Studie wurde durch eine verlängerte Therapie mit Rivaroxaban (20 mg/Tag) bei Patienten, die vorher schon über sechs oder 12 Monate gerinnungshemmend behandelt worden waren, im Vergleich zu Placebo das Risiko für das erneute Auftreten einer symptomatischen VTE signifikant verringert. Gleichwohl wird in der Praxis häufig auf eine Fortsetzung der Antikoagulation etwa aus Angst vor möglichen Blutungen verzichtet und stattdessen Acetylsalicylsäure verordnet.
Vergleich mit ASS bei 3365 Patienten mit VTE
Vor diesem Hintergrund ist die randomisierte Studie EINSTEIN-CHOICE geplant worden, an der 3365 Patienten mit objektivierter proximaler tiefer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie beteiligt waren. In rund 60% aller Fälle handelte es sich um spontan aufgetretene, unprovozierte VTE, in 40% standen sie in Zusammenhang mit relevanten Risikofaktoren. Alle Teilnehmer waren zuvor bereits für die Dauer von sechs bis 12 Monaten wegen des ursprünglichen VTE-Ereignisses mit Antikoagulanzien behandelt worden.
Es handelte sich um Patienten, bei denen in der Frage einer fortgesetzten Prophylaxe eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko zu treffen war. VTE-Patienten mit klarer Indikation für eine dauerhafte Antikoagulation waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
Mit der EINSTEIN-CHOICE-Studie sollte geklärt werden, ob sich durch Reduktion der Rivaroxaban-Dosis von 20 mg auf 10 mg einmal täglich das Blutungsrisiko ohne Abstriche an der Wirksamkeit minimieren lässt und ob beide Rivaroxaban-Dosierungen besser vor VTE-Rezidiven schützen als ASS.
Die Ergebnisse könnten dabei helfen, die gerinnungshemmende Behandlung künftig besser dem individuellen Risikoprofil der Patienten anzupassen. Vorgestellt hat sie Dr. Phil Wells von der University of Ottawa in einer „Late-Breaking Clinical Trials“-Sitzung beim ACC-Kongress in Washington DC.
Beide Rivaroxaban-Regime überlegen
Primärer Endpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit war die Inzidenz von wiederkehrenden symptomatischen tödlichen und nicht tödlichen VTE. Im medianen Behandlungszeitraum von knapp einem Jahr wurden in den beiden Rivaroxaban-Gruppen 17 Ereignisse (1,5%) bei Gabe von 20 mg/Tag und 13 Ereignisse (1,2%) bei Gabe von 10 mg/Tag beobachtet, im Vergleich zu 50 Ereignissen (4,4%) im ASS-Arm der Studie. In Relation zur ASS-Therapie wurde damit das Risiko für VTE-Rezidive durch eine verlängerte Antikoagulation mit Rivaroxaban um 66% (20-mg-Dosis) und um 74% (10-mg-Dosis) reduziert.
Die Inzidenz von klinisch relevanten Blutungen war mit 0,5% (20 mg), 0,4% (10 mg) und 0,3% (ASS 100 mg) in allen drei Behandlungsgruppen niedrig.
Neue Option für verlängerte VTE-Prophylaxe
Im Vergleich zur ASS-Prophylaxe müssen 33 Patienten mit Rivaroxaban 20 mg oder 30 Patienten mit Rivaroxaban 10 mg jeweils ein Jahr lang behandelt werden, um ein VTE-Rezidivereignis zu verhindern, so der von Wells beschriebene absolute Nutzen der beiden Rivaroxaban-Behandlungen. Nach seiner Ansicht ist durch EINSTEIN-CHOICE nun mit Rivaroxaban 10 mg einmal täglich eine zusätzliche Option für die verlängerte Rezidivprophylaxe nach VTE aufgezeigt worden – die allerdings wohl nicht für alle VTE-Patienten infrage kommt. Denn Patienten mit klaren Indikationen für eine verlängerte VTE-Prophylaxe waren von der Studie ausgeschlossen. Bei ihnen sollte auch weiterhin wohl besser die volle Antikoagulation mit Rivaroxaban 20 mg einmal täglich gewählt werden, so Wells.
Literatur
Wells P.: EINSTEIN- CHOICE. Rivaroxaban or Aspirin for Extended Treatment of Venous Thromboembolism, Late-Breaking Cinical Trials II, ACC-Kongress 2017, Washington DC, 17. – 19. März 2017.
Simultan publiziert in: N Engl J Med. 2017, online 18. März 2017