Plötzlicher Herztod: Kalziumscore könnte Risikopatienten identifizieren
Ein Herzstillstand kommt oft unerwartet. Das Risiko lässt sich im Voraus schwer abschätzen. Nun legt eine Analyse nahe, dass die Bestimmung des Koronarkalks helfen könnte, gefährdete Patienten aufzuspüren.
Ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod lässt sich womöglich anhand des koronaren Kalziumscores (CAC) erkennen. Eine entsprechende Assoziation zeigten sich jedenfalls in einer großen retrospektiven Analyse, deren Ergebnisse aktuell im JACC erschienen sind und beim ACC-Kongress 2022 im Rahmen einer Abstract-Session vorgestellt werden. Je höher der CAC, desto höher war das Risiko der teilnehmenden Patienten, einen plötzlichen Herztod zu erleiden. Der zu beobachtende Zusammenhang war unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren und demografischen Aspekten und er kristallisierte sich bereits in einem frühen Stadium der Krankheitsentstehung heraus. Denn die Patienten hatten zu Studienbeginn alle noch keine arteriosklerotischen Vorerkrankungen.
Koronarkalk bekannter Marker für subklinische Artherosklerose
Ganz unerwartet sind die Beobachtungen trotz allem nicht. Zum einen ist bekannt, dass eine koronare Herzerkrankung in den meisten Fällen die Ursache eines plötzlichen Herztodes darstellt – in bis zu 80% der Fälle, wie die Studienautoren um Prof. Alexander Razavi in der Publikation berichten. Zum anderen ist der CAC-Score ein bekannter Marker für das Vorhandensein einer subklinischen Atherosklerose. Die Höhe des Koronarkalks korreliert stark mit dem späteren Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen. In der Primärprävention wird die Bestimmung des Koronarkalks mittels Koronar-CT deshalb in den Leitlinien ab einem Alter von 40 Jahren zur Abschätzung des 10-Jahres-Risikos als sog. Risikomodifizier empfohlen (s. Präventions-Leitlinie). Unklar ist allerdings, ob sich durch den CAC auch das Risiko speziell für einen plötzlichen Herztod abschätzen lässt.
Um das herauszufinden, haben Razavi und Kollegen Daten aus der CAC Consortium-Studie, im Rahmen derer Zusammenhänge zwischen Koronarkalk und langfristigen prognostischen Faktoren untersucht werden, ausgewertet. 66.636 bis dato kardiovaskuläre gesunde Patientinnen und Patienten, bei denen der CAC mittels Koronar-CT (nach Agatston) bestimmt wurde, gingen in ihre Analyse ein. Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 54,4 Jahre, 33% waren Frauen. Im Mittel sind sie 10,6 Jahre nachbeobachtet worden. In dieser Zeit kam es zu 211 plötzlichen Herztoden.
Je höher der CAC, desto höher das Risiko
Dabei zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen den anfangs gemessenen CAC und dem anschließenden Risiko für einen Herztod. Bei Scores von 100–399, 400–999 und > 1000 war das Risiko für die betroffenen Probanden um das 2,8- bis 4,9-Fache höher als das von Personen mit einem CAC von 0. Das Risiko erhöhte sich schrittweise mit Anstieg des CAC, diese Assoziation zeigte sich nach Adjustierung auf traditionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren und demografische Faktoren (p-trend ˂ 0,001).
Die Autoren prüften daraufhin, inwieweit die Hinzunahme des CAC zu gängigen Risikoscores (in diesem Fall der ASCVD Risk Score) die Vorhersage bzgl. des Auftreten eines plötzlichen Herztodes verbessern kann. Demzufolge scheint die Bestimmung des Koronarkalks vor allem bei Personen mit einem niedrigen bis mittleren 10-Jahres-Risiko (˂ 7% bzw. 7,5%–20%) einen Mehrwert zu bringen (Anstieg der C-Statistik + 0,046 bzw. +0,069; p=0,02 bzw. p=0,003). Bei Patienten in der höchsten Risikokategorie (> 20%) brachte die Koronarkalk-Bestimmung via Koronar-CT keine signifikante Verbesserung der Herztod-Vorhersage im Vergleich zur alleinigen Abschätzung mittels ASCVD-Risikoscore.
Koronarkalk-Bestimmung schon in frühen Stadien?
„Im Widerspruch zu den aktuellen klinischen Paradigmen könnte eine Risikostratifizierung für den plötzlichen Herztod durch die Quantifizierung kalzifizierter atherosklerotischer Plaques in sehr frühen Stadien einer koronaren Herzerkrankung am nützlichsten sein“, schließen die Studienautoren aus ihren Daten. Dann, so hoffen die US-Mediziner, könne der CAC über die Sinnhaftigkeit weiterer Diagnostikverfahren wie genetischer Untersuchungen oder anderer Bildgebungsverfahren Aufschluss geben. Um die Kalziumscore-Bestimmung als „Gatekeeper“ für eine weiterführende Diagnostik in dieser Indikation voranzubringen, bedürfe es aber weiterer Studien, machen sie deutlich. Denn die aktuelle Studie hat relevante Limitationen: einmal das retrospektive Design (nur Assoziationen, keine Kausalität!), zum anderen war die Ereignisrate relativ gering, wodurch die statistische Power limitiert ist.
Literatur
Razavi A et al. Coronary Artery Calcium for Risk Stratification of Sudden Cardiac Death: The Coronary Artery Calcium Consortium; J Am Coll Cardiol Img. 2022. DOI: 10.1016/j.jcmg.2022.02.011
Razavi A: CORONARY ARTERY CALCIUM FOR RISK STRATIFICATION OF SUDDEN CARDIAC DEATH:THE CORONARY ARTERY CALCIUM CONSORTIUM; American College of Cardiology 2022 Scientific Session. Abstract 1032-07, 2. April 2022 in Washington