Herzstillstand: Jeder zehnte Überlebende hat ein weiteres Ereignis
Menschen, die einen Herzstillstand überlebt haben, erleiden aktuellen Daten zufolge häufig ein weiteres Ereignis – trotz eingeleiteter Therapiemaßnahmen. Experten lässt das an dem bisherigen Management zweifeln.
Jeder zehnte Überlebende eines plötzlichen Herztodes hat in der Oregon Sudden Unexpected Death-Studie mindestens einen weiteren Herzstillstand erlitten, und das obwohl bei den meisten Patienten Präventivmaßnahmen eingeleitet wurden bzw. und/oder die vermeintliche zugrunde liegende Ursache behoben worden ist. Über diese unerfreuliche Statistik berichten die Studienautorinnen um Dr. Elizabeth Held, Cedars-Sinai Health System, Los Angeles, jetzt in der Fachzeitschrift Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology.
„In unserer Kohorte hatte ein erheblicher Anteil (10%) der Überlebenden eines plötzlichen Herztodes mehrere unterschiedliche Herztod-Ereignisse, über 60% dieser Ereignisse passierten frühestens ein Jahr nach dem initialen Event“, berichten die Kardiologen über die Details ihrer Analyse.
Prospektive Nachbeobachtung der Überlebenden
Für ihre Studie haben Held und Kolleginnen bei 6.649 Personen, die zwischen 2002 und 2020 in der Region Portland (Oregon) einen plötzlichen Herztod erlitten hatten, die Vorgeschichte retrospektiv bzgl. zurückliegender Herztod-Ereignisse evaluiert. Zudem wurden jene 924 Patienten, die den Krankenhausaufenthalt überlebt hatten (14%), prospektiv weiterverfolgt. Wichtig: Nicht berücksichtigt wurden Herztod-Fälle, wenn als Ursachen keine kardialen Faktoren, sondern andere Erkrankungen wie Krebs, Traumafolgen, Drogenüberdosis oder Lungenembolien angenommen wurden.
Von den Überlebenden erlitten 88 Personen – also 10% – im weiteren Verlauf ein weiteres Herztod-Ereignis. Die Zeitspanne, in welcher der erneute Vorfall passierte, variierte stark: zwischen 6 Tagen und 31 Jahren, die mediane Dauer lag bei 23 Monaten. Unter den 5.725 Personen, die den Herzstillstand nicht überlebt hatten, befanden sich 35 Personen, die in der Vergangenheit bereits einen Herzstillstand erlitten hatten.
Trotz angeblich reversibler Ursache kommt es oft zu erneuten Ereignissen
Einen ICD zur Sekundärprophylaxe haben die wenigsten Patienten erhalten. Die Autoren vermuten, dass die damals verantwortlichen Ärzte in den meisten Fällen von einer potenziell reversiblen Ursache ausgegangen waren. In fast einem Drittel der Fälle stellte eine Koronarläsion, aufgrund derer ein PTCA-Stent implantiert worden sei, die reversible Ursache dar, berichten sie. In circa 60% der erneuten Herztod-Ereignisse lagen wiederum nicht koronare Ätiologien vor, die mehrheitlich auf Elektrolytstörungen zurückgeführt wurden.
Sprich, nicht wenige Patienten haben einen erneuten Herzstillstand erlitten, obwohl man beim ersten Ereignis von einer reversiblen Ursache ausgegangen war. Diese Tatsache bringt Dr. Elizabeth Kaufman dazu, das derzeitige Management von Überlebenden eines plötzlichen Herztodes zu hinterfragen. Wie die in Cleveland tätige Kardiologin in einem Editorial erläutert, empfehlen die AHA/ACC/HRS-Leitlinien von 2017 bei Patienten, die eine lebensbedrohlichen ventrikuläre Arrhythmie erlitten haben, eher keinen ICD zu implantieren, wenn das Ereignis durch eine transiente oder reversible Ursache ausgelöst worden ist, z.B. durch einen akuten Infarkt, die Einnahme proarrhythmischer Medikamente oder durch Elektrolytstörungen. Einige von diesen Patienten würden aber trotzdem von einer sekundärpräventiven ICD-Implantation profitieren, gibt Kaufman zu bedenken. „Die Herausforderung ist nun, herauszufinden, welche das sind“, schreibt die Kardiologin.
Umfassende Evaluation des kardialen Substrats notwendig
Zu einer solchen Risikostratifizierung gehört Kaufmann zufolge auch eine umfassende Evaluation des kardialen Substrats, selbst wenn als Ursache zunächst eine Elektrolytstörung oder eine koronare Ursache angenommen werde. Ebenso sollte eine ICD-Implantation in solchen Fällen trotz allem in Betracht gezogen werden, dies empfehlen im Übrigen auch die 2022 veröffentlichten ESC-Leitlinien zum Management ventrikulärer Arrhythmien und zur Prävention des plötzlichen Herztodes (Klasse IIa C). Denn es besteht immer die Möglichkeit, dass die Patienten andere Risikofaktoren unabhängig von der zunächst ausgemachten Ursache aufweisen. Auch deshalb ist es Kaufmann zufolge wichtig, die Betroffenen im weiteren Verlauf engmaschig zu überwachen.
Offenkundig wird die potenzielle prognostische Relevanz eines solchen Monitorings an einem weiteren Studienergebnis: Unter den Personen, die einen erneuten Herztod erlitten hatten, war die Prävalenz an koronaren Herzerkrankungen, Hypertonie, Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen nämlich signifikant höher als bei denjenigen mit nur einem solchen Ereignis (p=0,01). „Obwohl diesbezüglich weitere Untersuchungen erforderlich sind, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass ein aggressives Management und die Optimierung dieser vier Zustände das Risiko für einen weiteren plötzlichen Herztod verringern können“, folgern die Studienautoren daraus.
Ein ICD ist kein Garant
Des Weiteren macht die Studien einmal mehr deutlich, dass ein ICD kein Garant für ein ereignisfreies Leben ist. Denn 22% der Patienten, denen ein ICD zur Sekundärprophylaxe implantiert worden war (n= 123), hatten trotzdem ein weiteres Ereignis erlitten. „Patienten mit einem sekundärprophylaktischen ICD sind nicht alle gegen einen weiteren plötzlichen Herztod geschützt“, schloss Kaufman daraus. Dafür gebe es mehrere Erklärungen. Die Schockfunktion könne aufgrund von Patientenfaktoren wie einer schweren Ischämie oder wegen ICD-assoziierter Faktoren wie einem Hardware-Fehler ausgefallen sein, erläutert die Kardiologin. Oder der ICD sei nicht richtig programmiert gewesen. Und zu guter Letzt kann der ICD nach Aussagen Kaufmans nicht als Lebensretter fungieren, wenn ein Herzstillstand mit nicht schockbarem Rhythmus auftritt.
Dass die Mehrheit der Studienteilnehmer Männer in einem Alter über 60 Jahren waren, sollte man als Limitierung der Studie berücksichtigen. Die Ergebnisse lassen sich deshalb nicht unbedingt auf ein jüngeres Kollektiv übertragen.
Literatur
Held E et al. Recurrent Out-of-Hospital Sudden Cardiac
Arrest: Prevalence and Clinical Factors. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2022;15:e011018. DOI: 10.1161/CIRCEP.122.011018
Kaufman E. Secondary Prevention of Sudden Cardiac Arrest:
Challenging Our Assumptions. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2022;15:e011689. DOI: 10.1161/CIRCEP.122.011689