Ist eine Herzdruckmassage in extremen Höhen noch gut durchführbar?
Wenn ein Herzstillstand in extremen Höhenlagen passiert, ist auch das Rettungspersonal den dortigen Bedingungen ausgesetzt. Spezialisten haben nun untersucht, wie sich das auf die Qualität der Herzdruckmassage auswirkt – und raten auf Basis ihrer Ergebnisse, die Leitlinienempfehlungen zu überdenken.
Ersthelfer sind in extremen Höhenlagen offenbar nicht in der Lage, die Qualität von Reanimationsmaßnahmen auf demselben Niveau durchzuführen wie auf tieferen Lagen. Das schließen Spezialisten für alpine Notfallmedizin aus den neuesten Ergebnissen einer randomisierten Studie.
Herztod häufigste nichttraumatische Todesursache in Höhenlagen
„Der plötzliche Herztod ist die häufigste Ursache für nichttraumatische Todesfälle bei Aktivitäten in moderaten bis hohen Höhenlagen“, erläutern die Studienautoren um Dr. Anna Vögele aus Bozen die Hintergründe ihrer Studie. Kommt es zu einem entsprechenden Notfall, wird in der Regel ein Rettungshubschrauber zum Einsatzort gesandt. Was dabei oft nicht bedacht wird: Das Personal wird bei solchen Einsätzen plötzlich einer extremen Höhe ausgesetzt, oft ohne Akklimatisierung, und muss unter diesen Bedingungen die Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen. Wie wirkt sich das auf die Qualität der Reanimation aus?
Diese Frage hat Vögele und ihr Team zur Durchführung einer randomisierten Studie bewegt. Die Wissenschaftler haben 48 Personen aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz rekrutiert, die als Personal in Rettungshubschraubern tätig sind. Bei über der Hälfte handelte es sich um medizinisches Personal wie Ärzte, Rettungsassistenten oder Pflegepersonal, bei den restlichen um sonstige Crewmitglieder wie Piloten oder Techniker; alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren ausgebildete Ersthelfer.
Herzdruckmassagen in simulierter Höhe
In Viergruppen unterteilt mussten das Personal in hypobaren Druckkammern eine fünfminütige Herzdruckmassage an einer Modellpuppe vornehmen. In den Druckkammern herrschten Bedingungen dreier Höhenlagen: 200, 3.000 und 5.000 Meter. Die jeweiligen Gruppen wurden in einem randomisierten kontrollieren Crossover-Design zu zwei von drei simulierten Höhenlagen zugeteilt. Die Probanden wussten dabei nicht, auf welcher „Höhe“ sie sich befanden (einfach verblindet). Während des Durchführens der Herzdruckmassage wurden physiologische Parameter der Ersthelfer und verschiedene Qualitätsparameter der Reanimationsmaßnahme gemonitort.
Kompressionstiefe lässt in der Höhe stärker nach
Dabei stellen die Wissenschaftler fest, dass die Kompressionstiefe der in den beiden Höhenlagen vorgenommenen Herzdruckmassagen über die Zeit deutlich abgenommen hat, und zwar signifikant stärker, als das auf 200 Meter Höhe der Fall war (p=0,036). 60 bis 90 Sekunden nach Reanimationsbeginn lag die durchschnittliche Tiefe bereits unterhalb der von den Leitlinien empfohlenen Untergrenze von 50 mm (49 mm; 95%-KI: 46–52 mm). Vor allem bei weiblichen Ersthelfern und Personen mit einem Körpergewicht von unter 70 kg war dies zu beobachten. Im Gegensatz dazu hielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf 200 Meter Höhe deutlich länger durch: Unter diesen Bedingungen sank die mittlere Kompressionstiefe erst innerhalb der letzten 30 Sekunden der fünfminütigen Herzdruckmassage auf unter 50 mm.
Den gemessenen Qualitätsverlust nahmen die Probanden selbst allerdings gar nicht wahr. So korrelierte die subjektiv von ihnen angegebene Performance nicht mit den objektiv gemessenen Parametern.
Parallel zur nachlassenden Qualität der Reanimation veränderte sich die physiologische Verfassung der Probanden in den simulierten Höhenlagen: Ihre Herzfrequenz stieg und die Sauerstoffsättigung sank auf 3.000 bzw. 5.000 Metern im Vergleich zu 200 Metern, beides hochsignifikant.
Leitlinienempfehlungen überdenken
Die Studienautoren vermuten, dass die akute Höhenexposition die Fähigkeiten des Rettungshubschrauber-Personals beeinträchtigt hat, weshalb diese die Empfehlungen der Reanimations-Leitlinien nicht mehr einhalten konnten.
Die Mediziner plädieren deshalb für eine Neubewertung der aktuellen Leitlinien. Es existiere ein signifikantes Risiko, dass die Kompressionstiefe schon innerhalb der ersten 2 Minuten unterhalb der empfohlenen 50 mm falle, argumentieren sie. Die internationalen CPR-Leitlinien raten aber erst, nach circa 2 Minuten den Ersthelfer zur Durchführung der Herzdruckmassage zu wechseln. Das Problem dabei: Die Ersthelfer scheinen diesen Ergebnissen zufolge ihre nachlassende Leistung nicht wahrzunehmen, sodass sie über die Notwendigkeit eines früheren Wechsels selbst wahrscheinlich gar nicht verlässlich entscheiden können.
Zuhilfenahme von mechanischen Reanimationshilfen
Nach Ansicht von Vögele und Kollegen sollte deshalb in Höhenlagen über kürzere Zyklen (also häufigere Wechsel der Ersthelfer) und über den Einsatz von mechanischen Reanimationshilfen nachgedacht werden. Vor allem letzteres halten sie für hilfreich. Solche Geräte bieten eine kontinuierliche Kompression ohne Einbußen der Qualität selbst bei langandauernden Wiederbelebungsmaßnahmen, erläutern sie die Vorteile, und es sei kein Ersthelfer-Wechsel notwendig. Von Nachteil sei, dass der Einsatz der Geräte ein Training erfordert und die Devices von Batterien abhängig sind, was gerade bei Kälte problematisch werden könnte.
Als weitere Maßnahme schlagen die Spezialisten eine Sauerstoffgabe für die Ersthelfer und -helferinnen vor, um der akuten Hypoxie entgegenzuwirken, wobei das logistisch herausfordernd sei, geben sie zu bedenken.
Literatur
Vögele A: Effect of Acute Exposure to Altitude on the Quality of Chest Compression‐Only Cardiopulmonary Resuscitation in Helicopter Emergency Medical Services Personnel: A Randomized, Controlled, Single‐Blind Crossover Trial. J Am Heart Assoc. 2021;10:e021090. DOI: 10.1161/JAHA.121.021090