Nachrichten 06.12.2021

Ist eine Herzdruckmassage in extremen Höhen noch gut durchführbar?

Wenn ein Herzstillstand in extremen Höhenlagen passiert, ist auch das Rettungspersonal den dortigen Bedingungen ausgesetzt. Spezialisten haben nun untersucht, wie sich das auf die Qualität der Herzdruckmassage auswirkt – und raten auf Basis ihrer Ergebnisse, die Leitlinienempfehlungen zu überdenken.  

Ersthelfer sind in extremen Höhenlagen offenbar nicht in der Lage, die Qualität von Reanimationsmaßnahmen auf demselben Niveau durchzuführen wie auf tieferen Lagen. Das schließen Spezialisten für alpine Notfallmedizin aus den neuesten Ergebnissen einer randomisierten Studie.

Herztod häufigste nichttraumatische Todesursache in Höhenlagen

„Der plötzliche Herztod ist die häufigste Ursache für nichttraumatische Todesfälle bei Aktivitäten in moderaten bis hohen Höhenlagen“, erläutern die Studienautoren um Dr. Anna Vögele aus Bozen die Hintergründe ihrer Studie. Kommt es zu einem entsprechenden Notfall, wird in der Regel ein Rettungshubschrauber zum Einsatzort gesandt. Was dabei oft nicht bedacht wird: Das Personal wird bei solchen Einsätzen plötzlich einer extremen Höhe ausgesetzt, oft ohne Akklimatisierung, und muss unter diesen Bedingungen die Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen. Wie wirkt sich das auf die Qualität der Reanimation aus?

Diese Frage hat Vögele und ihr Team zur Durchführung einer randomisierten Studie bewegt. Die Wissenschaftler haben 48 Personen aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz rekrutiert, die als Personal in Rettungshubschraubern tätig sind. Bei über der Hälfte handelte es sich um medizinisches Personal wie Ärzte, Rettungsassistenten oder Pflegepersonal, bei den restlichen um sonstige Crewmitglieder wie Piloten oder Techniker; alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren ausgebildete Ersthelfer.

Herzdruckmassagen in simulierter Höhe

In Viergruppen unterteilt mussten das Personal in hypobaren Druckkammern eine fünfminütige Herzdruckmassage an einer Modellpuppe vornehmen. In den Druckkammern herrschten Bedingungen dreier Höhenlagen: 200, 3.000 und 5.000 Meter. Die jeweiligen Gruppen wurden in einem randomisierten kontrollieren Crossover-Design zu zwei von drei simulierten Höhenlagen zugeteilt. Die Probanden wussten dabei nicht, auf welcher „Höhe“ sie sich befanden (einfach verblindet). Während des Durchführens der Herzdruckmassage wurden physiologische Parameter der Ersthelfer und verschiedene Qualitätsparameter der Reanimationsmaßnahme gemonitort.

Kompressionstiefe lässt in der Höhe stärker nach

Dabei stellen die Wissenschaftler fest, dass die Kompressionstiefe der in den beiden Höhenlagen vorgenommenen Herzdruckmassagen über die Zeit deutlich abgenommen hat, und zwar signifikant stärker, als das auf 200 Meter Höhe der Fall war (p=0,036). 60 bis 90 Sekunden nach Reanimationsbeginn lag die durchschnittliche Tiefe bereits unterhalb der von den Leitlinien empfohlenen Untergrenze von 50 mm (49 mm; 95%-KI: 46–52 mm). Vor allem bei weiblichen Ersthelfern und Personen mit einem Körpergewicht von unter 70 kg war dies zu beobachten. Im Gegensatz dazu hielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf 200 Meter Höhe deutlich länger durch: Unter diesen Bedingungen sank die mittlere Kompressionstiefe erst innerhalb der letzten 30 Sekunden der fünfminütigen Herzdruckmassage auf unter 50 mm.

Den gemessenen Qualitätsverlust nahmen die Probanden selbst allerdings gar nicht wahr. So korrelierte die subjektiv von ihnen angegebene Performance nicht mit den objektiv gemessenen Parametern.

Parallel zur nachlassenden Qualität der Reanimation veränderte sich die physiologische Verfassung der Probanden in den simulierten Höhenlagen: Ihre Herzfrequenz stieg und die Sauerstoffsättigung sank auf 3.000 bzw. 5.000 Metern im Vergleich zu 200 Metern, beides hochsignifikant.

Leitlinienempfehlungen überdenken

Die Studienautoren vermuten, dass die akute Höhenexposition die Fähigkeiten des Rettungshubschrauber-Personals beeinträchtigt hat, weshalb diese die Empfehlungen der Reanimations-Leitlinien nicht mehr einhalten konnten.

Die Mediziner plädieren deshalb für eine Neubewertung der aktuellen Leitlinien. Es existiere ein signifikantes Risiko, dass die Kompressionstiefe schon innerhalb der ersten 2 Minuten unterhalb der empfohlenen 50 mm falle, argumentieren sie. Die internationalen CPR-Leitlinien raten aber erst, nach circa 2 Minuten den Ersthelfer zur Durchführung der Herzdruckmassage zu wechseln. Das Problem dabei: Die Ersthelfer scheinen diesen Ergebnissen zufolge ihre nachlassende Leistung nicht wahrzunehmen, sodass sie über die Notwendigkeit eines früheren Wechsels selbst wahrscheinlich gar nicht verlässlich entscheiden können.

Zuhilfenahme von mechanischen Reanimationshilfen

Nach Ansicht von Vögele und Kollegen sollte deshalb in Höhenlagen über kürzere Zyklen (also häufigere Wechsel der Ersthelfer) und über den Einsatz von mechanischen Reanimationshilfen nachgedacht werden. Vor allem letzteres halten sie für hilfreich. Solche Geräte bieten eine kontinuierliche Kompression ohne Einbußen der Qualität selbst bei langandauernden Wiederbelebungsmaßnahmen, erläutern sie die Vorteile, und es sei kein Ersthelfer-Wechsel notwendig. Von Nachteil sei, dass der Einsatz der Geräte ein Training erfordert und die Devices von Batterien abhängig sind, was gerade bei Kälte problematisch werden könnte.

Als weitere Maßnahme schlagen die Spezialisten eine Sauerstoffgabe für die Ersthelfer und -helferinnen vor, um der akuten Hypoxie entgegenzuwirken, wobei das logistisch herausfordernd sei, geben sie zu bedenken. 

Literatur

Vögele A: Effect of Acute Exposure to Altitude on the Quality of Chest Compression‐Only Cardiopulmonary Resuscitation in Helicopter Emergency Medical Services Personnel: A Randomized, Controlled, Single‐Blind Crossover Trial. J Am Heart Assoc. 2021;10:e021090. DOI: 10.1161/JAHA.121.021090

Highlights

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Myokarditis – eine tödliche Gefahr

In der vierten Ausgabe mit Prof. Andreas Zeiher geht es um die Myokarditis. Der Kardiologe spricht über Zusammenhänge mit SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Impfungen und darüber, welche Faktoren über die Prognose entscheiden.

Aktuelles und Neues aus der Kardiologie

Studie spricht gegen Adipositas-Paradoxon bei Herzinsuffizienz

Überschüssige Pfunde könnten bei Herzinsuffizienz vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen, lautet eine verbreitete These. Offenbar ist es genau umgekehrt, fand ein internationales Forscherteam jetzt heraus.

Welcher Faktor determiniert das Herzrisiko unter einer Statintherapie?

Bei Patienten, die bereits Statine zur Lipidsenkung erhalten, sind im CRP-Wert sich widerspiegelnde Entzündungsprozesse ein stärkerer Prädiktor für künftige kardiovaskuläre Ereignisse als das LDL-Cholesterin, zeigt eine umfangreiche Metaanalyse.

Süßstoff Erythrit könnte Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko erhöhen

Mit Süßstoff gesüßte Lebensmittel, sog. Light-Produkte, werden oftmals als gesundheitsfördernd propagiert. Doch offenbar scheinen sie genau das Gegenteil zu bewirken, wie aktuelle Untersuchungen nahelegen.

Aus der Kardiothek

Hätten Sie es erkannt?

Linker Hauptstamm in der CT-Angiographie eines 80-jährigen Patienten vor TAVI. Was fällt auf?

Rhythmus-Battle: Vom EKG zur Therapie 2

Nicht immer sind EGK-Befunde eindeutig zu interpretieren, und nicht immer gibt es eine klare Therapieentscheidung. In diesem zweiten Rhythmus-Battle debattieren Prof. Lars Eckardt, Prof. Christian Meyer und PD Dr. Stefan Perings über ungewöhnliche EKG-Fälle aus der Praxis. Wie würden Sie entscheiden?

Kardiovaskuläre und ANS-Manifestationen von Covid-19 und Long-Covid

In der Akutphase und auch im weiteren Verlauf kann eine SARS-CoV-2-Infektion eine Herzbeteiligung verursachen. Prof. Thomas Klingenheben gibt einen Update über den aktuellen Wissenstand solcher Manifestationen, und erläutert, was hinter dem Syndrom „Long-COVID“ steckt.

Kardio-Quiz März 2023/© Stephan Achenbach, Medizinische Klinik 2, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Podcast-Logo/© Springer Medizin Verlag GmbH (M)
Rhythmus-Battle 2023/© Portraits: privat
kardiologie @ home/© BNK | Kardiologie.org