Herzstillstand, aber keine ST-Hebung: Frühe invasive Diagnostik ohne Vorteil
Alle nach Herzstillstand reanimierte Patienten ohne ST-Streckenhebung im EKG direkt einer frühen Herzkatheter-Untersuchung zuzuführen, ist im Vergleich zu einer späteren invasiven Abklärung klinisch ohne Vorteil, zeigt eine neue Metaanalyse.
Nach Herzstillstand im Zusammenhang mit einem ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) wird eine sofortige Herzkatheter-Untersuchung und – wenn nötig – perkutane Koronarintervention (PCI) in den europäischen und US-amerikanischen Leitlinien nachdrücklich empfohlen.
Bei reanimierten Patienten ohne elektrokardiografische Zeichen eines STEMI, die außerhalb von Kliniken einen Herzstillstand erlitten haben, scheint eine solche Strategie hingegen nicht empfehlenswert zu sein. Dafür sprechen Ereignisse einer Metaanalyse gepoolter Daten aus elf Studien. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine sofortige Koronarangiografie nach Klinikaufnahme von reanimierten Patienten ohne ST-Streckenhebung im EKG im Vergleich zu einer verzögerten invasiven Abklärung das Sterberisiko innerhalb der ersten 30 Tage nach Reanimation nicht signifikant verringert.
Daten von knapp 3.600 reanimierten Patienten
Schon die vor rund einem Jahr beim AHA-Kongress 2019 vorgestellte COACT-Studie (Coronary Angiography After Cardiac Arrest) hatte als erste randomisierte Studie in dieser Frage ergeben, dass die Durchführung einer sofortigen versus einer verzögerten Koronarangiografie bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand, aber ohne ST-Hebung im EKG, bezüglich der Sterblichkeit nach 90 Tagen wirkungslos geblieben war.
Zwecks Konsolidierung der Evidenzbasis haben US-Untersucher um Dr. Samir Kapadia von der Cleveland Clinic in Cleveland, Ohio, jetzt die gepoolten Daten von insgesamt 3.581 reanimierten Patienten ohne ST- Hebung aus elf Studien inklusive COACT in eine Metaanalyse einfließen lassen. Davon waren 42% einer frühen und 58% einer verzögert vorgenommenen Koronarangiografie unterzogen worden.
Kein Unterschied bei der 30-Tage-Mortalität
Im Blickpunkt stand dabei primär der Einfluss beider Strategien der invasiven Diagnostik auf die Sterblichkeit innerhalb der ersten 30 Tage. Sekundäre Endpunkte waren ein guter neurologischer Status sowie die Häufigkeit von Revaskularisationen mittels PCI. Das sind die Ergebnisse:
- Bezüglich der 30-Tage-Mortalität war kein signifikanter Unterschied zugunsten der Gruppen mit frühinvasiver Diagnostik auszumachen (Risk Ratio [RR]: 0,86; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,71 – 1,04; p = 0,12).
- Auch hinsichtlich des neurologischen Status der Patienten (RR: 1,08; 95%-KI: 0,94 - 1,24; p = 0,28) sowie der Rate an durchgeführten PCIs (RR: 1,22; 95%-KI: 0,94 -1,59; p = 0,13) unterschieden sich beide Gruppen nicht. Insgesamt lag der Anteil an Patienten mit PCI bei nur 24%.
Nicht eine frühe Revaskularisation, wohl aber bestehende Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronische Niereninsuffizienz, eine PCI in der Vorgeschichte sowie die Laktatspiegel der reanimierten Patienten erwiesen sich als signifikante Prädiktoren der 30-Tage-Mortalität.
Weitere Klärung in laufenden Studien
Angesichts dieser Ergebnisse könne eine routinemäßige frühe Koronarangiografie nach Reanimation von Patienten ohne ST-Hebung nicht empfohlen werden, schlussfolgern Kapadia und sein Team. Dies schließe nicht aus, dass bestimmte Patienten in dieser Hochrisiko-Population doch von einer frühen invasiven Diagnostik profitieren könnten.
Um zu klären, ob sich diese Patienten anhand spezifischer Kriterien künftig gezielt identifizieren lassen, bedürfe es weiterer Studien. Die Autoren der Metaanalyse verweisen darauf, dass dieser Frage derzeit in laufenden Studien wie DISCO, ARREST und EMERGE sowie in der von deutschen Kardiologen initiierten Multicenterstudie TOMAHAWK nachgegangen wird.
Literatur
Verma B.R. et al.: Coronary Angiography in Patients With Out-of-Hospital Cardiac Arrest Without ST-Segment Elevation - A Systematic Review and Meta-Analysis. J Am Coll Cardiol Intv. 2020; 13: 2193-2205.