Herzschäden nach Herzstillstand: Hilft ein Entzündungshemmer?
Viele Menschen versterben trotz erfolgreicher Reanimation an den Folgen eines Herzstillstandes. Ein Grund: die sich entwickelnde Entzündungsreaktion. Wissenschaftler haben nun ein Medikament getestet, welches dagegen helfen könnte.
Noch immer gibt es keine spezifische Therapie für das sog. Postreanimationssyndrom („post cardiac arrest syndrome“, PCAS) – einem Zustand, an dem viele Überlebende eines Herzstillandes in den darauffolgenden Tagen versterben. Hauptverursacher des PCAS ist eine durch die Ischämie und Reperfusion getriggerte Entzündungsreaktion.
Tocilizumab gegen Entzündungsreaktion
Das hat dänische Wissenschaftler um Dr. Martin Abild Stengaard Meyer auf eine Idee gebracht: Vielleicht könnte der Einsatz des Interleukin 6-Rezeptorantagonisten Tocilizumab gegen die systemische Inflammation helfen und dadurch das Outcome von reanimierten Patienten verbessern.
Meyer und Kollegen haben ihre Theorie nun im Rahmen einer randomisierten Phase II-Studie getestet. Und Tocilizumab hat hier zumindest schon mal die nötigen Grundvoraussetzungen erfüllt: Entzündungsreaktionen wurden reduziert und Myokardschädigungen verringert, beides dokumentiert durch einen Rückgang entsprechender Laborparameter.
Insgesamt 80 Patienten, die außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erlitten hatten, wurden für die Studie randomisiert, die Patienten waren zu dem Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme nicht bei Bewusstsein. Die eine Hälfte erhielt so schnell wie möglich eine einstündige Infusion von Tocilizumab (8 mg/kg Körpergewicht), die andere stattdessen eine isotonische Kochsalzlösung als Placebo, beides zusätzlich zur Standardbehandlung.
Entzündungsmarker stark zurückgegangen
Die Therapie mit Tocilizumab brachte nach 24 Stunden eine signifikante Reduktion von C-reaktiven-Protein (CRP) und der Leukozytenzahl um –84% bzw. –34% im Vergleich zu Placebo mit sich (beides p ˂ 0,001). Zudem stellten die Wissenschaftler nach 12 Stunden einen deutlichen Rückgang von Troponin T und Creatin-Kinase CK-MB fest (–36% und –38%, beides p ˂ 0,01). Des Weiteren waren die Konzentrationen von NT-proBNP nach 48 Stunden um –65% zurückgegangen (p ˂ 0,001).
„Die Behandlung mit Tocilizumab resultierte bei wiederbelebten, komatösen Patienten nach einem Herzstillstand in einem signifikanten Rückgang der systemischen Inflammation und von Myokardschäden“, schlussfolgern die Autoren aus diesen Befunden.
Sicherheitssignale gab es keine. Auch Infektionen waren nicht häufiger unter Tocilizumab (bei 15% vs. 24% mit Placebo, p=0,41), wobei alle Patienten prophylaktisch mit Antibiotika behandelt worden sind.
Doch was ist mit klinischen Faktoren?
Doch inwieweit machte sich der Rückgang der Entzündungsreaktion auch klinisch bemerkbar? Mit 80 Patienten ist die Studie natürlich viel zu klein, um hierüber Aussagen treffen zu können. Allerdings gab es bei den mit Tocilizumab behandelten Patienten noch nicht mal einen Trend zu einer höheren Überlebenschance oder zu einer günstigeren neurologischen Prognose. Die Mortalitäts-Kurve war bei beiden Gruppen nahezu deckungsgleich.
Der SOFA-Score war bei den Punkten, die das Herz-Kreislaufsystem betrafen, tendenziell zwar etwas besser in der Tocilizumab-Gruppe und bei diesen Patienten ließ sich auch seltener ein Temperaturanstieg von > 38°C beobachten. Dafür benötigten die mit dem IL-6-Antikörper behandelte Patienten häufiger ein Nierenersatzverfahren als die Patienten in der Placebogruppe (10 vs. 3 Patienten; p=0,04). Letzteres können sich die dänischen Wissenschaftler nicht so recht erklären. Es könne einfach nur Zufall sein, oder eine unvorhersehbare Nebenwirkung von Tocilizumab, das ließe sich aktuell nicht sagen.
Es bleibt somit abzuwarten, ob sich dieser Therapieansatz in Zukunft bewähren wird. Der Beweis für einen klinischen Nutzen steht jedenfalls noch aus.
Literatur
Meyer MAS et al. Treatment Effects of Interleukin-6 Receptor Antibodies for Modulating the Systemic Inflammatory Response After Out-of-Hospital Cardiac Arrest (The IMICA Trial): A Double-Blinded, Placebo-Controlled, Single-Center, Randomized Clinical Trial. Circulation 2021; DOI: https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.053318