PCI nach Herzstillstand: Schnellere Plättchenhemmung durch Cangrelor?
Überlebende eines Herzstillstandes sind nach einer PCI einem erhöhten Risiko für Stentthrombosen ausgesetzt. In einer kleinen randomisierten Studie wurde nun ein Plättchenhemmer getestet, der eine schnelle und starke Thrombozytenaggregationshemmung verspricht.
Patienten, die einen Herzstillstand überlebt haben und anschließend via PCI revaskularisiert werden, haben ein erhöhtes Risiko für Stentthrombosen. Als Grund dafür wird der verzögerte Wirkeintritt der üblicherweise eingesetzten oralen Plättchenhemmer Ticagrelor/Prasugrel bzw. Clopidogrel diskutiert.
Eine slowenische Arbeitsgruppe um Dr. Peter Kordis hat nun im Rahmen einer kleinen randomisierten Single-Center-Studie (Cangrelor-OHCA) getestet, ob sich diese „Gerinnungshemmungs-Lücke“ durch die Gabe von Cangrelor schließen lässt. Cangrelor gehört wie Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor zu den P2Y12-Antagonisten. Im Unterschied zu diesen wird Cangrelor aber nicht oral, sondern durch eine kontinuierliche intravenöse Infusion verabreicht, weshalb die Wirkung unmittelbar einsetzt.
Kordis und Kollegen randomisierten 30 Patientinnen und Patienten in einem Alter unter 70 Jahren, die einen Herzstillstand außerhalb der Klinik überlebt und in der Universitätsklinik Ljubljana ein Temperaturmanagement mit einer Köperkühlung auf 32–34°C erhalten haben. Eine Gruppe wurde im Rahmen der PCI mit einem i.v Cangrelor-Bolus (30 µg/kg) behandelt, gefolgt von einer vierstündigen Infusion des Plättchenhemmers (4 µg/kg/min), zusätzlich zum Standardmanagement. Die Kontrollgruppe erhielt die alleinige Standardtherapie, die aus einem i.v.-ASS-Bolus und unfraktioniertem Heparin bestand, sowie aus einer Aufsättigungsdosis von Ticagrelor (180 mg) in Form von zerkleinerten Tabletten.
Schnelle und starke Thrombozytenaggregationshemmung
Der primäre Effizienzendpunkt war das Ausmaß der Thrombozytenaggregationshemmung 1, 3, 5 und 8 Stunden, nachdem die Schleuse für die PCI-Prozedur gelegt worden war. Der primäre Sicherheitsendpunkt waren Blutungsereignisse (BARC 2, 3 oder 5).
Die mittels des VerifyNow-Plättchenfunktionstests erfasste Thrombozytenaktivität war in der Cangrelor-Gruppe eine und drei Stunden nach der PCI tatsächlich signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (Plättchenreaktivität-Units [PRU]: 30 vs. 221 bzw. 24 vs. 180; p jeweils ˂ 0,001). Fünf und acht Stunden später – also nachdem die Cangrelor-Infusion beendet wurde – ließ sich kein Unterschied mehr zwischen beiden Gruppen nachweisen.
Kein Patient, der mit Cangrelor behandelt wurde, wies in den ersten Stunden nach der PCI eine hohe Plättchenreaktivität (HPR) auf, definiert als PRU > 208 im VerifyNow-Test bzw. > 46 „Aggregation Units“ im ADP-induzierten Plättchenfunktionstest von Multiplate. In der Kontrollgruppe dagegen ließ sich eine HPF nach einer Stunde bei 67% und nach 3 Stunden bei 47% der Patienten nachweisen. Die Cangrelor-Therapie hat die Wahrscheinlichkeit für eine HPR damit signifikant reduziert (p˂ 0,001 bzw. 0,007).
Blutungsereignisse kamen numerisch etwas häufiger in der Cangrelor-Gruppe vor, wobei dieser Unterschied nicht signifikant war (6,7% vs. 0%; p=1,000).
Aber: Klinische Relevanz der Ergebnisse ist völlig offen
Die Studienergebnisse zeigten, dass ein periprozeduraler Bolus von Cangrelor, gefolgt von einer 4-stündigen Infusion, eine sofortige und starke Plättchenhemmung induziert, ohne dass es zu relevanten Medikamentenwechselwirkungen mit Ticagrelor oder zu einer Zunahme von BARC 2-, 3- oder 5-Blutungen gekommen sei, folgern die Autoren aus ihren Ergebnissen.
Nicht klären können diese Ergebnisse allerdings, ob die initial stärkere Gerinnungshemmung durch Cangrelor am Ende tatsächlich in einer geringeren Stentthrombose-Rate resultiert. Dafür war die Studie gar nicht gepowert. Von einer klinischen Wirksamkeit kann man auch deshalb nicht einfach ausgehen, weil bis zu 20% der Patienten nach Beendigung der Cangrelor-Infusion eine hohe Plättchenreaktivität aufwiesen. Sprich, sobald der Plättchenhemmer abgesetzt wurde, waren einige Patienten wieder einem erhöhten Thromboserisiko ausgesetzt. Als weitere Limitation weisen Kordis und Kollegen auf die relativ vielen Ausschlusskriterien in ihrer Studie hin (hohes Alter, Einsatz einer VA-ECMO, aktive Blutungen usw.), weshalb sich die Ergebnisse nicht auf die Gesamtpopulation von Herzstillstandpatienten übertragen lassen.
Literatur
Kordis P et al. Cangrelor for comatose survivors of out-of-hospital cardiac arrest undergoing percutaneous coronary intervention: the CANGRELOR-OHCA study. Eurointervention 2022; DOI: 10.4244/EIJ-D-22-00675