Noch mehr Rückenwind für kardioprotektive SGLT2-Hemmer
Ein neuer SGLT2-Hemmer führte in einer großen randomisierten Studie trotz verkürzter Studiendauer bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und Nierenerkrankungen schon innerhalb kurzer Zeit zu einer signifikanten Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.
Sotagliflozin, ein neuer SGLT2-Hemmer, der zusätzlich den gastrointestinalen Natrium-Glukose-Transporter SGLT1 hemmt, hat gleich in zwei Studien bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ-2-Diabetes kardioprotektive Wirksamkeit bewiesen. Primärer Endpunkt war in beiden Fällen eine Kombination aus den Ereignissen (Erst- und Folgeereignisse) kardiovaskulär verursachte Todesfälle oder Klinikeinweisungen sowie dringliche Hilfeleistungen wegen Herzinsuffizienz-Problemen (urgent visits).
- In der kleineren SOLOIST-WHF-Studie konnte mit Sotagliflozin bei zuvor wegen dekompensierter Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten das Risiko für diesen kombinierten Endpunkt relativ um 33% reduziert werden (p<0,001; lesen Sie den Bericht hier).
- In der wesentlich größeren SCORED-Studie führte Sotagliflozin im Hinblick auf den gleichen kombinierten Studienendpunkt zu einer ebenfalls signifikanten relativen Risikoreduktion um 26% (p<0,001) – diesmal bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ-2-Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen mit und ohne Albuminurie.
Studienleiter Dr. Deepak Bhatt vom Brigham and Women’s Hospital, Boston, hat nach SOLOIST-WHF auch die SCORED-Studie in einer „Late-Breaking Science“ Sitzung beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) vorgestellt.
Ebenso wie SOLOIST musste auch die SCORED-Studie aufgrund von durch die Corona-Pandemie entstandenen Problemen vorzeitig beendet werden. Wegen der verkürzten Studiendauer (medianes Follow-up: 16 Monate) sah sich die SCORED-Studiengruppe zu einer Änderung des primären Endpunktes gezwungen.
Änderung des primären Studienendpunktes
Ursprünglich waren für die SCORED-Studie zwei „co-primäre“ Endpunkte definiert worden, zum einen der klassische kardiovaskuläre Triple-Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall), zum anderen die Kombination der Ereignisse kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Wie sich am Ende zeigen sollte, gab es auch hier positive Ergebnisse zugunsten von Sotagliflozin.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse:
- Die Raten (Ereignisse pro 100 Patientenjahre) für den geänderten primären Studienendpunkt (kardiovaskuläre bedingte Todesfälle oder Hospitalisierungen sowie „urgent visits“) in der Sotagliflozin- und Placebo-Gruppe betrugen am Ende 5,6 versus 7,5 (Hazard Ratio [HR]: 0,74; 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,63 – 0,88; p<0,001). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen erreichte bereits nach 95 Tagen statistische Signifikanz (1,4 vs. 2,0, p=0,038).
- Entscheidende Triebkraft dafür war eine signifikante Reduktion von Herzinsuffizienz-Ereignissen (Hospitalisierungen und „urgent visits“) durch Sotagliflozin (3,5 vs. 5,1 Ereignisse/100 Patientenjahre, HR: 0,67; 95% KI: 0,55 – 0,82; p<0,001).
- Mit 2,2 vs. 2,4 unterschieden sich die Raten für die kardiovaskuläre Mortalität nicht signifikant (HR: 0,90; 95% KI, 0,73 -1,12; p=0,35).
- Beim ursprünglich festgelegten primären Triple-Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) ergab sich ein Vorteil zugunsten von Sotagliflozin (HR 0,84, 95% KI 0,72-0,99, p = 0.035), ebenso beim zweiten primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (HR 0,77, 95% CI 0,66-0,91, p = 0,001).
Kein Unterschied beim renalen Endpunkt
Ebenso wie bei der kardiovaskulären Mortalität gab es auch beim kombinierten renalen Studienendpunkt (≥ 50% Abnahme der eGFR, terminale Niereninsuffizienz: Dialyse/Nierentransplantation, anhaltende eGFR <15 ml/min/1,73 m2) keinen statistisch signifikanten Unterschied (0,5% vs. 0,7%, p = 0,11). Ein möglicher Grund könnte die verkürzte Studiendauer und der daraus resultierte Verlust an statistischer Teststärke (power) sein.
Unerwünschte Effekte, die unter Sotagliflozin signifikant häufiger als unter Placebo beobachtet wurden, waren Diarrhoen, genitale Mykosen, Volumendepletion und diabetische Ketoazidosen.
An der SCORED-Studie waren insgesamt 10.584 kardiovaskuläre Risikopatienten mit Typ-2-Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen (eGRF: 25 - 60 ml/min/1,73 m2) mit und ohne Albuminurie. Nach Zufallszuteilung waren sie im Median 16 Monate lang mit Sotagliflozin (n=5292) oder Placebo (n=5292) behandelt worden.
Auch bei Herzinsuffizienz vom HFpEF-Typ wirksam?
Bhatt präsentierte auch Ergebnisse einer Analyse gepoolter Daten der SCORED- und SOLOIST-WHF-Studie. Ihre Analyse ergab für den in beiden Studien identischen primären Endpunkt eine hochsignifikante relative Risikoreduktion um 28% (HR: 0,72, p=0,000002).
Eine auf Patienten mit Herzinsuffizienz fokussierte Subanalyse auf Basis der gepoolten Daten spricht zudem dafür, dass Sotagliflozin sowohl bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF, n=1758) als auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF, n=739) wirksam war. Bei HFrEF wurde bezüglich des primären Endpunktes eine Risikoreduktion um 22% (HR: 0,78, p=0,02) und bei HFpEF eine Risikoreduktion um 37% (HR: 0,63, p=0,009) beobachtet.
Sotagliflozin ist in der EU für die Therapie bei Typ-1-Diabetes zugelassen, nicht aber bei Typ-2-Diabetes. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte sich im letzten Jahr gegen eine Zulassung bei Typ-1-Diabetes entschieden.
Literatur
Bhatt D.: SCORED: Sotagliflozin in Patients with Diabetes and Chronic Kidney Disease. Vorgestellt in der Sitzung “Late-breaking Science VII” beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) 2020 (13. – 17. November 2020).
Bhatt D. et al.: Sotagliflozin in Patients with Diabetes and Chronic Kidney Disease. N Engl J Med. 2020, online 16. November.