Wie sich Lärm auf das kardiovaskuläre Risiko auswirkt
Während einer Langzeitstudie zum Effekt von Lärmbelastung auf die Herzgesundheit von Flughafenanwohnern kam es zu einem Zwischenfall: Mit dem Lockdown verstummte der Flughafen. Das führte zu unerwarteten Ergebnissen.
Etwa vier Millionen Europäer sind Tag und Nacht Fluglärm ausgesetzt, der 55 dB überschreitet. Eine solche Lärmbelastung kann bereits gesundheitsschädigend sein und liegt über dem von der WHO empfohlenen Grenzwert. In einer polnischen Fall-Kontroll-Studie wurden die Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit untersucht. Eine erste Querschnittsanalyse von 2015 hatte ergeben, dass dauerhafte Fluglärmexposition mit erhöhter Gefäßsteifigkeit einhergeht. 2020 wurden die Langzeiteffekte ermittelt – und ob der darauffolgende Lockdown etwas daran änderte.
Für die Analyse verglichen Prof. Wiktoria Wojciechowska von der Jagiellonen-Universität in Krakau und ihr Team den Blutdruck und die Pulswellengeschwindigkeit als Maß für die Gefäßsteifigkeit von 74 Flughafenanwohnern zu verschiedenen Zeitpunkten. Die gleichen Untersuchungen wurden mit 75 nicht exponierten Kontrollpersonen durchgeführt. Alle Teilnehmer füllten auch Fragebögen zu Lebensstil, Vorerkrankungen, Medikamenten, subjektiver Wahrnehmung der Lärmbelastung und Schlafqualität aus. Die Anwohner des Krakauer Flughafens waren vor dem Lockdown Tag und Nacht einem Lärmpegel von mehr als 60 dB ausgesetzt gewesen.
Dauerhafter Lärm, höherer Blutdruck
Nach fünf Jahren kontinuierlicher Lärmbelastung war die Hypertonieprävalenz in der exponierten Gruppe signifikant von 42% auf 59% angestiegen, während in der Kontrollgruppe kein solcher Unterschied beobachtet wurde.
Die durch den Lockdown bedingte Abnahme des Fluglärms schien sich dagegen positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit der Anwohner auszuwirken: Es zeigten sich signifikante Verbesserungen bei der wahrgenommenen Lärmbelastung, den 24-Stunden-Blutdruck-Werten und der Pulswellengeschwindigkeit. Der systolische Blutdruck sank von durchschnittlich 121,2 auf 117,9 mmHg, während der diastolische Wert von 75,1 auf 72,0 mmHg sank. Die Pulswellengeschwindigkeit nahm von 10,2 auf 8,8 m/s ab.
In der Kontrollgruppe wurden weniger starke Reduktionen dieser Parameter beobachtet. Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten sich bei der Abnahme des diastolischen Blutdrucks zu Arbeits- und Schlafenszeiten und der Pulswellengeschwindigkeit. Selbst nach Adjustierung auf Störfaktoren blieb der Unterschied in der Reduktion der Pulswellengeschwindigkeit zwischen exponierten und nicht exponierten Teilnehmern signifikant (-1,49 vs. -0,35 m/s).
Liegt es an der gestörten Nachtruhe?
Zu Studienbeginn berichteten mehr als 40% der Flughafenanwohner und nur 24% der Kontrollpersonen über nächtliche Wachphasen. Während des Lockdowns gab es hier jedoch keine signifikanten Unterschiede mehr. Frühere Studien weisen darauf hin, dass nächtlicher Lärm eher kardiovaskuläre Erkrankungen verursachen könnte als Lärmbelastung am Tag.
„Langfristige Fluglärmexposition kann die Hypertonieprävalenz erhöhen und die Gefäßversteifung beschleunigen. Selbst eine kurzfristige Lärmreduktion, wie während des COVID-19-Lockdowns, kann diese ungünstigen Effekte jedoch umkehren“, fassen Wojciechowska et al. zusammen. Die Studie betone, wie wichtig Strategien zur Lärmreduktion für die kardiovaskuläre Gesundheit seien.
Literatur
Wojciechowska W et al. Blood Pressure and Arterial Stiffness in Association With Aircraft Noise Exposure. Long-Term Observation and Potential Effect of COVID-19 Lockdown. Hypertension 2021. https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.121.17704.